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(c) Pester Lloyd / 38 - 2016   GESELLSCHAFT     19.09.2016

Systemtreue Wilde: Wie Ungarns Regierung um die Roma "wirbt"

Gruppen gegeneinander ausspielen - das ist Basishandwerk eines jeden Machtpolitikers. Am besten Schwache gegen Schwächere. Ein eindrucksvolles Beispiel dasfür ist die aktuelle Wortmeldung eines selbsternannten "Roma-Führers". Er schloss mit den "Weißen" einen Deal, um 800.000 Stimmen für das Referendum am 2. Oktober zu "verkaufen".

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Derjenige informelle Roma-Chef, ein sogenannter Vojvode, früher auch spöttisch Gipsy-King genannt, des Komitates Borsod-Abaúj-Zemplén, Attila Lakatos (Foto), rief seine Stammesbrüder (ja, das mag unser politisch korrekten Leserschaft aufstoßen, soll es auch) dazu auf, Orbáns Anti-Migranten-Politik zu unterstützen, denn "Einwanderer" könnten die Arbeitsmarktsituation für die "ungebildeten" Roma (wörtlich: Zigeuner) weiter verschärfen. Dies aus dem Munde eines Mitglieds der größten ethnischen Minderheit in Ungarn, die durch systematische Segregation, durch offenen und verdeckten - auch staatlichen - Rassismus eigentlich ein Herz für Ausgegrenzte haben müsste, erscheint abstrus, ist es aber in der Logik dieses Häuptlings nicht.

Anstatt bessere Ausbildung, Gleichberechtigung, Chancengleichheit zu fordern, bläst Lakatos kräftig in Orbáns Horn. "Unsere Leute fürchten (angesichts von "Einwanderern") nicht nur um ihre Töchter und Frauen", sondern vor allem die Konkurrenz von billigen Arbeitskräften. Diese seien zwar weitgehend genauso ungebildet wie viele Roma selbst, aber womöglich noch billiger zu haben, so die Sorge. Lakatos wörtlich: "Heute erlauben wir unseren Kindern noch frei, zur Schule zu gehen, weil sie von niemandem bedroht werden (die Steine von "weißen" Ungarn und die Repressalien in den Schulen - getrennte Esssäle, Zutrittsverbot im Schwimmbad etc., "Sonderklassen" für Roma-Kinder - blenden wir mal aus). Wenn die Einwanderer kommen, werden wir Angst haben müssen um unsere Töchter, Frauen und Familien, weil niemand mehr sicher sein wird." - Das ist ungefähr das gleiche, was die "echten" Ungarn über die "Zigeuner" sagen, aber das nur am Rande.

Die Aussagen tätigte Lakatos, der sich der sozial-ökonomischen Gründe für die Misere seines Volkes
an anderer Stelle durchaus bewußt ist, ausgerechnet auf einer Konferenz in Miskolc, bei der eine "Gesellschaft der Europäischen Roma" gegründet wurde, mit Mitgliedern aus Ungarn, Rumänien, der Slowakei und der Ukraine, einer vom Fidesz lancierten, quasi pan-ungarischen Zigeunerunion, systemtreue Wilde sozusagen, die man steuern, finanzieren und benutzen kann. Der Verein wird sich bald noch mehr staatlicher Förderung erfreuen, ca. ab dem 3. Oktober. Ausgerechnet Miskolc, jene Stadt, die seit über einem Jahr Zwangsumsiedlungen von Roma vornimmt.

Selbstverleugnung, bis hin zum Verrat der eigenen Identität, das ist eines der Produkte jahrhundertelanger Ausgrenzung dieser Minderheit. Korruption eine allgemein verbreitete Krankheit. Einen anderen systemtreuen Roma-Chef, Vorsitzender des ORÖ-Romarates, auch eine Fidesz-Veranstaltung, hatte man zwischenzeitlich aufgeben müssen,
zu offensichtlich war die Korruption geworden.

 

Vorangegangen waren den Aussagen Lakatos` kaum verstellte Ankündigungen der ungarischen Regierung, die Roma müssten Einschnitte hinnehmen, sollte Ungarn gezwungen sein, im Rahmen einer europäischen Quotenregelung Flüchtlinge aufzunehmen. Denn, so Orbáns Kabinettschef Lázár: Die Aufnahme von Flüchtlingen würde das Land dazu zwingen, den aufgedrängten Neuankömmlingen Sozialleistungen zu zahlen, von denen derzeit hauptsächlich Roma "profitieren". Gebe es mehr Beziehende, würden die Leistungen gekürzt werden müssen. Lies: Liebe 800.000 Roma, stimmt bitte am 2. Oktober in unserem Sinne beim Referendum oder es wird teuer für euch. Häuptling Lakatos hat die Message verstanden. Es möge Friede im Reservat herrschen.


red.

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