Hauptmenü

 

Unabhängiger Journalismus braucht die Hilfe seiner Leserinnen und Leser!

Bitte unterstützen auch Sie den PESTER LLOYD!

 

AUB6-PESTERLLOYD BANNER2

 

(c) Pester Lloyd / 46 - 2016    POLITIK     15.11.2016

Auf eine Tasse Kaffee: Die diskreten Geschäfte des Ministers Rogán

In der Riege der Orbán-Günstlinge nimmt "Propagandaminister" Antal Rogán seit jeher einen der schillerndsten Plätze ein, das Register seiner "Nebentätigkeiten" ist schier endlos. Aktuelle Recherchen unabhängiger Journalisten bringen nun eine ganze Reihe weiterer Korruptionsskandale ans Licht, die den Minister eigentlich unhaltbar machten. Doch nicht in Orbáns Ungarn, der Premier verteidigte seinen Zögling leidenschaftlich, ist er doch wichtiger Teil seines Netzwerkes der Macht und Selbstbereicherung.

46orbanrogan (Andere)
Lohn der Treue: Orbán verteidigte Rogán im Parlament leidenschaftlich...

Am Freitag veröffentlichte das unabhängige Internetportal www.index.hu, in Zusammenarbeit mit weiteren Medien eine lange Recherche, mit der man - u.a. auch mit Video- und Audiomaterial nachweist, dass Minister Antal Rogán in diverse Hinterzimmer- und Off-Shore-Geschäfte mit öffentlichen Geldern verwickelt ist und dabei sein Amt missbraucht und geltendes Recht bricht. Ähnlich wie Orbán seinen "Gutsverwalter" Lörinc Mészáros, hat, so Index, auch Rogán seinen Strohmann, den Rechtsanwalt Balázs Kertész.

Die wichtigsten Ergebnisse des Artikels:

- Rogán log, als er behauptete es habe ein Treffen zwischen ihm, seinem bereits aus Fidelitas-Tagen bekannten Jugend- und Anwaltsfreund Kertész, einem Geschäftsmann sowie dem "inofiziellen" Medienberater Orbáns, Árpád Habony, bei dem über die Finanzierung eines Kraftwerksdeals in Georgien verhandelt wurde, nicht gegeben. Videoaufnahmen belegen nicht nur das Treffen selbst, Audioaufnahmen belegen auch den kriminellen Hintergrund: ein über einen georgischen Ex-Minister angestoßenes Kraftwerksprojekt in Georgien sollte über die staatliche, ungarische Eximbank finanziert werden, wobei 5% der Kreditsumme unmittelbar an Anwalt Kertész zu überweisen sei. Außerdem wurden Vorauszahlungen vereinbart, damit "die Sache ins Laufen" gebracht werden könne.

- Dargestellt wird Rogáns Verwicklung in den Betrugsskandal der K&H Equities im Jahre 2003, den man damals den "Sozis" gänzlich in die Schuhe schieben wollte. Damals wurden gefakte Anleihen im großen Stil verscherbelt und Kunden um Dutzende Millionen Euro betrogen. Rogán und sein Kumpel Kertész standen allerdings auch auf der VIP-Liste der Profiteure des Haupttäters Kulcsár, wurden aber von Generalstaatsanwalt Polt, bis 2002 Kabinettschef bei Orbán, später von der Liste der Verdächtigen gestrichen.

- Aufgearbeitet und zumindest mit belastbaren Indizen belegt wird auch, dass Kertész und Rogán am Modell "EU-Visa gegen Staatsanleihen" mitnaschen, jenes Modell, dass Orbán aufrecht erhalten ließ, obwohl er das durch die
Ablehnung der Verfassungsänderung von seiten Jobbik mit einem relativ hohen politischen Preis bezahlte. Es ist belegt, dass der Anwalt Kertész gerade rechtzeitig in jene bis dato völlig unbekannte Anwaltskanzlei wechselte, die durch die Regierung mit der administrativen Abwicklung von bis zu 3.000 Aufenthaltsanträgen betraut wurde. Kostenpunkt pro Antrag: 5.000 EUR plus Spesen...

- Ebenfalls mit Zahlen, Daten und Namen beschrieben wird der Erwerb einer großen Eigentumswohnung Rogáns zu einem, sagen wir es vorsichtig, Vorzugspreis, deren Finanzierung aus den offen gelegten Einnahmen Rogáns nicht schlüssig erklärbar ist.

46rogankerteszloeschung (Andere)
Dieses Foto entfernte Rogáns Team am Wochenende von dessen Facebook-Seite. Der Index-Screenshot davon beleuchtet Rogáns Kumpel Kertész, die Entfernung ist für die Journalisten ein Beleg für die Richtigkeit der Recherchen.

In Summe sind es zehn Aufdeckungen seitens index.hu, von der jede einzelne ein Verfahren rechtfertigt und die in Summe geeignet sind, die sofortige Entlassung des Ministers zu veranlassen. Hier geht es zum gesamten Beitrag bei index.hu. Eine englischsprachige Zusammenfassung finden Sie bei den Kollegen von Budapest Beacon

Prototypen von Emporkömmlingen einer Postdemokratie

In der Riege der Orbán-Günstlinge nimmt
"Propagandaminister" Antal Rogán, neben Kanzleramtschef Lázár, jedoch seit jeher einen der schillerndsten Plätze ein. Beide sind Prototypen des Emporkömmlings in der Postdemokratie: clever, gut vernetzt, skrupellos, dabei mäßig gebildet, frei von Moral und desinteressiert an den gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Handlungen.

46roganlazarLázár und Rogán sind für Orbán die zwei wichtigsten Exekutoren seiner Macht, sie sorgen sowohl für Ordnung und Gefolgschaft in den eigenen Reihen, organisieren aber auch die Außendarstellung der Fidesz-Poltik. Ihr Hauptjob besteht jedoch in der Verflechtung eines haltbaren Netzes für die Umleitung öffentlicher Gelder in die "richtigen" Taschen. Zusammen mit den diversen Hintergrundgestalten, von
Habony über Kertész bis hin zu Mészáros und Vajna (neben weiteren Oligarchen und gänzlich unbekannten Strohmännern) bilden sie eine untrennbare Symbiose zwischen mafiaähnlicher Wirtschaftsmacht und Politik. Orbán nutzt die Verflechtungen nach dem altbewährten Prinzip "Teile und herrsche".

Skandale am Fließband

Die Serie von Skandalen des früheren Fidesz-Fraktionschefs, Budapester Bezirksbürgermeisters und jetzt Ministers des Kommunikationsamtes des Premiers, Rogán, reicht von unerklärlich finanzierten Luxusobjekten und -reisen, über die
Vergabe von Tabaklizenzen und Werbeaufträge an Kumpels, die Privatisierung Dutzender kommunaler Immobilien an befreundete Geschäftskreise (für die sich sogar die EU-Antibetrugsbehörde OLAF interessierte), dabei dubiose Kontakte in die Unterwelt nicht scheuend, bis hin zu einer Reihe handfesten Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in jedem Rechtsstaat den Staatsanwalt auf den Plan rufen würde.

In Orbáns Ungarn sind die Abläufe andere. Die Personen im unmittelbaren Machtzirkel des Premiers gelten als unantastbar. Es ist nur nicht ganz klar, ob aus dem Grund, dass sie als nützliche Idioten erpressbar sind oder selbst über so viel Wissen über die Geschäftstätigkeiten des Premiers haben, um geschützt zu sein. Vermutlich ist es, wie in Mafiafamlien üblich, eine Mischung aus Beidem.

Unabhängiger Journalismus braucht die Hilfe seiner Leserinnen und Leser!

Bitte unterstützen auch Sie den PESTER LLOYD mit einem Abo oder einer Spende. Infos hier!

oder direkt über diesen Link:
www.paypal.me/pesterlloyd



Öffentlich leugnen sie schlicht alles, was ihnen unterstellt wird, ist die Beweislast auch noch so drückend. Rogán zum Beispiel löschte ein Foto, das ihn zusammen mit Kertész zeigt von seiner Facebook-Seite, von Screenshots hat er wohl noch nichts gehört. Den Vorgang werten Beobachter als Schuldeingeständnis. Auch den Helikopterflug zu einer Hochzeit am Tag des Referendums leugnete Rogán, obwohl die Népszabdság Bildmaterial davon hatte. Notfalls werden die entsprechenden Medien dann jedoch mundtot gemacht, wie u.a. in den Fällen
origo.hu und Népszabadság.

Alles leugnen und das Gegenteil behaupten

Im vorliegenden Fall beklagte ein Rogán-Sprecher, dass es unerhört sei, dass man den Minister nicht einmal einen Kaffee mit einem alten Bekannten trinken lasse, ohne ihn "zu beschatten" und prüft eine Anzeige wegen Verletzung der Privatsphäre. Auf die Staatsanwaltschaft Polt ist ohnehin Verlass. Aber auch der
Rechnungshof attestierte Rogán, dass seine Immo-Deals im V. Bezirk alle korrekt gewesen seien. Kaum nötig, zu betonen, dass auch der Rechnungshof unter Fidesz-Aufsicht steht.

 

Am Montag stellte sich Premier Orbán offen vor seinen Zögling und verteidigte ihn im Parlament leidenschaftlich. Auf Anfragen der oppositionellen LMP sowie der MSZP und Jobbik, wie der Regierungschef auf die gewaltigen, mit Namen und Daten belegten Vorwürfe der Medienrecherche zu reagieren gedenkt und ob es nicht Zeit wäre, Rogán zu entlassen, erwiderte Orbán nur harsch, dass es sich dabei schlicht um "politische Täuschungsmanöver" handelte, er werde nicht auf "Boulevardgeschichten" reagieren, es zähle für ihn "nur die Leistung in der Regierungsarbeit". Rogán sei in der Lage, die Sachen selbst zu klären, sagte er abschließend, was für die Journalisten und Medien nichts weiter darstellt als eine offene Drohung. Schon allein der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft nicht aktiv werde, belege für ihn, Orbán, dass an den Vorwürfen nichts dran sein könnte, ja es sich um einen "infantilen Bluff" handele, den "ich nicht ernst nehmen" könne.

In Ungarn gibt es keine Kontrollorgane mehr

Ernst nehmen muss Orbán die Angelegenheit auch nicht, hat er schließlich selbst dafür gesorgt, dass jene Instanzen, die den Rogáns, Lázárs und Orbáns das Handwerk legen könnten, ja müssten,
gleichgeschaltet wurden. Die Opposition hat sich selbst in eine einflusslose Lage manövriert und Hilfe von außen, u.a. durch eine EU, die den Raub an EU-Geldern stoppen und damit den Nachschub für die gut geschmierte Fidesz-Maschine (hier ein Beispiel) abschneiden wollte, ist nicht zu erwarten.

red.

Was war denn los bei Euch? Pester Lloyd - in eigener Sache


 



 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

 

 

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854