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(c) Pester Lloyd / 49 - 2016    POLITIK     10.12.2016

Alt-neuer Lieblingsfeind: Orbán stilisiert Wahlen in Rumänien zum "Überlebenskampf" der Ungarn

Während Ungarn den Schulterschluss mit den national-populistischen Führern in der Nachbarschaft sucht, baut Orbán Rumänien wieder zu seinem Lieblingsfeind auf. Das hat System. Orbáns Politik braucht Feinde, ohne die man weder Opfer noch Freiheitskämpfer spielen kann, die zwei Lieblingsrollen des selbsternannten Volkstribuns. Vor den Wahlen am 11. Dezember eskalierte Orbán die Situation nochmals.

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Orbán und “sein” Spitzenkandidat Kelemen Hunor von der UMDR / RMDSZ.

Ungarn verbot seinen Diplomaten jegliche Teilnahme an Veranstaltungen zum Tag der Einheit in Rumänien am 1. Dezember, dem höchsten Nationalfeiertag des Landes. Es wäre "eigenartig, wenn ungarische Diplomaten oder offizielle Politiker an diesem Tag Feierlichkeiten in Rumänien besuchten", hieß es von Außenminister Péter Szijjárttó, schließlich feiern die Rumänien mit ihrer "Einheit" die "Zerschlagung Ungarns" nach dem Ersten Weltkrieg. Dass umgekehrt, ungarische Politiker zu ungarischen Feiertag regelmäßig beim südlichen Nachbarn einfallen, um ihren Revanchismus bei den ethnischen Ungarn abzuladen, das ist freilich nicht "eigenartig".

 

Mehr noch, die Einmischungen der Fidesz-Regierung in die rumänische Politik sind teilweise haarsträubend. Ungarn sieht sich als Schutzmacht der rund 1,5 Millionen (nur mehr knapp 800.000 bekennen sich offen dazu) ethnischen Ungarn in Rumänien und spricht regelmäßig von einem "Überlebenskampf" einer angeblich ständig drangsalierten Minderheit und fühlt sich daher berufen, Bukarest regelmäßig Warnungen, Empfehlungen und Drohungen zu übermitteln. Dass man die ethnischen Ungarn so erst zu einem politisch instrumentalisierbaren Faktor für nationalistische Rumänen macht, scheint einkalkuliert.

Orbán gab immer wieder offene Wahlempfehlungen, lieferte sich wochenlange
verbale Schlagabtausche mit seinem Ex-Amtskollegen Ponta und nimmt Personen in Schutz, gegen die die äußert effizient agierende Antikorruptionsbehörde DNA wegen Korruption und Amtsmissbrauch ermittelt. Den früheren rumänischen Staatssekretär und Abgeordneten der Ungarnpartei RMDSZ / UMDR Attila Markó versteckte er vor der rumänischen Justiz und erst kürzlich ließ er vier "Verfolgte", Bürgermeister, gegen die ermittelt wird, von seinem Vize Semjén mit staatlichen Orden auszeichnen. Seinen Kabinettschef lässt Orbán juristische Ermittlungen als "antiungarische Aktivitäten" unter dem "Vorwand der Korruptionsbekämpfung" titulieren.

Orbáns Parlamentspräsident Kövér findet nichts dabei, auf rumänischem Territorium einem ungarischen
Pfeilkreuzler-Faschisten zu huldigen, die Separatistenflagge der militanten Siebenbürger Volkspartei Ungarn am Budapester Parlament zu hissen (dafür die europäische zu verbannen) und offen von einer "Rückholung" und “territorialen Autonomität” zu sprechen. 

In jedem Gesetz, sei es eine Verwaltungsreform, eine Änderung am Arbeitsrecht, ja sogar im Wetterbericht des Staatsfernsehens erkennt man Gängelungen, Unterdrückung, Verfolgung. Dabei lassen die Rumänen - eingedenk ihres per se zentralistisch-national strukturierten Staatssystems - die Ungarn weitgehend in Ruhe, tun sich allerdings schwer damit, ihnen mehr Präsenz von Kultur und Traditionen zu genehmigen, wenn man das Gefühl hat, die Hungaro-Rumänen werden von Budapest als fünfte Kolonne entwickelt, durch massive Geldzahlungen, vornehmlich für Fidesz-treue Strukturen, Medien und Propagandanetzwerke.

Während Ungarn mit Serbien, der Slowakei und der Ukraine den Schulterschluss sucht, man mit dem Nachbarn Kroatien ein kühles, aber halbwegs pragmatisches Verhältnis pflegt, baut Orbán Rumänien in letzter Zeit wieder zu seinem Lieblingsfeind unter den Nachbarn aus. Das hat System. Orbáns Politik braucht Feinde, ohne die man weder Opfer noch Freiheitskämpfer spielen kann, die zwei Lieblingsrollen des selbsternannten Volkstribuns. Da es abzusehen ist, dass die Rhetorik gegen die Flüchtlinge als mordende, vergewaltigende Eindringlinge unadaptierbarer Kulturkreise allmählich ermüdet, auch wenn man das Thema auf steter Flamme weiterköchelt wie ein ewiges Pörkölt, braucht es neue Aufreger.

Was liegt näher als "das Überleben der Ungarn in Rumänien steht auf dem Spiel" zu rufen, wie es Premier Orbán am Donnerstag im ETV, dem Siebenbürger Ungarn-Fernsehen wieder einmal tat. Daher sei es wichtig, dass möglichst alle Hungaro-Rumänien zur Parlamentswahl am Sonntag, 11. Dezember (
Hintergründe hier bei der Siebenbürgischen Zeitung), gehen, um "den Ungarn eine starke Vertretung in der rumänischen Legislative zu sichern", sonst drohe "der Untergang". Orbán hat - wie auch in der Slowakei - seit 2010 kompromisslos versucht, die jeweilig tonangebende ethnische Ungarnpartei auf Fidesz-Linie zu zwingen.

Wo das nicht gelang, kam es zur Spaltung und somit zur Marginalisierung der Vertretung in den Parlamenten, so z.B. in der Slowakei, aber auch in Rumänien verlor die UMDR an Boden. Dass Orbán also Schuld an der schwindenden Präsenz der ethnischen Ungarn trägt, lässt sich an den Vorkommnissen ablesen, wird aber negiert. Es ist alles immer Schuld der anderen. UMDR-Chef Kelemen Hunor, früher eher ein auf Kompromiss bedachter Aktueur, wurde von Orbán ultimativ auf die Fidesz-Leitlinien geeicht. Er gab Kleinbei, weil man ihn sonst abgesägt hätte.

Orbán fährt mit seinem Lamento fort: "Die, die nicht für sich selbst einstehen, werden ignoriert, wenn nicht sogar übergangen von der Mehrheit." Die Ungarn in Rumänien sollten nicht erwarten, dass "Euch die Rumänen den verdienten Respekt und die Anerkennung eurer Rechte" geben, dafür "müsst ihr aufstehen und wählen gehen." "Es steht nichts weniger auf dem Spiel als das Überleben der Ungarn in Transsylvania und im Partium". Partium? Ein Begriff reinsten Revanchismus`, benennt er doch das "partium regni Hungariae", die "Teile des ungarischen Königreichs", um die man seit 1918/19 trauert.

 

Selbst die Oppositionsparteien, sogar jene des "linken Internationalismus" haben ihre Rhetorik an den völkischen Mainstream angepasst, von LMP bis MSZP spricht man immer wieder vom Ungarntum, das es zu verteidigen gelte und macht regelmäßig seinen Knicks vor der virtuellen "Einheit der Ungarn" - und das in einer Europäischen Gemeinschaft, die Minderheitenrechte garantiert, weil sie Menschen- und Grundrechte als universell garantiert.

Orbán wiederholte am Donnerstag, dass er in den Ermittlungen der DNA "Aktionen, motiviert durch antiungarische Einstellung" sieht und Rumänien angeblich nichts dafür tue, "die Rechtmäßigkeit wieder herzustellen", sprich: die Ermittlungen einzustellen. Man stelle sich bei der Heftigkeit und Absurdität dieser Äußerungen nur vor, wie Orbán und seine Günstlinge erstreagieren müssen, sollte es dereinst, in einer fernen Zukunft, im eigenen Land einmal wieder zu ernsthaften Ermittlungen wegen Korruption und Amtsmissbrauch gegen Amtsinhaber kommen. Orbáns Gekreische in Richtung Bukarest ist daher auch ein Warnsignal nach innen. Wer gegen mich - Orbán - agiert, handelt gegen das Ungarntum, ist also ein Volksverräter.

red.

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