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(c) Pester Lloyd / 50 - 2016 NACHRICHTEN 13.12.2016
Hausdurchsuchungen, Enteignungen, Günstlingswirtschaft: Fidesz überstimmt präsidiale Einsprüche
Das ungarische Parlament hat mit der Regierungsmehrheit drei Gesetze, die nach ihrer ersten Beschlussfassung von Staatspräsident Áder beeinsprucht und zurückgeschickt worden waren, jeweils mit kleineren oder gar keinen Änderungen erneut beschlossen. Es dürfte kaum Zufall sein, dass die "Gerüchte" über den "Verzicht" Áders auf eine zweite Amtszeit zeitlich mit diesen Einsprüchen zusammenhängen.
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Eine Änderung des Gesetzes über die Gesundheitsversicherung sah vor, dass "Gesundheitsautoritäten" jedweden Betrieb, Wohnung oder andere Räumlichkeit "ohne Einwilligung oder Anwesenheit des Eigentümers" betreten "und durchsuchen" dürfen, um u.a. Kontrollen über die rechtmäßige Anmeldung von Arbeitnehmern, die Einhaltung von Vorschriften der Krankschreibung etc. zu überprüfen. Áder verlangte, dass dies nur mit staatsanwaltschaftlicher Genehmigung geschehen dürfe, da sonst von der Verfassung garantierte Rechte sowie das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt würden.
Die Enteignung des Budapester Erzsébet-Platzes aus den Händen der Stadt Budapest durch den Staat bleibt unverändert, trotz des Einspruchs des Präsidenten. Dieser bemängelte, wie auch die Stadt Budapest selbst, dass die Kommune von dem Regierungsvorhaben nicht zuvor informiert und konsultiert wurde, von der Maßnahme praktisch aus der Zeitung erfuhr. Áder wies daraufhin, dass solche "non-pekunären Eigentumsübertragenungen" (lies: Enteignungen ohne Entschädigung) nur mit "Einverständnis" der Kommune stattfinden "sollten". Die Fidesz-Fraktion passte das Gesetz nun dergestalt an, dass man den Vollzug der Maßnahme um einen Monat später datierte, womit genug Zeit sei, "die kommunalen Strukturen darüber zu informieren"...
Ganz ohne weitere Änderungen brachte Fidesz indes ein Gesetz durchs Parlament, das die Genehmigungen von Errichtungen von Windparks regelt. Áder sandte das Gesetz mit der Bemerkung ans Parlament zurück, dass die Formulierungen "den Bau von windgetriebenen Anlagen zur Stromerzeugung praktisch unmöglich" mache und so die Ziele der Pariser Klimakonferenz, denen sich auch Ungarn verpflichtet habe, verfehlen wird. Orbáns Kabinettschef Lázár widersprach dieser Sichtweise, Áder möge sich nicht sorgen, man werde "die Ziele erreichen", man kümmere sich durch das Gesetz lediglich um "ökologische und ökonomische Belange" (sprich: schalte ungewollte Konkurrenz aus, um das AKW Paks besser rechtfertigen zu können bzw. nahestehende Unternehmen zu bevorzugen). Die Regierungsmehrheit verabschiedete das Gesetz erneut, ohne jede Änderung. Findet Áder keinen Konflikt mit der Verfassung oder formale Fehler bei der Verabschiedung, ist er mit seinem Beeinspruchungslatein bereits am Ende.
red.
PESTER LLOYD - in eigener Sache: Wie es bei uns weitergehen soll...
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