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(c) Pester Lloyd / 01 - 2017    WIRTSCHAFT     03.01.2017

Faule Eier: Mehrwersteuersenkungen in Ungarn bringen Normalbürgern nichts

Ungarn senkt zum Jahresanfang die Mehrwertsteuer auf einige Nahrungsmittel, weitere Reduzierungen sollen folgen, allerdings erst 2018. Die Regierung behauptet, damit die Armut im Land effektiv zu bekämpfen. Doch jeder Grundschüler und sogar die Opposition kann vorrechnen, dass das hohle Propaganda ist und die Umverteilung von Unten nach Oben in Orbáns kleptokratischem Ständestaat munter weitergeht - aus ideologischen und handfesten ökonomischen Interessen.

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Geflügelfleisch, Eier und Frischmilch sind seit Jahresbeginn nur noch mit 5%, anstatt zuvor mit 27% (bzw. 18%) Mehrwertsteuer belegt. Ab kommendem Jahr soll diese Mehrwertsteuerquote auch für Schweinefleisch, Rahmprodukte sowie Quark auf dieses Nieau gesenkt werden. Dafür bedürfe es jedoch noch "vorbereitender Tätigkeiten", hieß es aus dem Finanz- bzw. Landwirtschaftsministerium. Schweineschlachter und spezialisierte Molkereien hatten Druck gemacht, die sich durch die Bevorzugung von Geflügelproduzenten und Frischmilch-Molkereien bei der Mehrwertsteuer benachteiligt sahen. Immer wieder wurden Mehrwersteuer-Veränderungen im Lebensmittel- bzw. Agrarmarkt gezielt auf bevorzugte Player zugeschnitten,
wie hier beim Schweinefleisch.

Die generelle Senkung der Mehrwertsteuer auf Produkte des täglichen Bedarfs, vor allem auf Nahrungsmitteln ist
seit Jahren ein Zankapfel und eine zentrale Forderung von Sozialverbänden, verantwortungsvollen Ökonomen und der Opposition, wird von der Regierung jedoch verhindert: zum Einen, weil sie bei ihrer Steuerstruktur diese Einnahmen braucht, zum Anderen, weil es zur Wirtschaftsphilosophie der Orbánomics gehört, die Einkommenssteuern auf Kosten der Verbrauchssteuern zu senken.

Ungarn hat mit 9% die niedrigste Unternehmenssteuer der EU und mit 15% eine sehr niedrige Einkommens-Flat-Rate (16% bei Lohnabhängigen), aber, neben der höchsten Mehrwertsteuer mit 27% auch 64 weitere Verbrauchssteuern für alle nur denkbaren Bereiche: von einer Finanztransaktionssteuer (
von der durch eine Deckelung lustigerweise nur Banken und Spekulanten nicht wirklich betroffen sind), bis hin zu einer Gummibärchen- und Seifensteuer.

Haupteffekt dieser Steuerpolitik: Jene, die einen größeren Anteil ihres Einkommens für Lebensnotwendiges aufwenden müssen, - also geringe und mittlere Einkommensbezieher - werden prozentual stärker, teilweise existenzgefährdend belastet, die "Oberschicht" bevorzugt. Hintergründe dazu in:
Unser kläglich Brot: Warum die Steuer- und Mindestlohnpolitik in Ungarn asozial ist.

Für Csaba Dömötör, ein Staatssekretär, ist das alles ganz in Ordnung so, denn der Leitsatz der Regierung lautet: die Förderung der Mittelschicht bekämpft die Armut. Dafür hätte die Regierung mit ihrer Lohn- und Steuerpolitik gesorgt, die mehr Lohn generiere und gleichzeitig den Unternehmen mehr Geld lasse, um Leute einzustellen. Den Rest besorge das langanhaltende, "hohe" Wachstum. Das erklärte er zu Jahresanfang im Staatsfernsehen.

Der Fraktionschefin der Grünen, Erzsébet Schmuck, platzte daraufhin der Kragen. In einer wütenden Aussendung entgegnete sie, dass es in Ungarn kaum noch eine wirkliche Mittelschicht gibt. Die Regierung züchte sich eine "eigene nationale Bourgeoisie", während "die Massen verarmen".
Die Zahlen sprechen für diese These. Diese "ökonomische Elite" bekomme Gelder "von den unteren Schichten zugeteilt", um sie loyal für das System zu machen.

Die geplante Einführung einer einstelligen Einkommenssteuer werde weitere 1,5 Milliarden Euro (500 Mrd. Forint) in die Taschen der 10% Besserverdiener spülen, während "Milliarden von den Armen genommen werden" (durch das Fehlen von Freibeträgen). Gleichzeitig schließe man die ohnehin einkommensschwachen Rentner von wirtschaftlicher Teilhabe aus, in dem man sie zwingt zwischen Rente und Gehalt zu wählen.

 

Die MSZP ergänzt, dass die Senkung der Mehrwertsteuer auf die oben genannten Produkte letztlich nur den Produzenten hilft, höhere Profite zu machen. Denn die durch die Steuersenkungen realisierten Preissenkungen halten stets nur einige Monate bis die Preise wieder auf das alte Niveau steigen. Der Anteil jener, die als armutsgefährdet oder arm gelten, sei seit 2010 um 50% angestiegen. Ohne die Einführung eines höheren Netto(!)-Mindestlohnes, Freibeträge für niedrige Einkommensschichten und die Erlaubnis des Zuverdienstes für Rentner, werde man dieser Entwicklung nicht Herr werden.

Doch es gibt noch einen Aspekt, warum die Mehrwertsteuer im Bereich Lebensmittel und Agrar in Ungarn nicht flächendeckend gesenkt und vereinheitlicht wird: die hohen Mehrwertsteuerunterschiede vor allem bei landwirtschaftlichen Produkten und Nahrungsmitteln im Vergleich mit anderen EU-Ländern ist eine Grundvoraussetzung, dass sich die
kriminellen Mehrwertsteuerkarussells lohnen. Diese sind keine Peanuts, den Steuerzahler kosten sie bis zu 1 Milliarden Euro im Jahr. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Fidesz-Barone an diesen Schiebereien mitverdienen und dabei auch vom Finanzamt gedeckt werden, das lediglich jene Konstrukte auffliegen lässt, die den heimischen Banden Konkurrenz machen.

red.

Den Benachteiligten eine Stimme...

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