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(c) Pester Lloyd / 03 - 2017    POLITIK     20.01.2017

Rentner in Rage: Ungarns Pensionisten wollen "kein Stimmvieh mehr sein"

Weder die Regierungsparteien, noch die Opposition, nicht einmal Zivilorganisationen würden die Interessen der Rentner in Ungarn vernünftig vertreten. Daher müssten die Betroffenen ihr Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen. Gründe genug, auf die Barrikaden zu gehen, gibt es.

1703rentnerpartei"Heute wird man nur gehört, wenn man im Parlament sitzt", sagt Tibor Kabai, einer der Initiatoren der IDSZ, der "Allianz der älteren Demokraten", die sich kürzlich als Partei formierte und 2018 bei den Parlamentswahlen antreten will. Auf ATV präsentierte er seine Ideen.

Eine Parteineugründung wäre sonst nur eine Randnotiz, im Falle der ungarischen Rentner jedoch verbirgt sich dahinter politischer Sprengstoff. Es ist nicht nur deren, parteiübergreifend, verzweifelte materielle Lage, sondern die schiere Masse an potentiellen Mitstreitern. Immerhin sind über 2 Millionen der knapp 10 Millionen Bürger im Rentenalter, ein Wählerreservoir, deren Wut jede Regierung abwählen, jedes System zu Einsturz bringen könnte.

 

Von diesen 2 Millionen Rentnern leben 1,1 Millionen laut Sozialversicherer ONYF von weniger als 100.000 Forint (324.-) im Monat, rund 800.000 liegen zwischen 324.- und 650.- EUR Monatseinkommen, lediglich 100.000 Pensionisten darüber, ca. 80.000 sogar unter 50.000 Forint, also bei rund 155.- EUR. (Mehr Zahlen zum ung. Rentenwesen hier bei penzcentrum.hu)

Grund Genug, auf die Barrikaden zu gehen, haben die Rentner also. "Wir haben genug davon, nur als Stimmvieh benutzt zu werden", sagt Kabai. Der IDSZ fordert die Einführung einer bedingungslosen Grundrente, auf die weitere Ansprüche aufgerechnet werden können. Diese müsse so hoch sein, dass ein "würdiges Auskommen" garantiert ist. Das schließe auch ein, dass die Regierung den Zuverdienst durch Arbeit wieder ohne Sanktionen möglich macht. Im Rahmen der "Rentenreform" müssen sich Menschen, die das Pensionsalter erreichen nämlich entscheiden.
Arbeiten sie weiter, verlieren sie den Anspruch auf Rentenzahlungen...

"Wir haben einfach genug von den Aktivitäten von Fake-Volksparteien, die einen Wettbewerb um
die blumigsten Versprechen für die Rentner abhalten, um sie dann, sind sie einmal an der Macht, den eigenen und Parteiinteressen zu opfern" so Kabai (Foto unten), der "nirgendwo einen wirklichen Nutzen" für die Rentner erkennen will, bei dem, was die Parteien so versprechen. Dabei will er auch nicht auf Kosten der Jungen profitieren.

1703kabaitiborIm Moment würde die Regierung "das Vermögen der jungen Generation verbrauchen", eine Anspielung auf den Milliarden-Coup, mit dem man sämtliche private Rentenbeiträge 2011 enteignet hat, um Staatsschulden zu tilgen. Dabei gingen nicht nur einige Milliarden "verloren", sondern werden auch
die gesetzlichen Ansprüche von Hunderttausenden negiert bzw. auf kommende Generationen und Regierungen verschoben. Dass das gesamte ungarische Rentensystem in ein bis zwei Jahrzehnten vor dem Kollaps stehen könnte, allein schon wegen der massiven Auswanderung der produktivsten Gesellschaftsschichten, das negiert zwar die Regierung, - irgendwann wird sie aber die Hosen runter lassen müssen. Die IDSZ will dafür sorgen, dass dies bald geschieht.

 

Eine Rentnerpartei á la Graue Panther als kämpferisches schlechtes Gewissen der Regierung? Die Idee hat einiges für sich. Mit den Rentnern will es sich keine Partei verscherzen. Gelungen ist es bisher nicht, von 1990 bis 1994 versuchte sich schon einmal eine Rentnerpartei, scheiterte aber an Bedeutungslosigkeit. Im Nachbarland Slowenien hingegen schaffte es die "Demokratische Partei der Rentner Sloweniens" (DeSUS) seit Jahren ins Parlament und ist mit ihren derzeit 10% Stimmenanteil ein wichtiger Machtfaktor, notfalls eben das Zünglein an der Waage. Der dortige Premier würde es wahrscheinlich nicht wagen, den Rentnern die Bezüge unter der Inflationsrate zu erhöhen und und sich zu Weihnachten für die Übersendung von Lebensmittelmarken im Wert von 32.- EUR für “jahrzehntelange, aufopferungsvolle Tätigkeit” feiern lassen zu wollen.

red.


46pllogo (Andere)
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