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(c) Pester Lloyd / 04 - 2017    POLITIK      27.01.2017

Alternative Realitäten: Ungarns Premier wirbt in Brüssel für Trump und fürchtet einen Bundeskanzler Schulz

Der Spruch musste ja kommen. "Let´s make Europe great again!" meinte Ungarns Premier Orbán, Trumps größter Fan in Europa, bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel. Freilich meinte er ein Europa der Nationalstaaten und fordert in Endlosschleife, dass man "Trump endlich ernst nehmen solle". Das tut man unter Europäern durchaus, denn man sieht ihn als das was er ist: eine reale Gefahr für unsere Zivilisation.

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Auf der von der CDU-nahen Adenauer-Stiftung (zusammen mit dem fundamentalistischen Antall József Tudásközpont) organisierten Veranstaltung in Brüssel meinte Orbán, dass "eine neue Ära an die Tür Europas" klopfe und die Frage aller Fragen sei, ob die EU und Europa "bereit sind, diese neue Ära anzunehmen". Auf Dauerprovokation gebürstet, wiederholte er bis zur Ermüdung seine hinlänglich bekannten Phrasen: "Die Dinge laufen schlecht in Brüssel und in die falsche Richtung", das habe "ich schon vor 20 Jahren gesagt". Die EU hatte "ambitionierte Ziele, aber keines davon erreicht", sei es die Schaffung eines Euro-asiatischen Wirtschaftsraumes, die Aufstellung einer unabhängigen, europäischen "Sicherheitspolizei".

 

Man solle "Trump endlich ernst nehmen". Die Briten haben entschieden, die EU zu verlassen und die USA, somit "die stärkste Militärkraft", haben einen neuen Präsidenten gewählt, aber die EU-Eliten versuchten immer noch, den Völkern weis zu machen, dass die Dinge nicht so sind wie sie sind. Jedoch habe Donald Trump eine "historische Ankündigung" gemacht, wonach "jedes Land das Recht hat, sich an erste Stelle zu stellen", der "Wandel werde bald geschehen und die Ära des Multilaterismus wird zu Ende gehen." (Mehr dazu in diesem aktuellen Beitrag.)

Man solle sich auf eine multipolare Welt einstellen, auch wenn man noch nicht genau sagen könne, wie die globale, politische Struktur sich entwickeln werde. Bilaterale Vereinbarungen werden wieder an Gewicht gewinnen, multilaterale Abmachungen aufgelöst. Europa sei darauf nicht vorbereitet, es sei gebeutelt durch Wettbewerbsschwäche, demographische und sicherheitspolitische Krisen, ja, Europa könne nicht einmal mehr auf regionaler Ebene eingreifen, wie das Versagen in der Flüchtlingskrise und bei den Konflikten in der Ukraine oder in Syrien belege.

Auch hier kam wieder Orbáns völkische Credo zum Klingen: "Eine Nation, die nicht in der Lage ist, sich selbst zu reproduzieren, hat kein Recht zu existieren". Selbst bei der Adenauer-Stiftung, diesem Orbán stets die Stange haltenden Relikt des Kalten Krieges, sorgte der Spruch für einige Stirnrunzler, - eigentlich hätte an dieser Stelle, als Orbán allen Ernstes nationalsozialistischen Sprachgebrauch einführt, die Veranstaltung zu Ende sein müssen. War Sie aber nicht.

"Europa wird seinen Status als Global Player einbüßen und selbst als regionaler Player an Bedeutung verlieren", meint Orbán, wobei er die Schuld dafür wiederum den "Utopien" von einem "supranationalen" Gebilde gibt, denen sich die EU "versklavt" habe. Er wiederholte auch, dass es "keine einzelnen Europäer" gebe, nur "europäische Völker". Europa sei immer dann stark gewesen, wenn es "mehrere Machtzentren" hatte. Nun, genau diese Konstellationen hatten wir in Europa immer vor großen Kriegen, von den Erb- und Religionskriege bis hin zu WWI und II. Aber offenbar gibt es nicht nur "alternative Fakten", sondern auch alternative Geschichte...

Das Europa, das Orbán so nicht will, brauche indes mehr "Selbstbewußtsein" - die Dialektik eines Bipolaren? Europa müsse sich "schützen können, ohne Hilfe von außen". Eine "gemeinsame europäische Verteidigungsallianz" (offenbar als Nachfolger der "obsoleten" NATO) wäre in der Lage "mit Jedem, Russland eingeschlossen, auf Augenhöhe zu verhandeln". Dazu gehörten auch neue Handelsvereinbarungen mit den USA, China und Russland.

 

Dann ging er auf den Ex-Präsidenten des EU-Parlamentes und designierten SPD-Vorsitzenden und Kandzlerkandidaten Martin Schulz los: "Ich habe Respekt vor ihm, er ist ein Kämpfer (...) Aber er hat eine gänzlich andere Vorstellung von Europa als wir: Dieser Kandidat versteht nicht die drei wichtigen Dinge der europäischen Politik: Religion, Nation, Markt. Und er könnte deutscher Kanzler werden - wir sind in einer ernsten Lage."

Widerspruch und harte Fakten, mit denen sich Orbán in der anschließenden Diskussion konfrontiert sah, perlten an ihm ab wie an einer gut imprägnierten Outdoor-Jacke. Selbst der alte Kaltkriegsveteran Elmar Brok, einer dieser Dauerrelativierer von Orbáns Demokratiezerstörungswut, belehrte ihn über die unübersehbaren Vorteile institutionalisierter, internationaler Kooperation, dass kein EU-Land in der Welt alleine bestehen könnte. Von Orbán kam keine verwertbare Antwort, wie es bei ihm immer Substanz fehlt, wenn es um wirkliche Sachfragen, um konstruktives Miteinander geht.

red.


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