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(c) Pester Lloyd / 05 - 2017    POLITIK      02.02.2017

"Bewährtes System": Ungarn will eine EU-Staatsanwaltschaft verhindern

Beim üblichen Umgang mit EU-Geldern in Ungarn wäre die Installation einer EU-Staatsanwaltschaft mit nationalen Exekutivrechten die größte anzunehmende Unnanehmlichkeit, der Super-GAU der Orbánschen Kleptokratie. Es geht um Milliarden. Ein Staatssekretär versucht mit einer Kanonade peinlicher Ausreden die Unsinnigkeit eines EU-Staatsanwaltes zu belegen. Die Idee sei "ineffizient und unprofessionell".

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Es ist der Überlagerung durch regionale und globale Konflikte, aber vor allem auch der Lobbyarbeit einschlägiger Machtzirkel geschuldet, dass die Initiative einiger Nettozahler sowie der EU-Kommission, die seit dem Jahre 2000 auf dem Tisch liegt, nicht so recht vorankommen will.

Geschätzt geht es um jährlich 50 Milliarden Euro "Reibungsverluste", locker 3 Milliarden davon gehen pro Jahr auf ungarische Konten (nicht zwangsläufig auf Konten in Ungarn). Mehr als Zwischenberichte brachte die EU bisher nicht zu Stande, zu viele Regierungen treten auf die Bremse. Das könnte sich z.B. ändern, wenn Deutschland einen Bundeskanzler Schulz bekommt. Ungarn
bekämpft diese apokalyptische scheinende Idee bereits bissig, nun äußerte sich auch Staatssekretär und versucht mit einer Kanonade peinlicher Ausreden die Unsinnigkeit eines EU-Staatsanwaltes zu belegen.

1705kecsmar (Andere)In einem
Interview mit der regierungstreuen "Magyar Hírlap"  hält der für die EU-Justizkooperation zuständige Staatssekretär Krisztián Kecsmár (Foto: kormany.hu) fest, dass die ungarische Regierung die "Schaffung eines europäischen Staatsanwaltes nicht unterstützt". "Eine solche Institution wäre nachweislich uneffektiv." Man verwerfe die Idee aus "professionellen Überlegungen". Natürlich.

Die Aufgabe einer EU-Staatsanwaltschaft als unabhängige europäischer Institution wären "Ermittlungen von Straftaten, die mit EU-Finanzierungen verknüpft sind, Straftaten, die bereits durch das ungarische Strafrecht, z.B. als Steuerbetrug, Amtsmissbrauch, Entwendung von öffentlichen Mitteln, definiert sind", so Kecsmár.

Der aktuelle Kommissions-Vorschlag sieht einen Generalsstaatsanwalt mit einem dreiköpfigen Entscheidungsgremium vor sowie in deren Auftrag in den Mitgliedsstaaten tätige Staatsanwälte mit entsprechender Ausstattung vor. Diese würden selbstständig Ermittlungen einleiten, Klagen vorbereiten und Strafen vorschlagen. Der Viererrat würde dann entscheiden.

Und "hier hat Ungarn seine Hauptzweifel", denn "es kann durch diese Konstellation nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Rat ohne ein ungarisches Mitglied, über Straftaten, die in Ungarn begangen wurden, bestimmt." Das würde gegen "nationales Prozessrecht" und womöglich auch gegen "materielles Recht" verstoßen, was man nicht erlauben könne. "Es könnten also Anklagen erhoben werden, die gegen nationales Recht verstoßen, obwohl die Verhandlungen vor einem Schlichtungsgericht des betroffenen Mitgliedslandes abgehalten würden."

Da "Steuerbetrug" in "98% der Fälle den nationalen Staatshaushalt schädigt, sollten diese Fälle nicht auf europäischer Ebene behandelt werden dürfen." Die Entscheidungen würden also nicht "auf eine rechtmäßige Art zu Stande kommen",  daher sei das "uneffektiv". Sprich, Ungarn würde die Rechtsprechung nicht anerkennen können, weil sie nationalen Verfahrenswegen widerspricht. Dass es Teil der Installation des EU-Staatsanwaltes wäre, dass die nationalen Gesetze angepasst werden, lässt der Staatssekretär nicht gelten. Wie Ungarn mit Steuerbetrug in systemischen Ausmaßen umgeht,
ist ein eigenes Kapitel.

 

Ungarn sei mit dem bisherigen System zufrieden. "Solche Tatbestände werden ja bereits von der EU-Antibetrugsbehörde OLAF ermittelt", man solle "diese Institution stärken". Natürlich. Denn OLAF übergibt seine Erkenntnisse an die nationale Generalstaatsanwaltschaft. Was die dann damit macht, ist gänzlich deren Sache. Der ungarische Generalstaatsanwalt heißt Péter Polt und war in der ersten Regierung Orbán dessen Kabinettschef, er ist bis heute einer seiner engsten Vertrauten. Besonders eindrücklich konnte man den Umgang mit OLAF-Akten gerade wieder beim Fall der Metro 4 bestaunen. Und OLAF deckte im Vorjahr auch "nur" 900 Mio. der vermuteten 50 Milliarden Betrug auf.

Kecsmár verlässt sich auf die Uneinigkeit in der EU und sagt, Großbritannien, Dänemark und Irland nähmen an dem Schaffungsprozess gar nicht teil, während die Nettozahler Niederlande und Schweden die EU-Staatsanwaltschaft "resolut ablehnen" würden. Großbritannien ist bekanntermaßen "out", in Dänemark, Irland und Niederlande bremsen die nationalen Regierungen, was sich nach Wahlen ändern kann. So resolut ist die Ablehnung in Schweden indes nicht, vielmehr geht der Entwurf ihnen gar nicht weit genug. Aber in Ungarn dreht man sich die Dinge ohnehin wie man will. Kurz gesagt: der Geldfluss aus Brüssel solle möglichst unkontrolliert bleiben. Für Ungarn jedenfalls habe sich "das bisherige System bewährt", er hätte auch sagen können: gelohnt.

red.


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