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(c) Pester Lloyd / 06 - 2017    POLITIK      10.02.2017

Plünderer gegen Räuber: Ungarns Regierung labt sich an OLAF

Dass die Fidesz-Regierung den gerade veröffentlichten Bericht der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF über die Betrügereien rund um den Bau der Metro 4 in Budapest dankbar zur weiteren Pulverisierung des bereits sich am Boden windenden politischen Gegeners annehmen würde, war zu erwarten. Erstaunlich indes, die kindlich-entsetzt vorgetragene Chuzpe, mit der Minister Lázár, Orbáns Kabinettschef, den Fall als "schlimmsten Korruptionsfall seit Jahrzehnten" auf der Regierungspressekonferenz am Donnerstag präsentierte - ohne rot zu werden.

metro4 (Andere)
Die Betrügereien der Vorgängerregierungen bei der M4 gewähren Fidesz praktisch freie Fahrt für ihre eigenen Machenschaften.

 

Lázár, der von Orbán - übrigens gegen EU-Recht - als oberster Verteiler von EU-Mitteln  in Ungarn eingesetzt wurde, um praktisch jeden Euro direkt aus Orbáns Vorzimmer heraus auf dem kurzen Dienstweg zu verteilen, müsste es besser wissen. Er weiß es auch besser, deshalb diese imperative Bissigkeit eines Emporkömmlings, der sich sehr sicher wähnt. Bei "272 Milliarden von 400 Milliarden Forint" sah OLAF "Probleme", das sind rund 880 Mio. EUR, von denen wohl ein Viertel als amtlich gestohlen gelten darf, der Rest zumindest gegen die EU-Vorschriften zu Ausschreibungen vergeben oder anderweitig fehlverwendet wurde.

880 Millionen Euro, fehlgeleitet, gestohlen oder verschwunden? Das nennt man heute in Fidesz-Ungarn ein lahmes Wochenende.
Tabaklizenzen, Mehrwertsteuerkarrusselle und Steuerblindheit für Günstlingsfirmen, die Gasgeschäfte mit der MET, Fußball- und Sportstadien, Off-Shore-Ausschreibungen, hunderte Immobilienverscherbelungen, Privatisierungen von staatlichem Agrarland, Nationalbankstiftungen, AKW Paks oder die Jagdhütte ums Eck, um nur einige Stichworte zu nennen, überspringen - das Letzte ausgenommen - jedes für sich die Milliardenmarke - in Euro! Und die Beispiele sind nur ein kleiner Auszug aus dem Register.

Wie häufiger bemerkt, macht OLAF die Verfolgung der Verbrechen unter sozial-liberaler Verantwortung immerhin möglich. Warum? Weil diese Räuber zwar schamlos stahlen, aber nicht den Rechtsstaat zerstörten. Das Volk ließ sie nicht. Das übernahmen die Nachfolger. Sie lernten aus den Unzulänglichkeiten der Vorgänger. Der institutionalisierte, durch die gleichgeschalteten Gewalten begleitete Beutezug in der Orbánschen Kleptokratie, die zudem noch pro populum angetreten war, wird dereinst wohl nur noch durch Volkes Zorn aufzuhalten und "aufzuarbeiten" sein. Die EU rührt sich ja nicht, egal
wie offensichtlich der Betrug auch sei. Keine schöne, aber wohl eine unvermeidliche Aussicht, bei der sich der Kreis irgendwie doch wieder schließen wird, wenn wohl auch zum Preis fließenden Blutes.

Wie zum Hohn traf sich Orbáns Generalstaatsanwalt, Péter Polt, der ihm in der ersten Regierungsperiode ab 1998 als Kabinettschef diente - also auf der Position, die heute Lázár ausfüllt, gestern mit dem OLAF-Direktor Giovanni Kessler. Wahrscheinlich um ihn auszulachen. Denn von den Dutzenden OLAF-Berichten, die man aus Brüssel seit 2010 erhielt, gingen bisher ganze fünf vor Gericht, in einem Fall kam es zu einer Verurteilung, in 23 weiteren Fällen wird angeblich ermittelt. OLAF
fand sogar einmal heraus, dass die Regierung Gelder, die von Brüssel gezielt zur Bekämpfung von Korruption auslobte, stehlen ließ. Das muss man erst einmal hinbekommen.

Es dürfte daher kein Zufall sein, dass uns MTI keinerlei O-Ton von OLAF-Chef Kessler übermittelt. Polt dürfte ihn nett bewirtet haben, um anschließend grinsend weitere Fälle einzustellen, Polizisten und Staatsanwälte einzuschüchtern und zu versetzen, um Orbán und seine
mehr als 40 Räuber unbelästigt zu lassen. Denn nur das ist sein Job. Orbán wird hingegen dafür sorgen, dass die für Fidesz-Ambitionen gefährliche, ja absurde Idee einer europäischen Staatsanwaltschaft mit nationalem Zugriff niemals Wirklichkeit wird.

 

Lázár labte sich vor der Presse regelrecht am M4-Skandal. Seine Partei, die Regierung werde Kommissionen einsetzen, alle gerichtlichen Register werden gezogen, den "Volkswillen" nicht vergessend. Der Budapester Stadtversammlung setzte er eine 60-Tage-Frist zur Rückzahlung der 59 der von OLAF für die EU zurückgeforderten 166 Mrd. Forint, 77 fallen direkt auf Staatskosten zurück, allerdings sieht Lázár auch hier eine "Interpretationsmöglichkeit", dieses Geld von der Stadt Budapest zurückzufordern, schließlich war sie der Projektmanager. Klar sei auch, dass die Prozesse nicht nur die Umsetzer des Metroprojektes betreffen sollen, sondern auch die "politischen Verwantwortungsträger" von vor 2010.

Wie praktisch, die potentiell "rote" Hauptstadt, die bei den nächsten Wahlen an die Linke fallen könnte, kann man so schon einmal finanziell handlungsunfähig und somit abhängig von der Gnade Orbáns machen. Und der Fidesz-Oberbürgermeister István Tárlos, den Lázár noch nie leiden konnte, muss nun, auch "wenn ihn absolut keine Schuld trifft", nehmen, was er von Lázár bekommt und wird so endgültig zur "lahmen Ente". Ein paar Schauprozesse, z.B. gegen Ex-OB Demszky kommen Fidesz zusätzlich zu Pass, zumal im bevorstehenden Wahljahr.

An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön von Seiten des ungarischen Volkes an die politische "Linke", die Fidesz sozusagen Spalier stand.

red.


46pllogo (Andere)
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