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(c) Pester Lloyd / 06 - 2017    POLITIK      07.02.2017

Zerrissene Opposition: Ex-Premier Gyurcsány will trotzdem den "kranken Kriminellen" ablösen

Mit Együtt und der Demokratischen Koalition hielten (nach MSZP, LMP und Jobbik) am Wochenende zwei weitere ungarische Oppositionsparteien Parteikongresse ab, um sich gut ein Jahr vor den nächsten anstehenden Parlamentswahlen zu positionieren. Együtt ("Gemeinsam") kocht dabei naturgemäß auf kleiner Flamme, Ex-Premier Gyurcsány mit seiner DK macht es nicht unter einer "Rede zur Lage der Nation", Selbstzerfleischung der Demokraten inklusive.

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Együtt (eine linksliberale Gründung von Ex-Premier Bajnai, der aber schon wieder abgesprungen ist) wäre schon glücklich, wenn man den Sprung über die 5%-Hürde bzw. ein Direktmandat schafft. Zu diesem Behufe hob man das Zugpferd der Partei, den bisherigen Ko-Vorsitzenden Péter Juhász in den alleinigen Parteivorsitz, der bisherige Co, András Szigetvári verzichtete. Der "Korruptionsjäger" Juhász scheut kein Risiko und legt sich öffentlich gerichtlich auch mit Ministern an, bevorzugt seinem Erzfeind, Antal Rogán.
Hier die ganze Geschichte.

Ihm wird durchaus ein Direktmandat, z.B. in einem Budapester Bezirk zugetraut, wenn die anderen linken Oppositionsparteien dort zurückziehen. Ansonsten hofft Együtt in allen 106 Wahlkreisen Kandidaten stellen zu können, da es ja so aussieht als ob es keine gemeinsame Wahlplattform mit anderen Parteien geben wird. Durch das auf Direktmandate gewichtete Wahlrecht in Ungarn, sind die Chancen, Orbán auf dem Wahlweg zu stürzen somit gleich Null. Mit NGO´s werde man kooperieren, so Együtt.

Wesentlich staatstragender trat
der politische Untote, Ex-Premier Ferenc Gyurcsány, mit seiner "Demokratischen Koalition" (DK) auf. Unter einer "Rede zur Lage der Nation" macht es der frühere MSZP-Chef - und später ihr Spalter, nicht. Gyurcsány ist zwar der größte Gegner Orbáns, sein unausgesprochener, aber latenter  Alleinherrschaftsanspruch im Oppositionslager macht ihn aber - gepaart mit seiner Unwählbarkeit für die große Mehrheit der Ungarn - auch zu einem der effektivsten Wahlhelfer Orbáns.

Ungeachtet der mehr als
bescheidenen demoskopischen Ausgangslage der Opposition sieht Gyurcsány "DK bereit, das Land zu regieren", Orbán zu stürzen und "Ungarn den Ungarn zurückzugeben". Das werde er "mit Aufrichtigkeit und Integrität" machen, sobald "ihn das Volk mit seiner Mehrheit dazu beauftragt" habe. Also voraussichtlich niemals. "Wir werden das Böse besiegen und Ungarn von Fidesz zurückfordern und es der ungarischen Nation zurück geben."

Gyurcsány fühlt sich von der MSZP überfahren, die kürzlich mit Laszlo Botka bereits einen Spitzenkandidaten kürte, ohne zuvor über Wahlallianzen zu verhandeln. "Die demokratischen Parteien sollten kooperieren", um "den kriminellen, kranken Mann, der Ungarn krank gemacht hat", von der Macht abzulösen. In diesem Zusammenhang kritisierte der Ex-Premier die Alleingänge anderer Oppositionsparteien, vor allem auch der LMP, die jegliche Kooperation mit ihm weiterhin ausschließt. Gyurcsány lanciert das Gerücht, dass "Együtt", Dialog für Ungarn und MSZP einen Pakt geschmiedet hätten, um ihn als gemeinsamen Herausforderer Orbáns zu verhindern. Kurz gesagt: die Selbstzerfleischung innerhalb der Opposition geht munter weiter, spielt Orbán in die Hände.

Gyurcsány versucht zu moralisieren, ein Terrain, bei dem er sich aufgrund seiner Vorgeschichte auf sehr dünnes Eis begibt: Kein Politiker habe "ein Mandat, zu stehlen" und es gäbe keinen "rechten oder Linken Diebstahl". Wer immer "betrogen, entewendet, gestohlen habe" soll "dafür ins Gefängnis gehen und zurückgeben, was er gestohlen hat." sagte Gyurcsány sowohl mit Bezug auf die
strukturelle Kleptokratie des Orbán-Staates wie auch in Anspielung auf die gerade durch einen OLAF-Bericht dokumentierten Verfehlungen auch unter seiner Verantwortungszeit. Am heutigen Dienstag erklärte er, nicht vor einem von Fidesz iniitierten Ausschuss zum Thema der M4 aussagen zu wollen.

 

Gyurcsány zerlegte die gesamte Regierungspolitik in allen Einzelpunkten, vor allem mit dem Hinweis auf den Kontrast zwischen selbstlobenden Plakatkampagnen und der steigenden Verarmung rund der Hälfte der Bevölkerung. Orbán zerstöre nicht nur das Land, sondern auch dessen Zukunft, in dem er ganze Generationen entweder ins Ausland treibe oder ihnen eine zukunftsfähige Ausbildung verweigere.

Wieso gerade er, Gyurcsány, der Ausweg aus dem Orbán-Dilemma, die Hoffnung für einen demokratischen, ehrlichen Neuanfang sein soll, das konnte der Ex-Premier nicht glaubhaft vermitteln. Die Frage nach relevanten Gegenrezepten stellt sich aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft ohnehin nihct. Seiner Partei werden 7-15% der Wählerstimmen zugetraut, ein Ergebnis um die 8%-10% halten wir indes für am wahrscheinlichsten.

red.


46pllogo (Andere)
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