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(c) Pester Lloyd / 07 - 2017    POLITIK      16.02.2017

Die Millonen-Deutschmark-Frage: Ist Orbán durch Russland erpressbar?

Seit Jahren kochen hartnäckige Gerüchte, Russlands Präsident Putin habe Ungarns Premier Orbán sozusagen "an den Eiern". Konkret geht es um ein Video, das belegen könnte, dass Orbán sowie sein heutiger Innenminister Pintér Bestechungsgelder aus Geheimdienst- und / oder Mafiaquellen angenommen und zum Kauf ungarischer Beamter und Politiker sowie als Wahlkampffinanzierung verwendet haben könnten. Ein deutscher Schwerstverbrecher will es genauer wissen. Die Beschuldigten schweigen.

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Sollte sich irgendetwas an den gemachten Vorwürfen bestätigen, sind Orbán und Pintér in sehr, sehr großen Schwierigkeiten... Stimmen die Vorwürfe, lassen sich aber nicht beweisen, dann hat Putin die beiden ein Leben lang in der Hand...

Die Führung der nationalliberalen Oppositionspartei LMP hat einen offenen Brief an Innenminister Sándor Pintér publiziert, in dem man um Aufklärung über mutmaßliche Kontakte zu Diemtar Clodo, einem sowohl in Ungarn wie Deutschland mehrfach wegen Waffen- und Drogenhandels, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Bombenbaus etc. verurteilten Straftäters, ansucht.

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Clodo (auf dem Foto Ende der 90er bei seinem Prozess in Ungarn), der sich 1991 in Budapest niederließ war u.a. bekannt geworden, weil er den Reemtsma-Entführer Drach versteckte, er war in internationale Waffen- und Drogendeals verstrickt und hatte dabei auch Kontakte zu Geheimdiensten und galt als schillernde Figur der Unterwelt "zwischen Topspion und Hochstapler". 1998 (Orbán war zum ersten Mal Premier) wurde er in Budapest erst zu drei,
später zu weiteren Jahren Haft im Zusammenhang mit Bombenanschlägen im Mafia-Milieu verurteilt, 2005 nach Deutschland ausgeliefert.

Der Brief der LMP spürt Gerüchten nach, wonach Fidesz-Politiker und persönlich der heutige Innenminister Sándor Pintér, der zuvor als "Papa Sándor" ein Big Player in der Security-Branche war (seine ehemaligen Firmen profitieren heute noch davon), in den Neunziger Jahre als Oppositionelle Kontakte in die Unterwelt unterhielten, um ihre Geschäfte in Gang zu bringen und Einfluss auf die Politik zu nehmen. Man ließ sich von Unterweltgestalten finanzieren und sorgte im Gegenzug dafür, dass diese ihre Geschäfte ungefährdet machen konnten - so zumindest der Vorwurf.

Befeuert wurde das durch eine schriftliche Aussage Clodos gegenüber den deutschen Behörden in 2016, in der er aussagt, er habe "bei mehreren Gelegenheiten Sándor Pintér persönlich Geld übergeben" und behauptet weiter, dass er mit einer Kamera aufgenommen habe, wie er Viktor Orbán persönlich in seinem häuslichem Büro eine Tasche mit einer Millionen Mark übergeben habe. Die LMP mutmaßt nun, aufgrund weiterer Entwicklungen, dass Russland über das Video verfügen könnten, um damit Orbán und dessen Regierung zu erpressen und die Pro-Putin-Politik des einstigen Verfechter des Sowjetabzugs kein Zufall sei.

Clodo sagte bereits im ORF im Vorjahr, aber auch im Magazin HVG 2013, dass "Onkel Szeva", der Szenename des Top-Waffenhändlers mit besten Geheimdienstkontakten, Szemjon Judkovics Magiljevics, dass er ihn um "einen Gefallen" gebeten hätte: "Ich sollte eine Nummer anrufen und die Person in meine Wohnung bitten, um ihm eine Tüte zu übergeben. Ich sollte darauf bestehen, dass der betreffende Politiker die Tüte vor mir öffnet. Das war kein Zufall, denn ich sollte den Vorgang mit einer Kamera, versteckt hinter einem Buch in meiner Bibliothek, aufnehmen. Es waren eine Million Deutsche Mark in der Tasche."

Nun ist die Glaubwürdigkeit eines solchen Zeugen, der sein ganzes Leben lang kriminell war, alles andere als hoch und die Möglichkeit eines persönlichen Rachefeldzuges gegen seine Verurteilung stellt sich natürlich als Motiv. Dennoch koinzidieren so viele Personen und Vorgänge in dieser Zeit miteinander, sind die Aussagen so konkret, dass vor Pintér, der damals seinen enormen Reichtum begründete und Orbán in Erklärungsnot geraten. Die Antwort auf nachfolgende Parlamentarieranfrage ist daher von einiger Brisanz. Denn entweder wird sie eine weitere Lüge oder zu einer veritablen Staatsaffäre.

 

Ebenfalls den Vorwurf des "Kontaktes zu Kriminellen" muss sich ein weiterer Orbán-Minister gefallen lassen, Antál Rogán. Dieser hat als Bezirksbürgermeister des V. Bezirks von Budapest u.a. Immobiliengeschäfte mit dem damals meistgesuchten Mörder und Gangsterboss des Landes, Tamás Portik, gemacht. Diese Kontakte sind mittlerweile sogar gerichtlich bestätigt, - allerdings bis dato ohne strafrechtliche oder politisch Konsequenzen.

Erst kürzlich musste sich Minister Lázár dafür verteidigen, warum man einem gesuchten Geldwäscher und Terrorfinanzierer aus dem Libanon (dem zwischenzeitlich verstorbenen Pharaon) ein EU-Visa ausstellte und was es mit dem Verkauf von Immobilien seitens Orbáns Schwiegersohn an die Firmengruppe des Herrn Pharaon auf sich hatte.
Hier mehr dazu.

Innenminister Pintér geriet - indirekt - auch in die Schlagzeilung bei der
"Liquidation" der in die Pleite gefahrenen Investment-Firmen BudaCash und Quaestor.

So ganz unwwahrscheinlich sind also Unterwelt-Kontakte der Fidesz-Nomenklatura bis hinauf in höchste Stellen nicht.

Die LMP-Anfrage an Pintér im Wortlaut (unsere Übersetzung aus dem Ungarischen):

Werter Minister,

In einer schriftlichen Aussage vom 15. Juni 2016 in Regensburg hat der als "Bombenbauer" für die ungarische Unterwelt bekannte Dietmar Clodo, der in den 90er Jahren eine Gefängnisstrafe erhielt, dass Sie zwischen 1993 und 1996 eine von mehreren Personen gewesen seien, die in seiner Wohnung in der Meggy utca 19, im III. Bezirk von Budapest auftauchten und die Lieferung von Geldern (Deutsche Mark) entgegennahmen. Clodo behauptet weiter, dass Sie selbst zwischen 1993 und 1996 als Vermittler zwischen Szemjon Judkovics Magiljevics und einer Reihe von leitenden Angestellten ungarischer Regierungsstellen fungierten, hauptsächlich in Exekutiv- und Politorganen und, dass Sie zu denen gehörten, die Einfluss auf solche Personen von Staatsorganen ausübten.

In einem Interview mit Österreichs ORF vom Oktober 2016, bestätigte Clodo, dass er monatlich 10.000 Deutsche Mark in bar, die von Magiljevics stammten, an Pintér ausgehändigt habe. Als Gegenzug soll der Empfänger dafür gesorgt haben, dass die Behörden dessen Geschäfte in Ungarn unbehelligt ließen. Clodo behauptet in dem Interview weiterhin, dass Magiljevics’ Dolmetscher kurz vor den Wahlen 1994 eine Tasche mit einer Millionen Mark persönlich an Viktor Orbán übergeben wurden. Nach einigem Zögern, sei der spätere Fidesz-Vorsitzende persönlich in Clods Wohnung aufgetaucht, in Begleitung eines älteren Herrn und habe die Tasche mitgenommen.

Laut russischen Quellen (u.a. der Zeitung The Insider) wurden von dem Vorgäng Videoaufnahmen gemacht, duch eine in einem Buchcover versteckte Kamera. Der russische Geheimdienst soll 2008 in Besitz dieser Aufnahmen gekommen sein als sie Magiljevics im gleichen Jahr in Moskau verhafteten.

Aufgrund dieser Indizien, stellen wir folgende Fragen:

- Bleiben Sie bei Ihrer Aussage von 1999, dass Sie Dietmar Clodo niemals persönlich getroffen haben?
- Haben Sie jemals Szemjon Judkovics Magiljevics getroffen?
- Haben Sie jemals Geld von Vorgenanntem oder einem Mittelsmann, Dietmar Clodo eingeschlossen, entgegengenommen?
- Haben Sie Kenntnis davon, ob russische Stellen im Besitz von Bildaufnahmen von Geldübergaben an Sie oder Viktor Orbán sind?
- Haben Sie Kenntnis über Geldübergaben, einmalige oder regelmäßige durch Szemjon Judkovics Magiljevics oder Mittelsmänner an Personen, mit dem Ziel die Entscheidungen ungarischer Staatsorgane zu beeinflussen?

Ich erwarte Ihre Antwort, Budapest, 13. Februar 2017, gez. Bernadette Szél, Ákos Hadházy (Abgeordnete des ungarischen Parlamentes)

red.


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