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(c) Pester Lloyd / 09 - 2017    POLITIK      28.02.2017

Doppelt hält besser: Ungarn baut zweiten Zaun, EU schaut zu

Das Helsinki Komitee beim Europarat sowie die NGO Human Rights Watch üben nicht nur Kritik an der Verschärfung von Grenzregime und dem Umgang mit Flüchtlingen in Ungarn, sondern auch an der Untätigkeit der EU, gegen die Quasi-Aufhebung des Asylrechtes vorzugehen. Die Regierung in Budapest beeindruckt nichts, sie baut nun den zweiten Zaun zu Serbien, der so "intelligent" sein soll, dass keiner ihn mehr überwinden kann.

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Die vorgelegten Gesetze würden die "automatische Internierung in Transitzonen" und die "massenhafte Abschiebung von Asylsuchenden nach Serbien von überall in Ungarn" zulassen - beides ginge gegen internationales Recht.

 

"Die Europäische Kommission darf nicht tatenlos zusehen, wie Ungarn das Recht auf Asyl zu einer Farce macht", heißt es in einem Schreiben. Das Gesetz würde auch die automatische, bedingungslose Inhaftierung - oder verfahrensfreie Abschiebung - von Familien mit Kindern sowie unbegleiteten Minderjährigen zwischen 14 und 18 Jahren beinhalten. Es sei außerdem nachgewiesen, so beide Organisationen, dass die ungarischen Exekutivkräfte "systematisch Gewalt" gegen Asylsuchende anwenden.

Der einzige, in Ungarn legal gebliebene Weg bestehe nun darin, sich an einer der Transitzonen um Asyl zu bewerben, wozu täglich jedoch nur 25 Personen zugelassen werden, was zur Zeit 7.000 Flüchtlinge in Serbien in inhumanen Bedingungen zurücklasse. Die meisten der Anträge werden außerdem umgehend in Schnellverfahren als ungültig abgewiesen, weil Serbien als "sicheres Drittland" qualifiziert wurde, was es nach menschenrechtlichen Standards im Umgang mit Flüchtlingen nicht sei, selbst Ungarn erfülle für viele westliche Gerichte diesen Status nicht. In den dreitägigen Verfahren werde den Antragstellern regelmäßig ihr Recht auf Einspruch verwehrt, außerdem würden unqualifizierte Hilfsrichter in den Revisionen tätig. Den Wenigen, denen Asylstatus gewährt wird (in diesem Jahr bis dato weniger als 100) müssten außerdem die Kosten der Verfahren tragen.

Zwar habe die EU-Kommission im Dezember ein Prüfverfahren mit Ziel der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet, über den Fortgang dieser Verfahren lägen aber bis heute keine öffentlich zugänglichen Informationen vor. Neben einigen Gerichten in Deutschland und Österreich, haben Finnland, Italien und Tschechien wegen "fehlender EU-Standards" sämtliche Dublin-Rückschiebungen nach Ungarn gänzlich ausgesetzt und damit den Mangel an europäischer Solidarität der ungarischen Regierung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise belegt. Die EU müsse nun handeln, bevor Ungarn EU- und weiteres internationales Recht noch weiter verletze.

Ungeachtet dieser Vorwürfe und nicht einmal den Parlamentsbeschluss abwartend, hat Orbáns Kabinettschef in der Vorwoche bereits die
Umsetzung der Maßnahmen angekündigt. Orbáns nationaler Sicherheitsberater Bakondi teilte am Montag mit, dass der "10 Kilometer lange, experimentelle, intelligente Zaun so erfolgreich" sei, dass man ihn nun auf der gesamten Länge der serbisch-ungarischen Grenze (171 km) aufrichten werde.

 

Das Bauwerk soll bis Mai fertig sein und zusätzlich 40 Milliarden Forint, ca. 130 Mio. EUR kosten. Herkömmliche Kamerasysteme werden um Wärme- und Nachtsichtkameras ergänzt, außerdem gibt es alle 10-15 Zentimeter Berührungs- und Bewegungsmelder, bis zu 6.000 "Grenzjäger" kümmern sich um den "Schutz des Schutzwalles", um "bis zu 80.000 Illegale auf dem Balkan", die in diesem Jahr versuchen werden, nach Ungarn zu kommen, abzuhalten.

"Wir erleben eine ständige, illegale, organisierte - und oft gewalttätige - Masseneinwanderungsbewegung, mit einem riesigen Potential von weiteren Einwanderern aus Asien und Afrika, von denen die Mehrheit keine Opfer sind." so Bakondi, der daher den seit 2015 permanenten "Einwanderungsnotstand", unter dessen Überschrift obige Maßnahmen umgesetzt werden, gerechtfertigt sieht.

Der Grenzschutz (Zäune und Personal) hat nach offiziellen Regierungsangaben 2016 650 Mio. EUR gekostet, die Aufträge gingen samt und sonders an Fidesz-nahe Unternehmen. Die Betreuung der Flüchtlinge schlug mit 30 Mio. EUR zu Buche, der Eintwicklungshilfe-Etat des Landes beläuft sich auf rund 190 Mio. EUR, wovon ca. 80% an politisch ausgerichtete Projekte für “Ungarn im Ausland” fließen.

red.


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