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(c) Pester Lloyd / 10 - 2017    POLITIK      08.03.2017

Flüchtlinge als Geiseln der Politik: Wo Ungarn recht hat und wo nicht

Es ist seit 2010 typisch, dass internationale Presse und Politik erst auf Entwicklungen in Ungarn reagieren, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist. Die EU reagiert gar nicht. So geschehen wieder bei der jetzt beschlossenen Verschärfung der Asylgesetze. Wir stellen dar, worum es beim neuen Grenz- und Asylregime konkret geht und welche Agenda Orbán wirklich verfolgt. Fazit: Will Europa irgendwann eine gemeinsame, wirksame Flüchtlingspolitik erreichen, ohne seine Existenzgrundlage aufzugeben, geht das nur ohne Orbáns Ungarn - und sei es zum Preis des Ausschlusses.

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(Fotos: Amnesty International, EU-Parlament, MTI; Montage: PESTER LLOYD)

Die Verschärfung des Grenzregimes und der Behandlung von "illegalen Einwanderern und Asylsuchenden" im Rahmen des "durch Masseneinwanderung hervorgerufenen Notstandes" wurde am Dienstag mit 138 Ja-Stimmen der Regierungsparteien FIDESZ-KDNP sowie der neonazistischen Jobbik beschlossen, es gab 6 Nein-Stimmen (LMP und Unabhängige) sowie 22 Enthaltungen (überwiegend MSZP), weitere ca. 30 Parlamentarier boykottierten die Abstimmung durch Abwesenheit.

Die Hauptpunkte, die ab 15. März 2017 in Kraft treten:


    1. Während des deklarierten "Einwanderungsnotstandes" (Anm.: seit August 2015, vorerst
    bis September 2017 verlängert) können Asylanträge ausschließlich an den als "Transitzonen" gekennzeichneten Stellen direkt an der serbisch-ungarischen Grenze gestellt werden.

    ANMERKUNG: Verstoß gegen internationales Asylrecht, dem sich Ungarn durch den deklarierten "Notstand" zu entziehen sucht, obwohl es völker- und EU-rechtlich zur Einhaltung verpflichtet ist. Asylanträge können und müssen überall entgegen genommen werden. Durch die Regelung wird z.B. auch verhindert, dass ein politisch Verfolgter, z.B. aus einer afrikanischen Dikatur kommend, am Flughafen Budapest (weil er vielleicht nur so entkommen konnte) einen Asylantrag stellen kann. Er müsste erst nach Serbien, um von dort in eine der ungarischen Transitzonen einzureisen, wenn man ihn denn vorlässt.

    2. Die Anzahl und Auswahl der Personen, die einen Asylantrag stellen können, obliegt ausschließlich der an der Transitzone angesiedelten Ausländerbehörde (Anm.: derzeit werden täglich 10-30 Personen "vorgelassen").

    ANMERKUNG: Die zahlenmäßige Beschränkung von Asylanträgen - außerhalb offensichtlicher Überforderung - ist ein offener Verstoß gegen alle asylrechtlichen Grundlagen, denen sich Ungarn verpflichtet hat (UNO, EU).

    3. Antragsteller müssen den kompletten Verfahrensverlauf (Anm.: geplant sind derzeit zwischen drei und sieben Tage, in der Realität dauert es meist drei bis acht Wochen) in der Transitzone verbleiben bis ihr "Antrag endgültig und unwiderrufbar entschieden" wurde. Widersprüche / Berufungen müssen binnen drei Tagen eingereicht werden und werden dem (Sonder)-Gericht ohne Vorladung des Betroffenen zur Entscheidung vorgelegt. Das Gericht kann den Antragsteller per Telefon oder persönlich in der Transitzone befragen.

    ANMERKUNG: Das ist de facto Internierung, die - zumal pauschal - rechtswidrig ist. Warum sogar der Begriff Konzenztrationslager für diese Praxis zulässig ist,
    lesen Sie hier.

    4. Wer die Transitzone (derzeit handelt es sich um zwei Containerdörfer für maximal 400 Personen) gen Ungarn verlässt, macht sich strafbar, wird verhaftet, per Schnellprozess verurteilt und verwirkt seinen Asylanspruch, unabhängig von den Asylgründen.

    5. Ein Verlassen der Transitzone in Richtung Serbien ist jederzeit möglich, das Asylrecht wird damit dauerhaft verwirkt.

    ANMERKUNG: Zur Aufhebung rechtstaatlicher Grundprinzipien - die übrigens bereits seit September 2015 (werte EU!) in Kraft sind - in den Verfahren von Asylsuchenden, ihre Deklassierung, finden Sie
    genauere Informationen in diesem Beitrag sowie im Protestbrief hunderter Anwälte. Dem Antragsteller wird also ein Leben unter unmenschlichen Bedingungen aufgezwungen, wenn er sein ihm zustehendes Recht einfordert. Das ist rechtswidrig.

    6. Bei einem negativen Asylbescheid oder der Einstellung des Verfahrens aus anderem Grund, muss der Antragsteller die Transitzone unverzüglich verlassen (Anm: Abschiebung). Stellt der "Fremde" einen weiteren Antrag, wird dieser entgegen genommen, dem Antragsteller steht aber kein Versorgungsrecht zu (er erhält also weder Wasser, noch Brot, noch einen Strohsack zum Schlafen).

    ANMERKUNG: Die Verweigerung lebensnotwendiger Versorgung ist ein Vergehen gegen Menschen- und Völkerrecht. Die Abschiebungspraxis in Dritt- oder Herkunftsländer ohne Abstimmung mit den betroffenen Staaten stellt einen Rechtsbruch dar.

    7. Die neuen Regelungen gelten auch für anhängige Verfahren, d.h. all jene Verfahren, die noch laufen, deren Antragsteller aber nicht in den jetzt als exklusiv definierten Transitzonen anzutreffen sind oder sie bereits einmal nachweislich verlassen haben, sei es auch für die Wahrnehmung eines Amts- oder Arzttermins, werden zwingend negativ beschieden.

    ANMERKUNG: Die rückwirkende, also retroaktive Gesetzgebung verstößt gegen grundlegende rechtsstaatliche Normen, das Verbot der Rückwirkung ist ein anerkannter Rechtsgrundsatz aller EU-Mitgliedsstaaten.

    8. Die Szenarios, unter denen der "Einwanderungsnotstand" ausgerufen bzw. aufrecht erhalten werden kann, werden ausgeweitet. Es muss nun nicht mehr eine "Masseneinwanderung" festgestellt werden (mehr als je 100 Personen übertreten illegal binnen 7 Tagen die Grenze) sondern es genügt, dass der Diensthabende eine "Bedrohung der Schengen-Grenze im Zusammenhang mit illegaler Einwanderung" deklariert.

    ANMERKUNG: Die Ausrufung eines "Notstandes", auch wenn augenscheinlich keine Notsituation für die Bevölkerung vorliegt, folgt keiner rechtlichen oder gesellschaftlichen Notwendigkeit, sondern ist ein politisch-ideologisch-propagandistisches Instrument. Bürger sollen an einen "Ausnahmeszustand" gewöhnt werden, die Aussetzung von anerkannten Rechtsnormen wird so "gerechtfertigt". Im Grunde handelt es sich also um ein Ermächtigugsgesetz. Hierbei wird auch auf mögliche "innere" Notstände hingearbeitet, die z.B. konstruiert werden können, wenn die Befürchtung eines Machtverlustes vorliegt.

    9. Die Polizei (dazu zählen auch die ca. 6.000
    "Grenzjäger" sowie das Antiterrorzentrum TÉK) verhaftet "auf dem gesamten ungarischen Territorium" jeden Ausländer, der "sich illegal hier aufhält, nicht mehr nur in der 8-Kilometer-Zone" und "begleitet oder transportiert ihn zur Grenze zurück". Die aufgegriffenen Personen werden per se - ohne richterliche oder sonstige Anhörung - als "Straftäter" eingestuft.

    ANMERUNG: UNHCR, Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, Humans Rights Watch sowie ungarische NGOs belegen anhand von Zeugenaussagen die systematische, amtliche Anwendung von Gewalt gegen Flüchtlinge bei der Sofortabschiebung oder dem Aufgriff. Stockschläge, Tritte, Hundeeinsätze sind an der Tagesordnung, jüngst aufgetauchte Selfies von Grenzern mit geschlagenen Flüchtlingen widerlegen die Behauptung von "Fake News" wie sie die ungarische Regierung nennt. Hier ein
    Bericht der ÖVP-nahen "Presse" aus Wien dazu. Hier eine Zusammenfassung der aktuellen Dokumentation von Ärzte ohne Grenzen (engl.)

    10. Kinder mit Eltern oder erwachsenen Aufsichtspersonen sowie unbegleitete Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren werden gleich wie Erwachsene behandelt und in den Transitzonen untergebracht. Unbegleitete Kinder unter 14 Jahre werden in "Kinderschutzeinrichtungen" untergebracht. (Anm: Hier handelt es sich um staatliche und konfessionell betriebene Kinderheime, die Kinder werden hier separiert, kaum beschäftigt und weder pädagogisch, noch psychologisch adäquat betreut, weil es dafür angeblich nicht ausreichend Kapazitäten gebe).

    ANMERKUNG: Es liegen mehrere Berichte vor, wonach Kinder von ihren Eltern und Begleitern getrennt wurden. Internationale Beobachter sehen in der mangelhaften Betreuung von Minderjährigen einen weiteren Verstoß gegen Rechtsnormen


In der Begründung des Innenministers zum Gesetzestext heißt es: "Illegale Einwanderer missbrauchen in sehr großer Zahl die EU-Regeln, die derzeit in Kraft sind: sie beantragen Asyl, aber können sich frei innerhalb der EU bewegen, bevor eine Entscheidung getroffen wurde, was ein signifikantes Sicherheitsrisiko darstellt." Ziel der Gesetzgebung sei es, sicher zu stellen, "dass niemand in der Lage ist, das Territorium Ungarns und der EU illegal zu betreten." - Dabei "werden alle EU-Gesetze eingehalten", wird behauptet.

Ungarn beruft sich auf Notwehr und Selbstbestimmung

 

Ungarns Regierung beruft sich bei seiner Gesetzgebung also in der Hauptsache auf das Recht der Selbstbestimmung (wer, wie viele und unter welchen Umständen unser Land betreten dürfen und welche Rechte sie haben) sowie auf Selbstverteidigung (alle "Einwanderer" stellen ein Sicherheitsrisiko dar und brächten Kriminalität und Terrorismus nach Ungarn und Europa).

Dabei wird argumentiert, dass man lediglich "Europäisches Recht" durchsetze, in dem man die Schengengrenzen schützt. Dass man überhaupt Asylanträge bearbeitet, obwohl die Menschen aus "sicheren Drittstaaten" (Ungarn hat alle Balkan-Länder als solche definiert) kommen und in der Mehrheit über ein anderes EU-Land (Griechenland) zuerst das Gemeinschaftsterritorium betreten haben, sei ein Entgegenkommen im Rahmen "europäischer Solidarität", die, so die Auffassung in Budapest, vom Rest der Gemeinschaft gegenüber Ungarn verweigert würde. Sowohl von Brüssel (Ungarn muss seine Zäune und anderen Maßnahmen selbst finanzieren) als vor allem durch Länder wie Griechenland und Italien, die "unfähig und unwillig seien" ihre Grenzen zu schützen. Hinzu käme, dass die "Eindringlinge" in diesen Ländern oft die erkennungsdienstliche Behandlung verweigerten, um zu verschleiern, dass sie dort eingereist sind.

EU liefert dem Falschspieler Orbán durch Untätigkeit Handlungsspielraum

Die EU hat zwar erkannt, dass unter der Masse der Ankommenden weder Dublin III funktioniert, noch Schengen eingehalten wird bzw. ein Grenzsschutz von Schengen- und EU-Außengrenzen funktioniert, weil die betroffenen Länder dazu nicht fähig sind. Etwas Wirksames dagegen unternommen hat die Gemeinschaft bisher nicht. Dieses verheerende Manko macht sich Orbán zu Nutze, der allerdings seine eigene Agenda verfolgt.

Die von Orbán so heftig bekämpfte Quotenregelung zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU, die ein Anfang hätte sein können, gemeinsam einen Ausweg aus dem exekutiven Dilemma angesichts der schieren Masse der Ankömmlinge zu finden, hätte Ungarn zunächst die Aufnahme von rund 1.200 Asylsuchenden aufgebürdet, in der Folge aber, wenn Ungarn nämlich Asylsuchende nicht einfach abweist oder nach Westen durchwinkt, sogar dazu geführt, dass die EU-Mitglieder Ungarn Flüchtlinge abgenommen hätte. Ein solidarischer Mechanismus, der noch dazu humanistische Lösungen für die Betroffenen beinhaltete, - das musste in jedem Falle verhindert werden.

Orbán stimmte in den EU-Gremien
stets für diese Maßnahmen, bis ihm klar wurde, dass er dagegen sein musste, um eine "friedliche", konsensuale und humanistische Flüchtlingspolitik der EU seinen Plänen zuwider läuft.

Geschürte Angst vor "Überfremdung": Flüchtlinge und Einwanderung in einen Topf

Denn hinzu kommt, aus Sicht der ungarische Regierung, dass sich das ungarische Volk "gegen Einwanderung" ausgesprochen habe, belegt werde das durch das (
formal, lt. Verfassung ungültige) Referendum. Weder "brauchen", noch "wollen" die Ungarn "Einwanderung", eine "ethnische Homogenität" sei "Voraussetzung für das Überleben der Nation" und außerdem ein "Wettbewerbsvorteil" gegenüber jenen Gesellschaften des "liberalen, undemokratischen Westens", die einer (von höheren Mächten gesteuerten) Agenda der "ethnischen Vermischung" und "Überfremdung" folgten und sich bis zur Selbstuafgabe schwächten, die "die historischen, christlich-jüdischen Fundamente der europäischen Nationen", die Sicherheit seiner Bürger und deren Zukunft gefährdeten, so Orbán und seine Gefolgsleute in etlichen Reden, zuletzt erst wieder bei der Vereidigung von neuen "Grenzjägern". Man wolle "Null Einwanderung".

Erschwerend kommt hinzu, so die ungarische Regierung, dass "sogenannte Nichtregierungsorgansationen", "von
Soros finanzierte Gruppen Schlepper unterstützen" und "durch Rechtsbrüche, kriminelle Einwanderer ermuntern, in Massen nach Ungarn zu kommen." Diesen Gruppen wolle man sich in einer gesonderten Gesetzgebung widmen, um Sie, so wiederum wörtlich, “auszuradieren”.

Kurz: Ungarn ist von Kriminellen und Verrätern umgeben und durchsetzt und kämpft - wieder allein auf weiter Front und aufopferungsvoll gegen die islamische Invasion Europas, wie schon seit hunderten von Jahren. Das ist keine Zuspitzung von uns, sondern O-Ton der Regierung Orbán.

Orbán hat Recht: EU in der Flüchtlingskrise gescheitert - auch an Orbán

Ungarn handele dabei im Sinne Europas, denn das Grenzregime und die Asylpolitik schütze nicht nur Ungarn, sondern die ganze EU, die der Lage nicht gewachsen und unfähig zu einer gemeinsamen Grenzschutz-, Asyl- und Einwanderungspolitik sei bzw. gezielt "eine einladende Politik" betreibt. Dabei - und hier erkennen wir den Hauptwiderspruch in der Argumentation - war und ist es Orbán, der von Beginn an diese gemeinsame Flüchtlingspolitik torpedierte und ablehnte und handelte es sich dabei um noch so kleine Schritte.

Die Eskalationen der Lage in Budapest im Sommer 2015, die Ausschreitungen an der serbisch-ungarischen Grenze waren Teil der Regierungstaktik,
ein Bild von Chaos und Gewalt zu zeichnen, um die Bevölkerung gegen die "Fremden" zu hetzen und "Notstand" zu proklamieren. Das war 2015, wir haben seitdem hunderte Artikel dazu veröffentlicht, die EU überlegte sogar kurz, Ungarn das Grenzregime zu entziehen, seitdem geschah: Nichts.

Wenn man in all dem etwas Positives sehen will, so sei es, dass diese Taktik bis dato nur zum Teil aufging, mehr Ungarn als gedacht ihre "christlichen Wurzeln" als Aufruf zur Mitmenschlichkeit verstanden, als sie z.B. die gen Westen aufbrechenden Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln unterstützten oder sich in NGO´s organisieren, um die Hilfe zu leisten, die den Menschen von offizieller Seite verweigert wurde. Dieser Solidarisierung, freilich nur ein kleines Licht im dunklen Meer, hat die ungarische Regierung mit den "Notstandsgesetzen" auch einen Riegel vorgeschoben, "die Beherbergung und Versorgung illegaler Einwanderer", also Hilfe, ist eine Straftat in Ungarn. Die Hatz auf "Fremde" durch selbsternannte Bürgerwehren mit rechtsextremen Hintergrund wird indes geduldet, zum Teil kooperieren "Grenzjäger" mit diesen Menschenjägern.

Ungarn hat - wenn auch aus unlauteren Motiven - völlig recht mit der Deklaration der Unzulänglichkeit europäischen Handelns in der Flüchtlingskrise. Ungarn hat auch Recht damit, dass die unkontrollierte Einreise von Asylsuchenden rechtlich auf Dauer nicht hinzunehmen ist und den gesellschaftlichen Frieden in der EU gefährdet. Doch die Folgerungen daraus könnten unterschiedlicher kaum sein.

Bekämpfung der Fluchtursachen fundamental für Fortbestand der EU

Die EU hat seit 2015 immerhin erkannt, dass man offenbar nicht die Macht hat, kurz- oder mittelfristig die wirklichen Ursachen der Fluchtbewegung zu beseitigen oder wirkungsvoll einzudämmen. Die geführten Kriege regionaler und globaler Mächte, fatale ökonomische und politische Lage in Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten, die komplexe Situation rund um ISIS, die Armut in Asien und Afrika, sind Themen, die weder von Heute auf Morgen, noch durch die EU allein gelöst werden können und so lange nicht gelöst werden, bis profitierenden Interessensgruppen auch innerhalb der EU und dem "Westen" allgemein, der Zugang zur politischen Entscheidung entzogen wird und fragwürdige Bündnisse aufgegeben werden.

Gelingt dieser Paradigmenwechsel, der letztlich nur über ein EU-weites Einwanderungsgesetz (Beispiel Kanada), das neben einem gangbaren Asylrecht etabliert werden muss, damit Beides funktioniert, nicht den etablierten demokratischen, europäischen und nationalen Strukturen, also den sogenannten "Altparteien" und den humanistisch veranlagten Bürgern, werden Populisten und Fremdenhasser die Gelegenheit nutzen, Menschen, vor allem jene, die sich - ob nun berechtigt oder nicht - als soziale Verlierer erkennen, gegen Schwächere als “Fremde” und “Bedrohung” aufzuhetzen und auf dieser Basis die Macht in Europa zu übernehmen, um es zu zerstören.

Flüchtlinge als Instrument zum Aufbau einer völkisch konnotierten Kleptokratie

Orbán, als bis dato einziger offener Rechtspopulist auf dem Sessel eines Regierungschefs in der EU, sieht in diesen Bewegungen eine Bestätigung seiner Politik, in den Hetzern und Antieuropäern von AfD, Front National, FPÖ etc. Alliierte und wird daher alles tun, was eine Schwächung der EU befördert. Innerhalb der EU, durch Unterstützung dieser rechtsextremer Parteien, nach außen durch Schulterschluss mit antieuropäischen Diktatoren wie Erdogan, Putin, Trump und Co.

Sein deklariertes Ziel des "Europa der Nationen" gegen eine "supranationale EU" (
Orbán: Es gibt keine Europäer, nur europäische Völker) ist indes nichts weiter, hier braucht man sich nichts vormachen lassen, als der Vorwand für den ungestörten Aufbau und Betrieb einer von Brüssel unkontrollierten Kleptokratie für ihn und seine Günstlinge, unter dem Dach eines völkisch definierten Ständestaates. Orbáns Gratwanderung besteht dabei nur darin, es nicht so weit zu treiben, dass ihm die EU-Milliarden, die für das Überleben seines Systems unabdingbar sind, abhanden kommen. Daher versucht er die Akzeptanz für sein Modell in ganz Europa zu erhöhen. Die Flüchtlinge dienen ihm hierbei als "illegale Eindringlinge" als Waffe nach innen und als Geisel gegenüber der EU.

Wie geht man mit Geiselnehmern um? Sicher muss man verhandeln, aber finanzieren und in den Reihen (s)einer Gemeinschaft dulden muss man sie nicht.

Um die Flüchtlingsproblematik für die EU zukunftsfähig zu lösen, bedarf es also nicht nur endlich eines gezielten, gemeinsamen Programms mit entsprechend verbindlicher Umsetzung in den Mitgliedsstaaten, sondern auch die Abwehr von Mitgliedern, die diese Lösungen verhindern und den humanistischen, auf Grund- und Menschenrechten basierenden Präambeln der Gemeinschaft entgegen handeln, weil sie einen Mangel an rechtlichem und praktikablem Rahmen für einen Freibrief für menschenunwürdige Politik und Handlungen halten.

Artikel 7 oder Selbstaufgabe der EU

 

Und sei dies durch Ausschluss. Ungarn hat - nicht nur in der Flüchtlingsfrage - längst alle Bedingungen für ein Ausschlussverfahren nach Artikel 7 übererfüllt. Darüber wird auch in Brüssel immer öfter debattiert, aber eben nur debattiert, aus nachvollziehbaren Motiven der Fraktion der "Volksparteien" folgt dem nichts Zählbares. Ungarn, unter Orbán, gehört, wenn nicht aus generalpräventiven Aspekten (permanente Verstöße gegen Artikel 1 uns 2 Lissabon) gänzlich aus der EU geworfen, so zumindest suspendiert, - die Einstellung der Zahlungen inklusive, bis die Behandlung aller Menschen, Flüchtlinge und eigener Bürger wieder im Einklang mit dem Recht steht. Setzt man dieses nicht durch, hat Europa seine Existenzgrundlage aufgegeben.

red. / Marco Schicker, Chefredakteur


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