Hauptmenü

 

Unabhängiger Journalismus braucht die Hilfe seiner Leserinnen und Leser! - Was wir beim PESTER LLOYD vorhaben und wie Sie uns helfen können...

 

PESTERLLOYD BANNER590X60PX-AUB8

 

(c) Pester Lloyd / 12 - 2017    POLITIK      23.03.2017

Staatsfeind Menschenrecht: Ungarn will Europäische Menschenrechtskonvention verlassen

Ungarn wird gegen das jüngste Flüchtlings-Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Berufung einlegen. Sollte diese Scheitern, solle man die Konvention verlassen und sich der Straßburger Rechtsprechung entziehen, denn die Richter dort seien ohnehin nur Erfüllungsgehilfen von Soros-Organisationen, fordern Regierungskreise. Diese Gruppen würden Ungarn "permanent angreifen".

1713ungarnfleuchtklinge (Andere)


In der Vorwoche hatte der EGMR der Klage von zwei Asylbewerbern aus Bangladesch stattgegeben und deren grundlose Inhaftierung sowie verfahrenslose Abschiebung nach Serbien als einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sowie Ungarn zur Zahlung von insgesamt 37.410 EUR verurteilt.
Hier mehr dazu.

Auf einer Pressekonferenz beharrte Orbáns Nationaler Sicherheitsberater, György Bakondi, dem aufgrund der
geltenden Notstandsgesetze das Grenz- und Asylsystem unterstellt ist, dass die Asylanträge der beiden Kläger "nach geltendem Recht korrekt bearbeitet" worden seien. Ihre Rückschiebung nach Serbien erfolgte, weil das Land als "sicherer Drittstaat zu deklarieren" sei. Die beiden Kläger seien vom Ungarischen Helsinki Komitee "vertreten worden, das ständig als Unterstützer von Einwanderern auftritt und permanent Angriffe gegen Ungarns Einwanderungspolitik" vornehme. Ungarn werde seine Politik aber nicht ändern und "ist überzeugt, im Einklang mit den Gesetzen zu handeln." Deshalb werde man in Berufung gehen.

Sekundiert wurde Bakondi von einer "Menschenrechtsorganisation", die von der Regierungspartei Fidesz als Vorfeldorganisation geführt und finanziert wird. Das "Zentrum für Grundrechte" empfiehlt der Regierung, sollte sie mit ihrer Berufung scheitern, die Europäische Menschenrechtscharta aufzukündigen und sich somit der Rechtsprechung des EGMR zu entziehen. Denn die dortigen Rechtsstandards würden "Ungarns Grundrechte verletzten", die u.a. "den Schutz der Bürger und Grenzen" bedeuten.

Im Übrigen habe das Gericht "wiederholt seine Kompetenzen überschritten" und sei ein "politisches Werkzeug der europäischen Linken". "Das Straßburger Gericht interpretiert die Rechte von Einwanderern fundamentalistisch auf Kosten der nationalen Sicherheitsinteressen." Ungarn habe "Gesetze gegen die Verletzung der verfassungsmäßigen Identität" geschaffen, gegen die "Brüsseler Eliten" über dieses Gericht vorgingen.

Das EGMR hatte nicht darüber befunden, ob den Klägern ein Aufenthaltsrecht zusteht oder nicht. Es stellte jedenfalls klar, dass Ungarn dazu verpflichtet ist, rechtsstaatliche Normen und universale Menschenrechte beim Umgang mit den Menschen - egal wie sie ins Land und woher sie kommen - einzuhalten. Verpflichtungen, denen sich das Land völkerrechtlich unterworfen hatte.
Mehr zur Quasi-Abschaffung des Asylrechts und sonstigen Streitpunkten in der Flüchtlingsgesetzgebung und im Grenzregime.

Seit seiner Gründung 1953 haben acht Länder zumindest Teile der Menschenrechtskonvention für ihre Länder als unwirksam deklariert. Dazu gehörten auch Frankreich und Großbritannien, die einige Aspekte außer Kraft setzten, um ihre Antiterrorgesetze zu verschärfen. Die Anerkennung der Konvention ist für EU-Kandidaten eine Grundvoraussetzung für die EU-Mitgliedschaft.

Noch eine Schippe Polemik drauf legte der Kommunikationschef der Regierungspartei Fidesz, Balázs Hidvéghi, in einer aktuellen Aussendung. Er sprach von "extremistischem Menschenrechtsfundamentalismus", dem Ungarn "aus verschiedenen Richtungen in jüngsten Attacken" ausgesetzt sei. Premier Orbán bestätigte diese "Angriffe", deren "Abwehr mich viel Arbeitszeit kosten". Die "Soros-Organisationen" würden nichts unversucht lassen, die ungarische Asyl- und Grenzgesetzgebung zu diskreditieren udn zu Fall zu bringen, man müsse davon ausgehen, dass sie Brüssel dazu bringen wollen, "Ungarn zu bestrafen".

 

In der Fidesz-Aussendung heißt es weiter, dass das Urteil des EGMR "surreal" sei und ein "typisches Beispiel für die völlig verfehlte Richtung, die von menschenrechtlichen Verurteilern" eingeschlagen wurde. Die Partei fordert die Regierung auf "allen Versuchen ausländischer Einflussnahme auf Ungarn zu widerstehen". Konsequenterweise ginge das natürlich nur, wenn man nicht nur aus der Menschenrechtskonvention, sondern auch aus UNO, NATO und EU austräte, sind diese Mitgliedschaften doch an Verhaltens-, Gemeinschafts- und Grundrechtsnormen gekoppelt.

In Ungarn werden gerade
weitere Gesetze gegen den "Einfluss" von durch Soros-Stiftungen finanzierte NGO´s - die offiziell beschuldigt werden, mit Terroristen und Kriminelln zu kooperieren - vorbereitet, mit dem Ziel, deren Tätigkeit in Ungarn so weit wie möglich einzuschränken. Ein Fidesz-Offizieller wünschte sich bereits öffentlich, diese "auszuradieren". Laut Außenminister Szijjártó wollten diese NGO´s sogar die Regierung stürzen.

red.


46pllogo (Andere)
Der PESTER LLOYD hat sich für 2017 viel vorgenommen.
Was genau, das lesen Sie hier.

Unser Hauptziel bleibt, denen eine Stimme zu geben, die für ein demokratisches und europäisches Ungarn einstehen und auch jenen, die im Kampf der Mächtigen übergangen werden. Denn was in Ungarn geschieht, geht uns alle an, werden hier doch Präzedenzen geschaffen, die ganz Europa in Frage stellen könnten.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns auf unserem Weg unterstützen, durch eine Spende oder ein virtuelles Abo. Weitere Infos. Direktkontakt: online@pesterlloyd.net




 




 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

 

 

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854