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(c) Pester Lloyd / 12 - 2017    WIRTSCHAFT      24.03.2017

Hundewelpen statt Sowjetstern: "Lex Heineken" in Ungarn

Der Brauereiriese Anheuser-Busch InBev (Heineken), der auch in Ungarn produziert und von der Orbán-Regierung sogar mit dem Titel "strategischer Partner" geehrt wurde, hatte einen Rechtsstreit mit einer kleinen rumänischen, aber eben einer "ethnisch ungarischen" Brauerei. Da schäumte der nationale Kampfgeist der Budapester Regierung über und man machte ein Fass schaler Rachsucht auf.

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Lösungsvorschlag (Arbeitsentwurf)

Beide Brauereien produzieren und vertreiben im südlichen Nachbarland ein Bier mit ähnlichem Namen, der holländische Goliath Heineken das "Ciuc" und der David das Igazi Csíki Sör, also das "Wahrhafte Csíkaer Bier". Csíki ist die ungarische Entsprechung von Ciuc und bezieht sich auf einen Ort im von ethnischen Ungarn bewohnten Siebenbürgen, das nun einmal in Rumänien liegt und dort auch zu verbleiben hat.

 

Ob es für Heineken nun von existentiell-strategischer Wichtigkeit gewesen ist, die Marke Igazi Csíki Sör gerichtlich vom Markt nehmen zu lassen, sei einmal dahingestellt, - es gab schon absurdere Markenstreitigkeiten. Die Welt ist nun einmal wie sie ist. Heineken gewann schließlich eine Markenklage vor einem ordentlichen Gericht, verzichtete bis dato aber auf seine Exekution. Soweit zum "Csikenkrieg".

Die ungarische Politik - stets auf der Suche nach Feindbildern und Ablenkungskriegen - fackelte nicht lange und sprang auf den Zug namens "Wir verteidigen die Ungarn überall auf der Welt" auf. Es gehe nicht an, dass ein Konzern die "kulturelle Identität und die wirtschaftliche Basis der Ungarn im Ausland attackiere", so Vizepremier Semjén und Orbáns Kabinettschef Lázár bezeichnete das Vorgehen des Brauriesen als "unzivilisiert". Ob es eine Rolle spielte, dass der Geschäftsführer des Inhabers der Marke "Igazi Csíki Sör", die in Ungarn registrierte Lixid Project Kft., ein Fidesz-Kumpel ist? Kaum anzunehmen. Es geht nur ums Recht. Wie immer in Ungarn.

In anderen Staaten gilt der von Lázár als unzivlisiert abgewatschte Rechtsweg als Königsweg für die Lösung von Konflikten, als Krönung europäischer Zivilisation, ein Richterspruch als Ergebnis unabhängiger, rechtstreuer Expertise, aber in Ungarn ticken Uhren und Definitionen anders. Orbán hatte mehrfach Gerichtsentscheidungen, die ihm nicht passten als "inakzeptabel" bezeichnet, zuletzt erst wieder ein Urteil Menschenrechte betreffend. Bei "seinen Gerichten" hat ohnehin eine flexible, alternative Rechtsprechung Raum gegriffen, für die das Gesetz nur noch ein Vorschlag ist, Orbáns Wille hingegen Gesetz. Man ist in Ungarn über das "dieser sogenannte Richter" von Trump schon weit, sehr weit hinaus.

Da die Regierung Orbán zu ihrem eigenen Bedauern wenig bis gar nichts gegen Gerichtsbeschlüsse in Rumänien unternehmen kann (noch!), sann man anderweitig auf Rache. Man brachte ein Gesetz auf den Weg, das Heineken die Benutzung des roten, fünfzackigen Sterns in seinem Logo verbietet. Nehmt das!

Offiziell lautet der Passus: "Verbot der Nutzung zu kommerziellen Zwecken von totalitären Symbolen". Diese "Lex Heineken" schließt neben dem "Sowjetstern" auch das Hakenkreuz, das Pfeilkreuz (die Swastika der ungarischen Nazis), Hammer und Sichel ein, tritt 30 Tage nach Verkündigung in Kraft, eine Zuwiderhandlung wird dann zunächst als Verwaltungsübertretung geahndet und somit bußgeldfähig bis zu einer Grenze von umgerechnet 6,5 Millionen Euro. Bei Wiederholung droht Haft bis zu zwei Jahren (also den Verwantwortlichen, nicht den Bierflaschen).

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Heineken ist nicht die einzige Marke mit einem fünfzackigen, roten Stern auf der Verpackung...

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In ihren Rechtfertigungen halten sich die ungarischen Regierungsoffiziellen nicht lange mit "Respekt vor den Opfern totalitärer Regime" auf, Regime, denen man durch Nutzung der Symbole "nicht den nachträglichen Anschein von Legitimität verleihen lassen wolle". Das Gesetz "greife Heineken auch nicht als Steuerzahler und Arbeitgeber an", sondern "fordert von multinationalen Unternehmen nur ein bestimmtes Niveau von Respekt für die ungarischen Nationalinteressen ein", so Lázár. "Die Würde der Opfer von Kommunismus und Holocaust muss gewahrt bleiben."

Zumindest ein Fall fürs Jugendamt...

Nun wissen wir nicht wie viele Holocaust-Überlebende oder Gulag-Opfer sich von Heineken entwürdigt sahen oder von dem Mineralwasser San Pellegrino, das auch den Stern auf dem Etikett prangen lässt oder vom Schokoriegel Milky Way. Es wird aber interessant sein zu sehen, ob die Behörden dann in Zukunft auch gegen die Ramschhändler auf den Flohmärkten vorgehen, wo offen Nazisymbole ausgestellt und gehandelt werden oder gegen die Uniformen der "Garden", in denen die Pfeilkreuze stets präsent sind, wenn auch in Varianten.

Ungarn hatte schonmal ein Rot-Stern-Verbot (kein Hakenkreuzverbot), das man aufgeben musste, nachdem ein europäisches Gericht (schon wieder!) Diskriminierung der freien Meinungsäußerung sah. Ein ungarischer Fechtolympiasieger fragte schon an, ob er nun seine Medaille zurückgeben müsse, auf der ein solcher Stern sei oder er sonst Gefängnis riskiere....

 

Vizepremier Semjén sieht die "Lex Heineken" "politisch und rechtlich gerechtfertigt und moralisch richtig", sagte er jetzt dem Sender ATV. Man schütze damit eine kleine Brauerei vor den Angriffen eines Multis. Das sei "mehr eine nationale als eine ökonomische Angelegenheit". Also was nun. Würde der Opfer der Weltkriege und Diktaturen oder Schutz von Kleinbrauern in Rumänien?

Heineken nutzt den in den Dreißigerjahren als "Eye Catcher" eingeführten Stern in der ganzen Welt problemlos. Als die Assoziation im Kalten Krieg mit der Sowjetunion zu groß wurde, färbte man den Stern auf weiß um, kehrte aber 1991, nach dem Zusammenbruch des Imperiums wieder auf rot zurück, - in Ungarn könnte er bald ganz verschwinden oder -. zum Beispiel - durch die Schwingen des Turuls, die Stefanskrone, die Umrisse Großungarns oder die Silhouette des Felcsúter Fußballstadions ersetzt werden. Aber Halt: "Symbole des Totalitarismus" sollen ja verboten sein. Dann also vielleicht doch lieber Hundewelpen...

red.


46pllogo (Andere)
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