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(c) Pester Lloyd / 14 - 2017    POLITIK      03.04.2017

Gewohnheitsrecht des Stärkeren: Ungarn leugnet Gewalt gegen Flüchtlinge

Während die EVP-Parteifreunde Orbáns dessen "wegweisende Rede" auf ihrem Kongress in Malta Hoch leben ließen, seine Politik der Eisernen Hand und Vorhänge mal offen, mal klammheimlich dulden und feiern, schweigen sie zu den systematischen Menschenrechtsverletzungen, die auf ungarischem, also EU-Territorium gegen Flüchtende begangen werden.

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Mehr zum Thema in: Wo Ungarn Recht hat und wo nicht - Flüchtlinge als Geiseln der Politik

 

Die systematische Misshandlung von Flüchtlingen im ungarisch-serbischen Grenzgebiet, sowohl durch amtliche "Grenzjäger" und Polizei- sowie Militäreinheiten, aber auch durch "Freiwillige", also rechtsextreme Schlägertrupps im Kleide von "Bürgerwehren", ist mittlerweile nicht nur durch diverse NGO´s (AI, HRW, Ärzte ohne Grenzen) belegt, sondern auch durch eine ganze Reihe verifizierter Interviews mit Opfern durch unabhängige Journalisten, Experten des UNHCR und sogar durch ungarische Gerichtsakten. (Siehe u.a. hier in dem aktuellen Beitrag von "Profil" aus Österreich).

Daraus geht hervor, dass Flüchtlinge geschlagen und getreten sowie durch Polizeihunde verletzt wurden, Kinder von Eltern getrennt wurden sowie praktisch alle rechtsstaatlichen Grundnormen beim Umgang mit "illegalen Eindringlingen" ignoriert werden. Einige Berichte lassen sich dabei nicht mehr beiläufig als Körperverletzung im Amt bezeichnen, sondern müssen bereits als systematische Folter im Auftrag des Staates qualifiziert werden. Die Verweigerung ärztlicher, anwaltlicher und humanitärer Hilfe ist seit der letzten
Anpassung der "Notstandsgesetze" schon gesetzlich untermauerter Standard, - die Angriffe auf Leib und Leben beim "Zurückprügeln nach Serbien" scheinen sich zeitgleich als Gewohnheitsrecht des Stärkeren zu etablieren.

Nicht nur die unmittelbaren Vorgesetzten der Exekutivkräfte sowie Orbáns Sicherheitsberater Bakondi leugnen die Vorfälle beharrlich und bedrohen jeden, der das Gegenteil behauptet mit Klagen, jetzt hat auch Orbán selbst in zynischen Bemerkungen, die Vorwürfe vom Tisch gewischt. Im staatlichen Rundfunk sagte er am Freitag auf die Frage, was er zu den NGO-Vorwürfen sage: "Zunächst habe ich zu sagen, dass die Situation moralisch unerträglich geworden ist. Dies sind keine zivilgesellschaftlichen Organisationen, auch wenn sie sich NGOs, also nichtregierungsnah nennen. Sie haben nichts mit den tausenden wirklichen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu tun, die in unserem Land arbeiten. Die Tätgikeit dieser internationalen Netzwerke, das muss ich wirklich sagen, besorgt mich wirklich tief." (...) "Junge ungarische Polizisten und Soldaten leisten da unten an der Grenze eine harte Arbeit, aber diese Organisationen beschuldigen unsere Grenzschützer, ihre Arbeit nicht richtig zu machen, dass sie Wölfe in menschlicher Haut seien, ... die Freude daran hätten Menschen zu misshandeln."

Das Gegenteil sei der Fall. "Sie sorgen permanent für die Sicherheit der ungarischen Menschen, in einer sehr komplexen Situation. Diese Leute verdienen Anerkennung... Und dann kommen da irgendwelche Organisationen daher, die die Situation in einer Art behandeln, die völlig entfernt von ungarischen Interessen ist und greifen diese Menschen an." Die NGOs nutzten "jede Art von rechtlichen Schlupflöchern", um Ungarn "vor internationalen Gerichten anzuschwärzen", dabei würden sie "erfolgreich Asylsuchende vorführen", um "gegen Ungarn vorzugehen". Warum sollten "unsere jungen Menschen das Risiko auf sich nehmen, unsere Gernzen zu schützen, ihr eigenes Leben für die Sicherheit des Landes auf sich nehmen, wenn ihnen hier in Budapest und in Brüssel in den Rückgen gefallen wird?"

 

Laut Orbán haben sich ungarische Sicherheitskräfte nichts zu Schulden kommen lassen. Gegenteilige Aussagen seien Lügen, für die NGOs "Illegale" missbrauchen, um ihrem "Einwanderungsbuisness" nachgehen zu können. Im gleichen Atemzug verurteilte Orbán Urteile des EGMR, sowohl jenes, das zwei Bangladeshi Entschädigung wegen ungerechtfertigter Inhaftierung zusprach als auch jenes, das in letzter Minute, die jetzt als Norm praktizierte Internierung von Flüchtlingen in grenznahen Containerlagern verhindern wollte.

Orbán erwägt, daher aus der Europäischen Menschrechtskonvention auszutreten, um sich der EGMR-Rechtsprechung zu entziehen. Allerdings sind die dort aufgezeigten Vergehen (es geht nicht um die Bewertung des Aufenthaltsrechts, lediglich um die Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards), auch Teil der EU-Grundartikel 1 und 2, was entsprechende Handlungen der EU nach sich ziehen müsste, die - eben wegen der Kameraderie der EVP-Parteienfamilie - jedoch ausbleiben.

red.

46pllogo (Andere)
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