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(c) Pester Lloyd / 14 - 2017    POLITIK      03.04.2017

Machtwechsel verboten: Regierungspartei in Ungarn "verfeinert" Wahlgesetz

Die ungarische Regierungspartei Fidesz wird - mit Blick auf die 2018 anstehenden Wahlen - weitere Änderungen am Wahlgesetz vornehmen und verzichtet dabei auch auf Konsultationen mit den anderen im Parlament vertretenen Parteien, da diese "keine Bereitschaft zu einer Einigung" zeigen würden. Regierungsvertreter finden die Bevorteilung der Regierungspartei nicht nur legitim, sondern sogar notwendig.

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Verteilung der Direktmandate 2014

 

Die Änderungen sollten u.a. die umstrittene Briefwahl vereinfachen, damit vor allem noch mehr Auslandsungarn in den Nachbarländern umstandsloser an den Wahlen teilnehmen. Außerdem sollten Kleinparteien, die eine bestimmte Stimmenanzahl verfehlen, die staatliche Wahlkampfbeihilfe zurückzahlen, um "Business-Parteien" zu verhindern, die nur gegründet würden, damit Einzelpersonen ein Geschäft machen, so Fidesz. Diese Phänomene gibt es zwar, bestätigen Experten, weisen aber darauf hin, dass auch später relvante gesellschaftliche Bewegungen durch ein solches Gesetz an der Artikulation gehindert werden könnten. Somit ist eine Ristriktion hier undemokratisch. Für die Beschränkung von geschäftsmäßigem Missbrauch gebe es andere Handhaben.

Weitere "prozeduale Veränderungen" hätten einige weitere Begradigungen bei der Ziehung der Wahlbezirksgrenzen zur Folge (Gerrymandering).

Das Vorhaben würde Fidesz im Äquivavlent von weiteren 20.000 bis 30.000 Stimmen bevorzugen, rechnete die linke Opposition vor und begründete ihre Ablehnung der Vorschläge auch damit, dass es sinnlos sei, ein im Ganzen undemokratisches Wahlgesetz einer Schönheitsoperation zu unterziehen. Fidesz solle selbst zu sehen, wo es für ein solches Vorhaben seine verloren gegangene 2/3-Mehrheit herbekomme.

Die
Änderungen im ungarischen Wahlgesetz seit 2011/12 waren massiv und bevorzugten die regierende Partei enorm. Zum Einen wurden Wahlkreise so neu definiert, dass "linke" Hochburgen geschwächt wurden. Direktmandate gewannen stark an Gewicht, die nun schon in einem Wahlgang, also mit relativer Mehrheit zu erringen waren. Regierungskandidaten waren im Vorteil, weil sie die lokalen Verwaltungen für ihren Parteiwahlkampf einspannen.

Die Zweitstimmen wurden einer Mehrheitsgewichtung unterworfen, die der stimmenstärksten Partei zusätzlich überproportional Mandate verschaffte. Beweis: Brauchte man in Ungarn 2010 noch etwa 52% der Wählerstimmen, um 2/3 der Mandate im Parlament zu erhalten, genügten 2014 bereits 44,5%. Fidesz erreicht derzeit in Umfragen Werte von bis zu 54%, was ungefähr 4/5 der Mandate ausmachen würde.

Regierungsvertreter machen aus dieser Selbstbevorteilung auch gar keinen Hehl mehr. Parlamentspräsident Kövér nannte die Sicherung der Fidesz-Macht in völliger Ignoranz gegenüber demokratischen Willensäußerungen eine "nationale Notwendigkeit", denn die heutige Opposition hätte bei Machübernahme nichts anderes im Sinn als "unsere Errungenschaften zu zerstören, was Ungarn keinsfalls hinnehmen" könne.

Vizepremier Semjén vom Fidesz-Koaltionspartner KDNP geht davon aus, dass die Verzweiflung der Linken so groß ist, dass es bei den Wahlen 2018 nur noch um deren "nacktes Überleben" geht. Dazu würden sie sich selbstverständlich auch aus dem Ausland unterstützen lassen. Um diesen "betrügerischen Vorteil" etwas auszugleichen, sei es völlig legitim, dass sich die "nationalen Parteien gesetzlich schützen", um die Interessen der Ungarn weiter vertreten zu können.

 

Als Schlüssel für den Fidesz-Erfolg sieht Semjén - auch das wieder ganz offen - die Abschaffung des zweiten Wahlganges: "Natürlich, hätten wir noch das Zwei-Runden-Wahlsystem, könnten sich die oppositionellen Wähler, ob sie für die Sozialisten oder für Jobbik seien, im zweiten Wahlgang hinter einem einzigen Protestkandidaten versammeln", was die Chancen für den Fidesz-Kandidaten verringern würde. Doch "Zum Glück haben wir nur ein Wahlgang", wo die meisten erst einmal die ihnen am nächsten stehende Partei wählen und nicht taktisch vorgehen.

Für Semjén ist es auch wichtig, dass die Stimmabgabe der rund 1,5 Millionen Auslandsungarn (vor allem in den Ex-Trianon-Gebieten) "weitgehend anonym" ablaufen könne, denn sie würden sich sonst der Gefahr der Diskriminierung in ihren Ländern aussetzen, müssten sie sich als ethnische Ungarn zu erkennen geben. Anonyme Stimmabgabe öffnete natürlich Manipulationen Tür und Tor und machte Nachprüfungen praktisch unmöglich.

red.

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