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(c) Pester Lloyd / 15 - 2017    POLITIK      10.04.2017

Schrei nach Freiheit: Zigtausende demonstrieren in Ungarn gegen Orbáns Politik

Es war der Tag der Studenten, der Jugend. Rund 60.000, vielleicht sogar 80.000 Menschen zogen am Sonntagnachmittag durch die Budapester Innenstadt bis vor das Parlament, um sich an die Seite der in ihrer Existenz bedrohten CEU zu stellen. Mit dem Eilgesetz gegen die Uni hat Orbán einen Sturm des Protestes losgetreten, der dem Diktator schwer auf die Füße fallen könnte. Denn es geht längst nicht mehr "nur" um eine Uni.

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Von: "We stand with CEU" bis "1956 - 2017" reichte das Spektrum der Losungen und Hoffnungen. Ein leiser Hinweis darauf, dass es 1956 auch zuerst die Studierenden waren, die dem damaligen Diktator die rote Karte zeigten, noch bevor sich auch die Straßen rot färbten. Die Hauptforderung der Protestierer: Präsident János Áder solle die "Lex CEU" nicht unterschreiben, das Gesetz gehört kassiert, die Freiheit der Lehre, die Freiheit überhaupt ist nicht verhandelbar. "Freie Organisationen - freie Gesellschaft" stand auf einem Transparent. Die CEU machte klar, dass sie sich weder anpassen, noch aus Ungarn verjagen lassen wird und selbst die Geduld der EVP-Kameraden Orbáns scheint enden wollend.

Zigtausende Menschen gegen Orbáns Versuch, der Zivilgesellschaft den Hals umzudrehen. So viele sah man zuletzt 2011 als Fidesz das Internet zur nationalen Angelegenheit machen, besteuern und kontrollieren wollte. Orbán zog in Panik zurück. Diktatoren haben Angst vor dem Volk - und sie wissen auch warum.

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Vor dem Parlament kam es, nach dem offiziellen Teil, zu stundenlangen Sprechchören, am Eingang des "Hohen Hauses" heizte sich die Lage im Angesicht von Polizeiketten und einigen ungebetenen Gästen von der rechtsextremen Seite und den Parteimedien spürbar auf. Dennoch: phantasievoller Protest und die vielfache Präsenz europäischer Symbole dominierten. Die EU-Fahne als Hoffnungsträger. Solidarische Grüße kamen aus aller Welt, von vielen anderen Unis von Bologna bis Cambridge, aber auch von der "Pulse for Europe"-Bewegung vom Gendarmenmarkt in Berlin. Und auch die Demo selbst war international und multikulturell, so wie es Europa ist und Ungarn wieder sein wird.

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Die Demo wurde nach Reden, Liedern und Kampfansagen für beendet erklärt, doch tausende zogen weiter, über die Ringstraßen, zunächst zum Bildungsministerium, dann zur Fidesz-Parteizentrale. Auch dort, massive Polizeieinheiten, erste Rangeleien. Doch die Demonstranten waren intelligent genug, friedlich zu bleiben. Ein Sit in Hunderter am Oktogon bis in die Morgenstunden war der angemessene Ausklang eines Tages, an dem sich die Demokraten die Stadt zurück holten - für ein paar Stunden.

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"So viele hat man lange nicht mehr gesehen" konstatierte das sonst eher auf satirischen Dissidenten-Zynismus gebürstete Online-Magazin 444.hu überrascht wie ein kleines Kind. Und das Staatsfernsehen, das von den Demonstranten vorher unter dem Absingen schmutziger Lieder vom Kossuth Platz komplimentiert wurde, griff besonders tief in die Märchenkiste, um dem gemeinen Patrioten zu Hause, mit einem Bild von drei Studenten auf einem Rasen und der Headline: "Es kamen nicht so viele wie erwartet" einen gesunden Schlaf unter dessen Großungarnkarte, dem magyarischen Äquivavlent des röhrenden Hirsches, zu ermöglichen.

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Während 80.000 Gesicht zeigten, gegen eine weitere Machtanmaßung des Potentaten Orbán, gegen die Beschneidung der Freiheit der Bildung, die man Orbán als Angriff auf die Zukunft, auf die ganz individuelle Freiheit übel nimmt und nicht durchgehen lassen will, zeigten die Träger des Systems ihre Fratzen, deutlicher als sonst. Das Staatsfernsehen beklagte "Eingriffe in den Straßenverkehr". Ein Fidesz-Polterer, derselbe Szilárd Németh, der vorschlug,
NGOs "auszuradieren", hechelte in ein Staatsmikrophon, dass doch alle von "Soros`Agenturen angeheuert, bezahlt und nach Budapest" gekarrt wurden. Das Portal Origo.hu, einst orbánkritisch, dann - auf Anweisung eines Ministers - von der (Deutschen) Telekom an Fidesz-Propagandisten verkauft, publizierte eine Schnellstudie des (Geld- und Gehirnwäsche)-Institutes Nézöpont, wonach es "erwiesen" sei, dass "internationale Kräfte eine gefährliche Allianz gegen die Regierung" schmiedeten.

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Das mag sein, eine Allianz des Geistes gegen die institutionalisierte Barbarei. Das war es zumindest, was man auf der Demo zu sehen bekam. Und gefährlich könnte es für Orbán auch werden, der immer den Geist unterschätzte, den man eben nicht so leicht manipulieren oder kaufen kann wie den Un- oder den Kleingeist. Mit der Lex CEU brachte er vielleicht nicht nur die jungen Menschen gegen sich auf, sondern vielleicht ein längst zum Bersten gefülltes Fass zum Überlaufen...

Weitere Eindrücke und Berichte von der Demo auf der Facebook-Seite der Bewegung "I stand with CEU"
https://www.facebook.com/istandwithceu/

red.


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