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(c) Pester Lloyd / 15 - 2017    POLITIK      10.04.2017

Big Brother liest mit: Ungarn integriert russische Spionage-Software in "Nationale Konsultation"

Seit einigen Tagen werden die ungarischen Bürger wieder mit Fragebögen im Rahmen der "Nationalen Konsultation" beschickt. Mit suggestiven Fragestellungen zu längst von der Regierung beschlossenen Maßnahmen will sich Orbán Rückendeckung in Form des "Volkswillens" sichern, um - vor allem auch auf internationaler Bühne - den Anschein von Legitimität zu erwecken.

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Stoppt man Brüssel tatsächlich, stoppen nicht nur Rolltreppen und U-Bahn, sondern wohl das ganze wirtschaftliche Leben in Ungarn, das praktisch völlig von den EU-Milliarden abhängt...

Einen Tiefpunkt erreichte dieses Instrument zuletzt bei der offen verhetztenden Befragung zum Thema Flüchtlinge.

Konkret geht es dieses Mal um die Meinung der Bürger zur Internierung und Entrechtung von Flüchtlingen im Rahmen der
verschärften "Notstandsgesetze" sowie die Einschränkung des Mitspracherechts der EU bzw. dessen Recht auf Intervention beim Bruch von EU-Recht, u.a. bei Fragen zur staatlichen Preisintervention im Energiesektor, der überproportionalen und wettbewerbsverzerrenden staatlichen Subventionierung von Arbeitsplätzen oder der Gestaltung von Steuersätzen (Steuerdumping).

 

Die Aktion steht unter dem Motto "Stoppen wir Brüssel!" und wird durch eine gigantische Werbekampagne der Regierung begleitet, in dem absurderweise ausgerechnet auf jenen U-Bahnlinien gleichlautende Plakate geklebt werden, die durch EU-Gelder gebaut wurde bzw. durch EU-Gelder renoviert werden. Orbán hatte bereits im Februar in seiner "Rede zur Lage der Nation" von überlebenswichtigen Fragen für die Nation gesprochen und die nun abgefragten Punkte als die "fünf großen Angriffe" identifiziert, denen Ungarn in diesem Jahr widerstehen müsse.

Schon bei vorhergehenden Konsultationen gab es erhebliche Bedenken bezüglich der wahrheitgetreuen Auswertung der (immer weniger werdenden) Rückantworten, mehr noch aber bei Fragen des Datenschutzes. So monierte selbst ein unter Fidesz eingesetzter Ombudsmann, dass der auf den Antwortcouverts aufgebrachte Bar-Code eine Möglichkeit darstellt, die eigentlich anonymisierten Schreiben ihren Absendern zuzuordnen. Fidesz leugnete zwar solche Absichten, jedoch wurden Funktionäre der Partei in den Vorjahren regelmäßig dabei überführt, in Ungarn illegale Listen und Datenbanken potentieller Wahlsympathisanten bzw. -oppenenten angefertigt zu haben.

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Die aktuelle "Konsultation" kann auch online ausgefüllt und abgesendet werden, wobei die entsprechende Webseite eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verspricht. Die Webseite wurde im Hause von Orbáns "Propagandaminister" Antal Rogán erstellt und verlangt - entgegen den Vorgaben - auch Name, Adresse und Email des Wahlberechtigten, bevor dieser das Formular ausfüllen kann. Experten des News-Portals 444.hu fanden im HTML-Code der Formularübermittlungsseite nun einige Zeilen, die den Verdacht nahe legen, russische Strukturen könnten an der Datenerfassung und -verarbeitung beteiligt sein, so tauchen mehrere Kommando-Zeilen auf, in denen Codes der russischen Suchmaschine Yandex (siehe Abbildung von index.hu) aufscheinen. Ähnlich wie Google, bietet auch Yandex Webseitenbetreibern durch Implementierung solcher Codes die Auswertung des User-Verhaltens an, was IP-Adresse (also Standort) und sonstiges Surfverhalten (also auch mögliche politische Ausrichtung) einschließt.

 

Yandex` Dienstleistungen gehen dabei - zumindest für privilegierte Kundschaft - weit über das hinaus, was beispielsweise die Datenkrake Google Analytics anbietet. So liefert der russische IT-Anbieter ausführliche Personalakten zu einzelnen Usern oder ganzen Gruppen. Es ist seit Jahren erwiesen, dass russische Behörden, Geheimdienste inklusive, freien Zugang zu den Daten von Yandex haben, mit ein Grund, warum EU und NATO ihren Strukturen die Nutzung der Yandex-Technologien untersagten. Im Jahre 2011 legte BBC offen, dass ein Yandex-User, der an eine russische, dem Oppositionellen Nawalniy nahestehende NGO über ein Bezahlsystem des Anbieters (ähnlich Paypal) eine Spende überwiesen hatte, anschließend deswegen vom russischen Geheimdienst verhaftet wurde.

Rogáns Ministerium reagierte noch am Wochenende auf die Vorwürfe, man würde mit russischer Hilfe die eigenen Bürger ausspionieren. Es handele sich um eine "bösartige Fehlinterpretation", man halte sich "bei allen Aktivitäten strengestens an die ungarischen Gesetze." Der inkriminierte Yandex-Code wurde aus den HTML-Tags inzwischen entfernt. Warum, wenn denn alles gesetzestreu war, erklärte das Ministerium indes nicht.

red.


46pllogo (Andere)
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