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(c) Pester Lloyd / 20 - 2017    POLITIK    18.05.2017

Europa holt den Hammer raus: Artikel 7 gegen Ungarn rückt näher

Ein Zufall von hoher Symbolik, dass der "Puszta-Putin" gerade auf Diktatorenschulung in China weilte, während Europa - quasi in Notwehr - den gemeinschaftlichen Daumen über sein Regime senkte: Mit 393 gegen 221 Stimmen, bei 64 Enthaltungen, stimmte am Mittwoch das EU-Parlament für eine Resolution, die zu einem Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn führen soll, dem ersten seiner Art in der EU-Geschichte.

Der Grund, vielmehr die Gründe: Andauernde, ernsthafte Verletzungen der EU-Grundwerte sowie permanente Verletzung demokratischer und rechtsstaatlicher Normen. Die Orbán-Regierung, seit Jahren im "Krieg gegen Brüssel", spricht - zunehmend verwirrt - von "Angriffen des Soros-Netzwerkes", doch selbst Orbáns Parteifreunde in Europa wenden sich von ihm ab.

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Die Resolution war eine Folge der Plenardebatte von Ende April und wurde gemeinsam von Sozialdemokraten, ALDE-Liberalen, Grünen sowie einer linken Fraktion eingebracht. Die eigentliche Meldung: Auch 60 Parlamentarier der EVP-Fraktion stimmten für den Antrag und das obwohl die EVP eine eigene, Weichspülvariante vorbereitet hatte. Damit ist konservative Einheitsfront aus duldender Kameraderie, bei denen Fidesz in Europa noch immer Zuflucht fand, aufgebrochen. Orbán hatte auch viel dafür getan, die eigenen Parteifreunde zu verärgern, spuckte er ihnen
nach der letzten Präsidiumssitzung ja praktisch ins Gesicht. 

Der Ablauf sei nun wie folgt: Das Komitee für Bürgerrechte, Justiz und Inneres (LIBE) wird einen Report erstellen, der die "systematische Bedrohung des Rechtsstaates" belegen soll, u.a. anhand der aktuellen Beispiele Lex CEU, Anti-NGO-Gesetz, Asyl- und Grenzregime, aber auch Anti-EU-Kampagnen und früherer Maßnahmen, u.a. gegen die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz, die Medienfreiheit und -vielfalt, der Betrug mit EU-Geldern und, und, und.

Besonders wichtig, da Orbán sozusagen an den Eiern packend: die Resolution fordert explizit die Überwachung der Verwendung von EU-Beihilfen für Ungarn.

Der Bericht von LIBE führt dann zu einer formalen Aufforderung an die Kommission, Artikel 7 einzuleiten, die sich damit wiederum an den Rat der Regierungschefs wenden muss, um u.a. die Suspendierung von Stimmrechten oder das Einfrieren von Mitteln zu erzwingen. Die Kommission selbst kann Ungarn selbsttätig unter Aufsicht einer Sonderkommission zum Monitoring der eingeforderten Maßnahmen stellen. (
Zu den detaillierten Abläufen mehr in diesem Beitrag)

In der Resolution wird - trotz aller gegenteiligen Erfahrungen - Ungarn dazu eingeladen, die offenen Fragen weiter im Dialog und in Verhandlungen auf politischer wie technischer Ebene zu klären. Die Tür bleibt also offen, die Hand ausgestreckt...

Parallel dazu laufen die formalen Vertragsverletzungsverfahren der Kommission, die - auch seit gestern - wegen der Untätigkeit Ungarns ein neues Niveau erreichten und den Artikel-7-Prozess (Hier der Atikel 7 im Wortlaut) beschleunigen dürften.

Die Regierung sowie die "Staatspartei" in Ungarn reagierten gewohnheitsmäßig heftig, ablehnend und mit absurden Ausfällen auf die Entscheidung der gewählten europäischen Abgeordneten und sehen eine Kriegserklärung der EU gegen Ungarn, hinter der natürlich Orbáns Universal-Fetisch George Soros, praktisch der Premier der geheimen Weltregierung steckt.

Außenminister Péter Szijjártó sprach, stellvertretend für seinen Chef, der sich
gerade in China mit Putin, Erdogan, Lukaschenko und anderen Gesinnungsgenossen berät, von einer "weiteren Attacke des Netzwerkes des US-Finanziers George Soros gegen Ungarn". Anstelle des Tavares-Reports von 2013 (ein alarmierender Bericht über die ungarischen Zustände benannt nach einem grünen, potugiesischen Abgeordneten, man wusste also schon viel früher bescheid, werte EVP) habe das Parlament in diesem Jahr einen "Soros-Report" herangezogen. Offenbar seien die "europäischen Institutionen unfähig zu akzeptieren, dass die ungarische Regierungen jedwedem internationalen Druck widersteht, der versucht, die Sicherheit der ungarischen Menschen zu gefährden." so Szijjártó gegnüber der Regime-Nachrichtenagentur MTI. Es bleibe dabei, was immer die EU tue, "kein Illegaler wird seinen Fuß auf ungarischen Boden setzen." Dahinter steckt die Legende, sämtliche Aktionen der EU gegen Ungarn seien nur dadurch motiviert, dem Land "Einwanderung aufzuzwingen".

"Ein schockierender politischer Angriff" sei die Abstimmung, befinden die Fidesz-Europaparlamentarier. Schockiert gewesen sein dürften sie vor allem darüber, dass 60 Mitglieder ihrer eigenen Parteienfamilie für den Antrag stimmten. Doch der Feind steht links: die Abstimmung habe gezeigt, dass sich alle anderen ungarischen Vertreter im EU-Parlament - außer Fidesz und Jobbik - gegen ihr eigenes Land richteten. Der Text der Resolution sei indes ein einziges "realitätsfernes Lügengebilde", mit dem die "Linke" versuche, "die Wahlen in Ungarn im kommenden Jahr zu beeinflussen". Das EU-Parlament steht in weiten Teilen unter "Kontrolle des Pro-Einwanderungs-Finanziers George Soros".

Die Staats- und Parteimedien, die zunächst am Mittwoch kein Wort über die Vorgänge im EU-Parlament verlautbaren ließen, bis sie dann die geballte Antwort des Regierungslagers überbrachten, als handele es sich um eine Generalmobilisierung wegen einer Kriegserklärung, stellten die Sache so dar, als ob die meisten EU-Abgeordneten Ungarn weiter unterstützten und der verweichlichenden Resolution der EVP den Vorzug gäben. Eine glatte Lüge, denn es war die "linke" Resolution, die jene Mehrheit von fast 400 Stimmen gegen 221 erlangte.

Die in weiten Teilen zerfledderte, kraft- und inhaltslose, demokratische Opposition Ungarns, versuchte sich mit Hilfe des europäischen Votums verbal ein wenig aufzurichten. Seht, wohin uns die Orbán-Regierung gebracht hat, ganz Europa zeigt mit dem Finger auf uns - so in etwa lautet der Tenor der oppositionellen Statements.

 

Europa habe "die Aktionen unserer Regierung satt", sagte Gyula Molnár von der MSZP (Sozialdemokraten), die Abstimmung sei "Resultat der antidemoratischen Entscheidungen der Regierung", der geplanten Attacken gegen NGOs und freie Universitäten. Nun habe der Prozess begonnen, Ungarns Stimmrechte zu suspendieren - ein einmaliger Vorgang. Weder "Brüssel", noch "Soros" haben diese Entscheidung gefällt, sondern das gewählte EU-Parlament, auch mit den Stimmen von Konservativen, konstatiert Molnár. Damit sei klar, worum es bei den Wahlen 2018 in Ungarn gehe: "Orbán oder Europa".

Die DK, eine Art linksliberaler Sekte von Ex-Premier Gyurcsány, sieht das ähnlich, sollte "Orbán im nächsten Jahr Premier bleiben, kann sich Ungarn von seiner EU-Mitgliedschaft allmählich verabschieden", so DK-Sprecher Zsolt Gréczy, der ebenfalls betonte, dass "Orbán die Verbündeten in den eigenen Reihen abhanden kommen".

In der Mitteilung des EU-Parlamentes heißt es: "Die jüngsten Entwicklungen in Ungarn haben zu einer erheblichen Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte geführt und sind eine Bewährungsprobe, bei der die EU unter Beweis stellen muss, dass sie ihre Grundwerte verteidigen kann." "Die aktuelle Lage der Grundrechte in Ungarn rechtfertige die Auslösung des Verfahrens, mit dem festgestellt werden soll, ob eine „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundsätze der Union durch einen Mitgliedstaat“ besteht."

Der Stein ist im Rollen.

red.



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