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(c) Pester Lloyd / 21 - 2017      POLITIK      25.05.2017

Babys oder Untergang: Wie Orbán Ungarn und Europa vor dem Aussterben retten will

Orbáns Auftritt beim ultrarechten World Family Summit in Budapest begann mit einer langen Tirade gegen die "Umvolkung" Europas, der sich diverse Eliten, aber auch "Menschenrechtler in Zusammenarbeit mit Menschenhändlern" verpflichtet hätten. Er setze dagegen auf Reinrassigkeit durch Steigerung der Geburtenrate, mit "so vielen Kindern wie möglich". Dass die lieben Kleinen dann als Jugendliche schnellstens das Weite gen Westen suchen, blieb nur einer der ungelösten Widersprüche.

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Orbán beim Weltfamilienkongress, der heute in Budapest eröffnet wurde.

Es mag absurd erscheinen, aber es ist die gelebte "Realität" der Neuen Rechten, dass der Premier eines Landes namens Ungarn, in dem die häufigsten Nachnamen Németh, Horváth, Tóth lauten und viele Ádám und Éva - oder eben auch Viktor - heißen, vor einer Organisation aus dem Einwanderungsland Nr. 1 der Welt, den USA, eine Rede über die Vorzüge der ethnischen Homogenität und prinzipiell gegen Einwanderung hält.

 

Auf dem Weltfamilienkongress, WFC, dessen Ausrichtung und Protagonisten wir in diesem Beitrag ausführlich vorstellten, hielt Schirmherr Viktor Orbán am Donnerstag die Eröffnungsrede. Und er kam gleich zur Sache. Nicht zum Thema Liebe zur Familie, sondern zum Thema Hass gegen Fremde. Es waren Versatzstücke seiner bekannten Positionen, zurechtgedrechselt auf das für völkischen Irrsinn, Verschwörungsgeschwurbel und frömmelnde Hassbotschaften besonders empfängliche Kongresspublikum.

Seit 2015 befinde sich "Europa im Zustand der Belagerung", hunderttausende, natürlich keine Flüchtlinge, sondern "illegale Einwanderer" kamen über die Balkanroute, für deren Schließung er sich bei allen daran Beteiligten bedankte. Man habe die "Maschine ins Stottern gebracht" und er selbst habe dafür gesorgt, die "selbstbedrohliche Einwanderungspolitik Westeuropas zu ändern". Applaus.

Doch, der "Einwanderungsdruck" bleibe bestehen, ja "werde noch anwachsen". Die Sache sei ja klar: "Europa ist alt, reich und schwach, der Rest der Welt stößt Massen an jungen Menschen aus." Es sei nur eine "Frage der Zeit, wann diese Millionen zu uns stoßen. Die bizarre Koalition aus Menschenrechtlern und Menschenschmugglern ist bereit, den Zustrom jederzeit wieder zu starten."

Während die Europäer in der Zwischenzeit ihre Meinung zur Einwanderung geändert hätten und sich auf ihre Wurzeln besännen, singe man in Brüssel noch immer ein anderes Lied. "Dort reden Salonredner mit den Stimmen der liberalen Elite und der sogenannten Menschenrechtler und nennen jeden, der die Probleme von Einwanderung und Terrorismus und kulturellen Konflikten benennt einen Extremisten." Dabei würden "viele Menschen fragen, wie viele Terrorangriffe noch nötig seien, bis man endlich willens ist, sich selbst zu verteidigen." Der jüngste Terrorangriff von Manchester war "ein Angriff auf Europas Zukunft".
Und Schuld daran hat die EU.

Laut Orbán gibt es in Europa seit langem einen Kampf zwischen "zwei Zukunftsvisionen". "Unsere gemeinsame Heimat, Europa, verliert im Bevölkerungswettkampf", darin seien sich beide Seiten einig. Doch die eine Seite meint, dass man Einwanderung brauche, die andere, "nämlich Mitteleuropa, glaubt daran, dass wir unsere eigenen Reserven mobilisieren müssen."
An anderer Stelle sagte er bereits in reinstem Hitler-Duktus: "Eine Nation, die nicht in der Lage ist, sich selbst zu reproduzieren, hat kein Recht zu existieren".

Orbán ergoss sich dann in diversen Metaphern aus der Welt der Segler und Windjammer, Steuermänner und Schlagzahlen. Orbán und seine Gleichnisse, das ist eine terra incognita, die selbst den Ungarn im Ungarischen unverständlich bleibt, wer sind wir, uns da an Übersetzungen zu wagen. Wie auch immer, Orbán befindet, dass der "Kampf gegen illegale Einwanderung nur dann sinnvoll ist, wenn man gleichzeitig durch Familienpolitik die natürliche Reproduktion wieder herstellt."

Das Ziel müsse sein: So viele europäische Kinder wie möglich zu (er)zeugen. Ungarn leide ebenso wie alle anderen europäischen Nationen am Geburtenrückgang, der so dramatisch ist, dass "wir bereits an dem Punkt sind uns nicht mehr selbst erhalten zu können", das christliche Europa befinde sich also auf dem Weg des Aussterbens.

"In weniger als 40 Jahren könnten wir eine Million Menschen weniger sein" (allein in Ungarn, Anmerkung, wobei die Zahl aufgrund der von Orbán produzierten Wirtschaftsflüchtlinge bereits in fünf Jahren erreicht sein könnte.). "Das ist mehr als der Totalverlust, den wir im Zweiten Weltkrieg hatten". (Ein besonders mieses Gleichnis, wenn man bedenkt, dass die größten Verluste Ungarns im 2. Weltkrieg durch die Deportation und Vernichtung jüdischer Ungarn unter tätiger Mithilfe der eigenen Bevölkerung entstanden). Jedenfalls, so Orbán, brauche es, das zeigten die Daten, "eine definitive Umkehr".

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Der Premier schreitet selbst in staatsmännischer Fertilität vorbildhaft voran. Hier mit seinen vier Töchtern und einem Sohn beim ehemaligen Papst. Läuft alles nach Plan, werden aus fünf Kindern bald 25 Enkelkinder und bis 2150 könnte die First Family das demographische Problem ganz allein beheben. Die meisten anderen zeugungsfähigen Ungarn dürften bis dahin ohnehin das Land verlassen haben.

"Die Wiederherstellung der natürlichen Reproduktion ist für uns nationale Aufgabe", die Kinderanzahl pro Paar soll von derzeit 1,5 auf 2,1 bis 2030 gesteigert werden (was Rechnerisch jedoch keinen Bevölkerungszuwachs ergibt, da ja nicht alle Bürger sich zu paarenden Paaren vereinen). Um diesen Umschwung zu erreichen, seien materielle Anreize zweifellos wichtig, aber: "Meine 30 Jahre Erfahrung in der politischen Arbeit haben gezeigt, dass ein signifkantes finanzielles-ökonomisches Modell zu einem politischen, sozialen und intellektuellen Wandel" führen müsse, also zu einer grundsätzlich anderen Ideologie, woran der Meister und seine Partei ja konsequent arbeiten.

Er habe die Wirtschafts- und Sozialpolitik seines, natürlich äußerst erfolgreich wirtschaftenden Landes (mit 40% Armen, Anm.,
auch dazu die ganz offiziellen Zahlen) gänzlich auf Familienfreundlichkeit eingestellt: 4,6% des BIP werden für Familienbeihilfen bereit gestellt, mit dem Ziel "so viele Kinder wie möglich zu bekommen". Dazu müsse aber "die Familie in den Herzen der Menschen verankert" sein, dafür brauche es "glückliche, junge Menschen", heterosexuelle freilich, die "in der Ehe vereint" seien. Dass viele der jungen Menschen ihr "Glück" lieber im umvolkenden, veralteten, liberal verseuchten Westen suchen, bis zu 4% der Gesamtbevölkerung sitzt auf gepackten Koffern, - sagt sogar sein eigenes Statistikamt  - das verschweigt der Kapitän auf der Brücke seiner pannonischen Titanic freilich dezent.

2018 ist für seine Regierung das Jahr der Familie, dazu habe er im Kabinett gerade einen "Aktionsplan" beschlossen, der die Beihilfen für Familien noch mehr an die Zahl der Kinder anpasst. "Wo zwei Kinder sind, da ist auch Platz für ein drittes, viertes und dann ist es auch nicht mehr weit zu einem fünften Kind."  (Anm: Orbán hat selbst fünf Kinder).

Zu den Maßnahmen im Aktionsplan zählen u.a.: die Erlassung von 50% des Studierendenkredits bei zwei Kindern, ab drei Kindern 100% (in anderen Ländern ist studieren kostenlos), dabei könnten die Studentinnen ihr Studium kostenlos verlängern, bis das Kind zwei Jahre alt ist. Familien mit drei Kindern oder mehr bekommen vergünstigte Wohnbaukredite sowie Direktzuschüsse bis zu 3.300 EUR. Weiterhin gibt es für kinderreiche Familien (also ab drei) großzügige Steuerentlastungen. Auf den Umstand, dass Steuernachlässe und deren Anhebung, nur jenen zu Gute kommen, die überhaupt über eine reduzierbare Steuerbasis verfügen und Wohnbauzuschüsse nur für jene Nutzen bringen, die überhaupt an Wohneigentum denken könne, also in Ungarn nur einer kleinen Schicht Besserverdiener, ging Orbán natürlich nicht ein. Dabei steckt genau dahinter die Überlegung, nur die "richtigen" Kinder in die Welt zu setzen. Noch mehr Roma oder arme Kinder, "die dem Staat nur auf der Tasche liegen", braucht kein Mensch, befindet u.a. sein "Human Ressources" Minister Balog.

 

Der Babyboom (den die Regierung seit Jahren erfolglos auszulösen versucht) will man auch exportieren. Ungarn im Ausland, also vor allem jene im Karpatenbecken könnten sich in einem "Baby-Fonds" registrieren, was immer das auch heißen solle. Außerdem, so Orbán, haben wir ein Forschungsinstitut, das dazu "intellektuellen Input" gibt. Der scheint dringend nötig. Allerdings arbeiten derlei großzügig aus Steuermitteln finanzierte Institute lieber an der Diffamierung der Selbstbestimmung der Frauen (Krankenhäuser, die keine Abtreibungen vornehmen, bekommen Sonderförderungen) oder an Hasskampagnen gegen andere Lebens- und Liebesvarianten, die nicht ins reaktionäre Weltbild zöpfchenflechtender und alte Weisen summender kinderreicher Jungbauernfamilien passen.

Dies seien "unsere Antworten auf unser Schicksal", so Orbán, längst in pathetische Gewässer abgetaucht und er schloss in diesem maritimen Nirvana und sprach von Segelbooten, die zwar feindlichen Winden ausgesetzt sein können, aber, mit dem richtigen Kurs und den besten Steuermännern sei es nicht unmöglich, das Ziel zu erreichen. Ahoi!

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