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(c) Pester Lloyd / 28 - 2017      POLITIK      09.07.2017

Im Paralleluniversum: Orbán auf der Suche nach Bedeutung

Dass US-Präsident Trump Polen und nicht Ungarn als europäische Feierbühne auserwählt hat, hat merkliche Eifersucht in Budapests Führungsetage hervorgerufen. Schließlich sieht sich Orbán als Zentralgestirn in seinem sonambulen Universum der "wahren Europäer" und Bannerträger des christlichen Europas. Umso schriller setzt er sich in Szene, um wahrgenommen zu werden und überschreitet dabei wieder rote Linien.

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Trump (Foto: bei seiner Rede in Warschau) gewährte der rechtspopulistischen Regierung in Warschau die Gnade ihn feiern zu dürfen, weil Ungarn, zwar ebenso populistisch geführt wie Polen und die USA, durch seine immer offenkundigere Nähe zu Moskau (AKW Paks, Erdgasverträge, Dunaferr-Investitionen) sowie die Attacke auf die US-basierte Uni CEU, selbst für Washington als nicht sonderlich herzeigbar gilt.

Um seine Randtändigkeit, ja zunehmende internationale Isoaltion zu überspielen, stimmte Orbán im eigenen Land wieder schrille Töne an und seine Regierungsmannschaft übt sich in reiseeifrigem Aktionismus zu "Schwellenländern", um ökonomische und politische Bande zu schmieden, ohne Rücksicht auf die politischen Zustände in den Ländern nehmen zu müssen.

Antisemitische Plakate und Diktatorenhuldigung

Zeitgleich startete die Regierung eine neue, millionenschwere, Plakat- und Anzeigenkampagne, die als imperatives Resümée der gegen die EU gefahrenen
"Nationalen Konsultation" die Feindbilder lebendig halten soll. Dabei überschritt die Regierung eine weitere rote Linie, in dem man unter dem Slogan "Lassen wir nicht zu, dass er zuletzt lacht!" das Konterfei von George Soros in einer Art und Weise in Szene setzt, die frappant an antisemitische Plakatkampagnen aus dem Deutschland der 30er Jahre erinnerte. Die jüdischen Organisationen des Landes, die sonst eine Menge hinnehmen, verlangten die Einstellung der Kampagne, die "gefährliche Ressentiments" schüren könne. Die Regierung beschwichtigte mit ihren üblichen 0-Toleranz-Phrasen. Die Botschaft Israels forderte ebenfalls die Abnahme der Plakate, Budapest solle die "Konsequenzen solcher antisemitischen Untertöne" bedenken, aus solcherart Kampagnen "könne keinerlei Nutzen entstehen", sagte Botschafter Yossi Amrani.

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Außenminister Szijjártó musste sich gleich nochmals gegenüber der israelischen Botschaft erklären, weil Orbán kürzlich in einer Rede den Reichsverweser Horthy als beispielhaften Verteidiger christlicher und nationaler Werte und als Vorbild in Führungsstärke als "außerordentlichen Staatsmann" pries. Dass Horthy Verbündeter Hitlers war, unter dessen Regierung die ersten Judengesetze Europas im 20. Jahrhunder realisiert wurden, er sowohl dem Hungarofaschismus den Weg ebnete als auch die ungarische Armee in den Zweiten Weltkrieg auf Seiten Nazideutschlands führte, scheinen für Orbán keine historischen Fakten mehr zu sein, die irgendeiner Lehre oder Würdigung bedürfen.

Progressive Schizophrenie: Im Geheimen stünden alle EU-Regierungschefs auf seiner Seite

Orbáns Stimmungs- und Tonlage bliebt eine Mischung von aus persönlicher Frustration getriebener, infantiler Aggressivität und erreicht Ausmaße, die längst von einem Charakter- zu einem Krankheitsbild transformiert sind. Sein Radiointerview vom Freitag auf Kossuth Rádió, bot dieses Kaleidoskop der manischen Verteidigung einer skurrilen Parallelwelt, in der er der unangefochtene Tonangeber ist. Denn in der realen Welt bewegt sich Orbán auf
das Ende seiner Tage zu, langsam, aber beständig.

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Die kritisierte Plakatkampagne mit dem Fetisch Soros im Zentrum verteidgte der ungarische Premier mit den Worten, dass "Brüssel den Einwanderungsplan von George Soros umsetzt, worüber der normale Ungar informiert" werden müsse. Das Volk habe ein Recht darauf, zu erfahren, dass Soros und seine europäischen Erfüllungsgehilfen "jedes Jahr eine Million Einwanderer nach Europa bringen wollen", wobei Brüssel die Asylpolitik nutze, um unter dem Vorwand einer "abgestimmten" Politik, die Nationalstaaten endgültig um ihre Mitspracherechte zu bringen, was ein klarer Anschlag auf den Geist und Text der EU-Verträge sei.

Unter Gadaffi hat´s das nicht gegeben...

Aber: Im Geheimen sei allen EU-Staatschefs klar, "dass Ungarn im Recht ist, jeder Ministerpräsident hat das im Privaten zugegeben", reflektiert Orbán. Es sei offensichtlich "dass heute nicht die Menschen über diese Belange entscheiden, sondern Ideologen mit finanziellen Interessen, die dem Liberalismus huldigen." Es sei unumgänglich, dass die "Massen" von Einwanderern bereits in Libyen gestoppt werden müssten, notfalls mit dem Mittel einer militärischen Intervention. Und wer heute "illegal in Europa ist, muss hier weggeschafft werden anstatt umverteilt zu werden." Alles andere wäre "eine Einladung". Im übrigen war es ein großer "Fehler, Muammar Gaddafi umzubringen, denn unter ihm gab es ein Abkommen mit Italien und keinen Exodus von seinen Küsten."

Risse in Orbáns Prallel-EU

 

Die für Orbáns Geltungsdrang arg peinliche Umgehung seines Landes seitens Trump, versuchte der Premier windend in einen Sieg umzumünzen, denn "es war wichtig, dass Präsident Trump Mitteleuropa (Für Orbán sind Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei, also die Visegrád Vier Mitteleuropa) als Ort für seine erste ernste Rede zur Europapolitik" gewählt habe. Man teile den Standpunkt, dass "Grenzen geschützt" werden müssen. Die Enttäuschung, dass Trump einen Bogen um Ungarn machte, war jedoch greifbar, schließlich sieht Orbán sich als Pionier der Anti-EU und Anti-Demokratie-Bewegung innerhalb der Gemeinschaft.

Sodann teilte Orbán nach Österreich aus und kommentierte eine Äußerung von SPÖ-Kanzler Kern, der gewisse Zerfallstendenzen in Orbáns Parallel-EU "Visegrád Vier" erkennen wollte. "Österreich ist ein talentiertes Land, wenn man seinen hohen Lebensstandard sieht, doch in der Außenpolitik haben sie nichts zu melden. Es muss den Österreichern weh tun, nicht Mitglieder der V4 zu sein." Budapest freut sich bereits auf einen baldigen Kanzler Kurz (ÖVP), der in mehreren Statements - sei es zur Asylpolitik oder Contra NGOs - bereits seine inhaltliche und ideologische Nähe zu Orbán offenbart hatte.

red.

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