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(c) Pester Lloyd / 32 - 2017      NACHRICHTEN      07.08.2017

Landsknechte für Orbán: Militarisierung an Schulen in Ungarn

"Patriotische körperliche Ausbildung" heißt das neue Unterrichtsfach, das in allen Pflichtschulen bis Ende des Jahres einzuführen ist. So befiehlt es ein von Premier Orbán unterzeichnetes Regierungsdekret, das jetzt im Amtsblatt "Magyar Közlöny" veröffentlicht wurde. Im Zusammenhang damit soll das Curriculum, also der nationale Leitlehrplan ergänzt werden.

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Er hält bereits jetzt die Pädagogen an, den "Patriotismus der Jugend durch Erlernen und Respektieren der Werte und Traditionen der ungarischen Kultur" zu erhöhen. Ziel ist das "Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft der Patrioten des Ungarntums zu steigern". Nun soll dieser Passus noch um einen Punkt ergänzt werden der, die "bessere Verteidigungsfähigkeit der Jugend" auch in der "physischen Ausbildung" herstellt, denn "die Verteidigung Ungarns im Notfall ist die Pflicht jeden Bürgers." Es ist kein Zufall, dass dieser "Notfall" nicht klar definiert ist, z.B. als Krieg.

Bereits seit 2013 erarbeitete das private, dem Ministerium für Humanressourcen unterstellte Institut SZÁLMAK, zusammen mit der Kaderuni für den öffentlichen Dienst, NKA, Methoden und Lehrpläne für eine "patriotische und militärische Grundausbildung", die ab dem ersten Schuljahr durchgeführt werden soll.

Militärische Angebote gibt es bereits an vielen Schulen, sind bis dato jedoch uneinheitlich und sozusagen freiwillig, auch wenn natürlich durch den Gruppenzwang die Freiwilligkeit von der gleichen Qualität ist, wie damals bei der HJ. Eigentlich ist die vormilitärische Ausbildung seit 2012 verbindlich, durch den Mangel an Ausbildern, Lehrplänen und Organisation beschränkte sich diese jedoch auf Einzelprojekte und besonders auf Angebote von militärischen Ferienlagern, die nicht selten von Vertretern rechtsextremer Paramilitärs durchgeführt werden.

Dem bisherigen Provisorium des Wehrunterrichts soll unter anderem durch den Bau von 200 staatlichen Schießständen für in Summe 90 Millionen Euro Abhilfe geschaffen werden, über den wir
hier ausführlicher berichteten. Für Aufsehen sorgte auch eine Aktion der Polizei, direkt in Schulen unter Kindern Grenzjäger für den Eisernen Vorhang zu Serbien anzuwerben. Hier mehr dazu. Auch die Schaffung einer Miliz dient, so Kritiker, nicht vorrangig militärischen Überlegungen, sondern ideologischen.

Lehrergewerkschafter schlagen Alarm: Formulierung und Anspruch der "Patriotischen körperlichen Ausbildung" hätten nichts mit dem pädagogischen Auftrag der Pflichtschulen zu tun, sondern erinnerten viel mehr an die Art von Organisationen, die in der Zwischenkriegszeit Jugendliche militärisch schulten, um daraus später Personal für die faschistischen Pfeilkreuzler zu rekrutieren. "Jede Art militärischen Gebarens ist aus den Schulen herauszuhalten. Wer so etwas will, soll in seiner Freizeit in einen Schützenverein gehen", fordert László Mendrey, Präsident einer linken Pädagogengewerkschaft.

 

Auch der Vertreter einer anderen Gewerkschaft, István Galló, möchte nicht "sehen wie Kinder in den Schulen mit Holzgranaten hantieren. Das brächte einen gefährlichen Ungeist." Noch klarere Worte findet der anerkannte Bildungsexperte Péter Radó, er sagte hvg.hu, dass es "nicht hinnehmbar ist, 6-12jährige Kinder ideologisch zu programmieren. So eine Ausbildung dient lediglich dazu, deren Hirne und Herzen zu verformen und sie ihrer Freiheit zu berauben." - "Das Problem in unseren Schulen ist nicht, dass die Kinder nicht patriotisch genug wären, sondern unfähig sind, Texte verstehend zu lesen, es ihnen an wissenschaftlichen Grundkenntnissen fehlt und die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss jährlich steigt." (Hier zum katastrophalen Abschneiden Ungarns in der letzten PISA-Studie)

Wenn die Regierung meint, dem durch ideologisch-militaristische Inhalte begegnen zu müssen, wird die gesamte Gesellschaft dafür einen hohen Preis zahlen. Die Regierung wolle die Gesellschaft nicht militarisieren, um Ungarns Kampfkraft zu erhöhen, sondern um eine Masse von unterwürfigen Knechten zu schaffen, mit der die Elite ihre politische Hegemonie festigen kann, so Radó.

Mehr zum Thema:
Höherer Unfug: Orbáns Bildungsreform zwischen Kaderschmieden und “Kulturrevolution” 

red.


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