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(c) Pester Lloyd / 41 - 2017      POLITIK       09.10.2017

Selbstaufgabe der Opposition in Ungarn: Spitzenkandidat der Sozialisten schmeißt hin

"Es war ein Fehler, zu glauben, die Linke wolle wirklich die Wahlen 2018 gewinnen." So das resignierende Statment von László Botka, der in der Vorwoche seine Spitzenkandidatur für die MSZP, also die Herausforderung Orbáns aufgab, rund ein halbes Jahr vor der Wahl. Die Schadenfreude bei der Regierungspartei ist unverhohlen und auch der totgewünschte Ex-Premier Gyurcsány dürfte von dem Abgang profitieren. Die Oppositionsgruppen beschwören nun eine Einheit, die es nie gab.

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Und Tschüss. Ein halbes Jahr vor der Wahl, gibt der linke Spitzenkandidat auf...


"Stattdessen wollen die nur ein paar Oppositionsmandate im Parlament des Orbán-Regimes ergattern" und so weitermachen wie bisher, resümierte Botka. Er habe schlicht "unterschätzt" wie "tief die Politmafia die demokratische Opposition bereits unterwandert" habe, seine eigene Partei eingeschlossen.

Letzter Auslöser für seinen Entschluss zur Aufgabewar ein Angebot, dass er sechs demokratischen Parteien (DK, LMP, Együtt, PM, Momentum, Liberale) gemacht habe, ihnen die Hälfte der Plätze auf einer gemeinsamen Oppositionliste zu überlassen. Ein Angebot, dass ohne Resonanz blieb. Doch genau so ein Bündnis wäre unverzichtbar, um einen Regierungswechsel herbei führen zu können. Vor allem die LMP und die DK von Ex-Premier Guyurvsány hätten klar gemacht, dass sie auf ihren eigenen Kandidatenlisten bestehen werden. So werden die Stimmen geteilt, was gerade für die Direktmandate, die bereits mit relativer Mehrheit zu erringen sind, verheerend wird. Mit Botka, der Bürgermeister von Szeged bleibt, trat auch MSZP-Vizechef István Újhelyi zurück. Das Fatale an der Zersplitterung der demokratischen Opposition, so Botka, sei, dass jene, die Orbán nicht mehr wollten, sich nun eher Jobbik zuwandten, auch wenn sie das Orbán-Regime damit nur stärkten.

Die Schadenfreude im Regierungslager war unverhohlen: Botka sei in "Skandale verstrickt" und sein "Versagen keine Überraschung", schließlich ist er "nicht anders als Gyurcsány und andere Sozis", hieß es in einer Aussendung der Fidesz-Parteizentrale. Er habe für die "Bajnai-Sparpakete gestimmt wie alle Sozialisten und auch der nächste wird so sein, auf der Linken hat sich nichts geändert." Für Fraktionschef Gulyás bedeute der Rücktritt "keine Änderung unserer Strategie", "das gewichtigste Argument für uns, sind die Errungenschaften unserer Regierungszeit."

Für die neonazistische Jobbik, die sich angestrengt um ein bürgerliches Image müht und in vielen Positionen bereits rechts von Fidesz überholt wurde, sieht im Rücktritt einen "Endpunkt im Versagen der Linken". "Die Linke ist nicht nur unfähig, Orbán abzusetzen, sie haben nicht mal Lust dazu." Sie "schielen nur auf ein paar Parlamentssitze und die dazugehörigen Privilegien", so Péter Jakab, der dafür warb, dass jede Stimme für die MSZP nun eine verlorene Stimme sei. "Sie gehören gar nichts mehr ins Parlament." Jobbik hingegen "bietet eine Alternative für alle Ungarn ein, die Ex-Wähler der MSZP eingeschlossen".

Die grün-national-liberale LMP hofft als Partei der Mitte, die in letzter Zeit vor allem zur rechten Seite offen wurde, ebenfalls auf enttäuschte Linkswähler und will daher "den Rücktritt als interne Angelegenheit der MSZP" sehen. Man werde weiter gegen die Orbán-Regierung und für soziale Gerechtigkeit kämpfen, "und dabei auch jene vertreten, die durch Botkas Rücktritt den Glauben an einen Wandel verloren haben."

Lajos Botka von den Liberalen MoMa und einer der wenigen, der positiv auf Botkas Wahlpakt ansprach, "bedauert" den Rücktritt, denn in ihm sah er "einen Kandidaten für die gesamte Opposition". Sein Bedauern dürfte jedoch auch daher rühren, da Botka praktisch nur über eine gemeinsame Liste ein Mandat erringen kann. Die andere liberale Partei von Gábor Fodor steht "bereit" für ein Bündnis, aber das "liege nun an den Sozialisten".

Für den Sprecher von "Dialog für Ungarn" (eine linke LMP-Abspaltung) eröffnen sich nun sogar Möglichkeiten "über individuelle Kandidatenlisten", also jenseits von Parteienproporz mit allen zu reden. "Dialog glaubt immer noch daran, dass die Regierung ablösbar ist." Man werde "mit allen sprechen", um sicherzustellen, dass in jedem der 106 Direktwahlkreise "nur ein einziger Oppositionskandidat antritt." Auch die Partei Együtt will im Verbund mit Dialog, LMP und der neuen Bewegung Momentum für die Strategie je eines gemeinsamen Kandidaten kämpfen.

 

Ins Fäustchen gelacht haben dürfte sich Ex-Premier Ferenc Gyurcsány mit seiner Demokratischen Koalition (DK), war es doch Botka, der bei seiner Nominierung ihn als den größten Klotz am Bein der Opposition beschrieb und ihn im gleichen Atemzug wie Orbán in den politischen Ruhestand schicken wollte. Gyurcsány ist immer noch da. Sein Parteisprecher Gréczy negierte, dass die Differenzen mit der DK zum Rücktritt geführt hätten, viel eher seien "Botka und Újhelyi nicht in der Lage gewesen, die internen Differenzen zu klären."

Gyurcsány bremst seine Anhänger, sie sollten nicht in Jubel ausbrechen, weil Botka weg sei, "wir brauchen Verbündete, um Orbán zu stürzen", sagte er. "Ich bleibe optimistisch, trotz dieser Entwicklungen", "jede Stimme für die Linke" zähle und erwartet für seine Partei 10-15% der Stimmen. Wenn die Opposition die richtigen Kandidaten aufstellt und an einem Strang zieht, kann "man Fidesz 60-70 Mandate abnehmen, sie wären dann in der Minderheit." Mag die Opposition auch noch so "verschieden" sein, so der Ex-Premier, eine Sache habe man doch gemeinsam: "Wir alle wollen eine normale, europäische Republik". Und die gebe es nur ohne Orbán.

red.


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