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(c) Pester Lloyd / 43 - 2017      POLITIK       23.10.2017

Nationalfeiertag in Ungarn: Orbán erklärt "Mitteleuropa zur emigrantenfreien Zone"

Schauerlich, aber konsequent. Wenn Ungarns Premier Orbán Dorfbewohner ermutigen kann, aktiv die Anwesenheit auch anerkannter Flüchtlinge zu bekämpfen, dann kann er "Mitteleuropa" auch zur "einwandererfreien Zone" erklären. Das tat er am Montag bei seiner Gedenkrede zum Nationalfeiertag des Ungarischen Volksaufstandes 1956, die zu einer auf die kommenden Wahlen abgestimmten Hetztirade verkam.

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Die Studenten von 1956 als Projektionsfläche für Orbáns Wahn. Foto: kormany.hu

Das Gedenken an den Ungarischen Volksaufstand 1956, ist seit Jahren Beute der Politik, seit 2010 auch staatstragende populistische Projektionsfläche für Orbáns "Unabhängigkeitskampf" gegen Brüssel und die "hinter ihm stehenden Mächte".

"Wir Ungarn sind eine besondere Sorte freiheitsliebender Menschen", die auch bei strömendem Regen zusammen kommen und sich von nichts aufhalten lassen, sagte der Premier angesichts des Sauwetters. "Viktor, Viktor"-Rufe hallten ihm bei diesem offiziellen Staatsakt entgegen.

 

"Wenn unsere Freiheit und unsere nationale Unabhänigkeit verloren geht, sind wir selbst verloren. Nur wir können unsere Freiheit schützen, niemand anderes wird das tun." Denn: Brüssel versteht uns nicht, "weil sie uns nie verstanden haben." - Auch damals 1956 hätte der Westen Ungarn nicht nur nicht verstanden, sondern es schmählich im Stich gelassen.

Vor drei Jahrhzehnten hätten die Ungarn ihre Freiheit wieder gewonnen "und wir wollten Glauben, dass die alten Geister nicht wiederkommen", die "Kommunisten versuchten aus uns einen Homo sowjeticus zu machen, jetzt würden die "Kräfte des Globalismus" sich "an den Türen Ungarns drängeln, um aus uns einen Homo brusselensis zu machen".

Europa sei an seinem eigenen Anspruch an Größe gescheitert, meint Orbán. Es würde jetzt einen Rachefeldzug gegen jene führen, "die vor den Gefahren warnen". Jene, die glauben, dass "Europa sichere physische Außengrenzen braucht" würden als "Erbauer Eiserner Vorhänge" gebrandmarkt, "jene, die die Familie verteidigen als homophob" bezeichnet und jene, die an "eine europäische Allianz der Nationen glauben als Nazis verurteilt." Die EU habe aufgehört ein Werkzeug für die Verteidigung der europäischen Idee zu sein.

Ganz gegen die Mode, erwähnte Orbán den Namen "Soros" in seiner Rede kein einziges Mal, zumindest nicht namentlich. Er sprach von "globalen Finanzimperien", die ihre Macht und ihr Geld einsetzen um "Personal und Medien zusammenzukaufen und ausgedehnte Netzwerke zu errichten, die schnell, stark und brutal sind. Dieses spekulative Finanzimperium hat Brüssel im Griff, es hat uns Millionen Migranten auf den Hals gejagt."

"Wir aber sind zu dem Entschluss gekommen, dass Mitteleuropa die letzte migrantenfreie Zone Europas bleibt." - "Zwielicht und uns in der Dunkelheit verbergen, das ist nicht des Ungarn Sache. Wir haben nur eine Chance, im offenen Kampf um unsere Identität zu ringen. Wenn wir ein ungarisches Ungarn und ein europäisches Europa wollen, müssen wir dafür offen eintreten."

 

"Wenn wir es nicht versuchen, kann es nicht gelingen, es gibt immer eine Chance. 1956 haben wir (sic!) die Ehre der Nation gerettet, im Jahr 1990 unsere Freiheit erlangt und im Jahre 2010 (sein Machtantritt) die Vereinigung der Nation begonnen. Es kann also niemand sagen, es ist unmöglich."

"Globalisierung kann gestoppt werden, Finanzspekulationen können verhindert werden, Brüssel kann gestört werden ", man werde sich von den "dunklen Kräften" nicht überrumpeln lassen. Er werde den Kampf im kommenden Frühjahr wieder aufnehmen, schloss Orbán seine Rede mit Anklang auf die 2018 anstehenden Wahlen, die ihn als haushohen Favoriten sehen - und das nicht nur aufgrund des maßgeschneiderten Wahlrechts. Unter "Hoch Ungarn!" - "Hoch Orbán!"-Rufen verließ der Premier die Bühne.

Die anderen Parteien gaben ihre üblichen Wortspenden ab, Ex-Premier Gyurcsány pointierte, dass "diese Regierung das einzige Hindernis für die Freiheit Ungarns" sei. Zivilgesellschaftliche Proteste blieben marginal.

Nur leise gedenken manche noch 1956 als Kampf gegen die selbstgerechten Anmaßungen ideologischen Wahnwitzes, den die Mehrheit des Volkes durch Freiheits- und Wohlstandsverlust ausbaden musste. Ein Reformsozialist stand 1956 an der Spitze einer Bewegung die alles mögliche wollte, aber nicht als rhetorische Vorlage für die Selbstermächtigung eines völkischen, antieuropäischen, antiliberalen, kleptokraten Führers herhalten, der sich brüstet, bestimmte Zonen von bestimmten Menschen gereinigt zu haben. Die Idealisten von 1956 sind für Ungarn gestorben. Der “Held” von heute tritt ihr Andenken mit Füßen. - Nur in einem Punkt hat Orbán mehr geleistet als 1956. Die Zahl der Flüchtlinge seiner Politik ist mittlerweile größer als damals.

red.


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