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(c) Pester Lloyd / 49 - 2017      POLITIK       04.12.2017

"Erst Demokratie, dann Geld": EU-Politiker fordern Zahlungstopp für Ungarn

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erhielt dieser Tage einen Brief, in dem mehrere Ex-EU-Kommissare sowie der frühere deutsche Finanzminister Eichel die Kommission auffordern, sämtliche EU-Mittel an Ungarn zu sperren bis in dem Land demokratische Grundrechte wiederhergestellt sind und die Korruption bekämpft wird.

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Zu den Unterzeichern des Schreibens, das dem Gemeinschaftssender Euronews zugespielt wurde (
hier ein Faksimilie in Englisch bei 24.hu), zählen neben Ex-Finanzminister Deutschlands, Hans Eichel, auch die früheren EU-Kommissare Pascal Lamy, Franz Fischler und Yannis Paleokrassas. Sie fordern nicht nur die Suspendierung der EU-Mittel, sondern deren direkte Vergabe durch die Kommission bei Umgehung der Regierung Orbán und der von ihr gleichgeschalteten Behörden.

Orbán wird vorgeworfen, die EU-Mittel für politische Zwecke zu missbrauchen und "zu planen 2017 und 2018 fast das gesamte für Ungarn bereitstehende EU-Geld der Finanzperiode 2014-2020 auszugeben. Das Ziel ist klar: Fidesz zum Wahlsieg im Frühjahr 2018 zu verhelfen, ohne Rücksicht darauf, was nach 2018 geschehen wird, wenn das meiste Geld aufgebraucht sein wird." 95% der öffentlichen Investitionen in Ungarn werden von der EU kofinanziert.

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Herr Orbán, die Rechnung bitte!

Hinzu kommt, dass die Fidesz-Regierung "das gesamte institutionelle und rechtliche System in einer Weise transformiert hat, dass es leicht macht, einen substantiellen Teil der EU-Gelder direkt oder indirekt an bestimmte geschäftliche oder politische Kreise zu vergeben, egal, ob das den Interessen der ungarischen Gesellschaft entspricht oder nicht oder den Zielen der EU folgt." Die Unterzeichner zählen einige der kritisierten Missstände auf: Schlüsselinstitutionen wie die Generalstaatsanwaltschaft und das Verfassungsgericht wurden praktisch von Fidesz übernommen, die Verfassung wurde Parteiinteressen angepasst. Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt, die überwältigende Mehrheit der Medien ist in der Hand der Partei.

Der Zugang der Bürger zu amtlichen Informationen (Informationsfreiheit) wurde durch mehrere Gesetze ernsthaft beschnitten. Die Bedingungen die Hochschuldbildung wie das Pflichtschulwesen sowie für die Zivilgesellschaft seien kritikwürdig, speziell wegen des Anti-CEU- und Anti-NGO-Gesetzes. Als Beleg für die institutionalisierte Korruption führen die Autoren unter anderem den Umstand an, dass sich Ungarn weigert an der wichtigsten Anti-Korruptions-Maßnahme der EU, der Schaffung eines zentralen öffentlichen Anklägers in Europa teilzunehmen.

 “Wir dürfen keine Korruption finanzieren, wir dürfen korrupte Regime nicht mit EU-Geld am Leben erhalten. Dennoch müssen wir gleichzeitig unterentwickelte Regionen fördern - aus Solidarität. (...) Dazu bedarf es eines viel transparenteren, berechenbareren und beaufsichtigten Systems." Die derzeitige Situation erfordere eine "zeitweise Suspendierung". Das Geld werde für Ungarn nicht verloren gehen und ausgezahlt, "sobald grundlegende demokratische Freiheiten wiederhergestellt und Korruption bekämpft wurden."

 

Der Brief richtet sich indirekt auch gegen die Doppelmoral, dass die in den EU-Institutionen, vor allem im Rat der Regierungschef dominierende EVP Verstöße gegen die EU-Grundwerte seitens Polen kritsiert und gegen diese auch im Rahmen eines Grundrechte-Monitorings vorgehen will, Orbáns Ungarn aus innerparteilicher Kameraderie aber ausspart, wiewohl der Abbau demokratischer Mechanismen und rechtsstaatlicher Garantien, die Angriffe auf Pressefreiheit, Freiheit der Lehre, der Selbstbestimmung ganzer Bevölkerungsgruppen sowie die Etablierung einer Kleptokratie außerhalb europäischer Normen dort ihren Anfang nahm und als Blaupause für die Vorgänge in Polen gelten müssen. Mehr dazu hier.

Die ungarische Regierung spricht von einem "offensichtlichen politischen Angriff der Soros-Maschinerie", die Vorwürfe hätten "keinen Bezug zur Realität" und die Drohung würde ins Leere laufen, da sie die erforderliche Einstimmigkeit "niemals" erlangen würde.

red.


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