Hauptmenü

 

Unabhängiger Journalismus braucht die Hilfe seiner Leserinnen und Leser! - Was wir beim PESTER LLOYD vorhaben und wie Sie uns helfen können...

 

PESTERLLOYD BANNER590X60PX-AUB7 (2)1

www.andrassyuni.eu

 

(c) Pester Lloyd / 47 - 2017      GESELLSCHAFT       20.11.2017

Härte am Fließband: Eine ungarische Richterin rechnet ab

1747birosag
Die Strafrichterin Veronika Dénes ist in den vorzeitigen Ruhestand gegangen, weil sie "nicht mehr daran glaubt, dass das Wort Recht in Ungarn die Bedeutung hat", die es haben sollte, sagte sie in einem Interview im Wochenmagazin HVG. Die Richterin war landesweit bekannt wegen ihrer teils ungewöhnlichen Urteile geworden. So bestrafte sie Holocaustleugner anstatt mit Haft mit dem Studium einschlägiger Literatur oder dem Besuch von Gedenkstätten.

In Summe stellt sie dem ungarischen Rechtssytem unter Orbán ein schlechtes Zeugnis aus. Die Zuteilung bestimmter Fälle an bestimmte Richter seitens der obersten Richteraufsicht, die der Frau des Fidesz-EU-Parlamentariers und Verfassungs-Designers Szájer unterstellt ist, die verhörartige Auswertung von Urteilen durch Vorgesetzte und das "allgemeine Klima der Angst" habe sie "körperlich und emotional ausgelaugt". Sie glaubt nicht mehr an eine unabhängige Justiz in Ungarn.

Dénes sah eine Art Obrigkeitsgerichtsbarkeit heranwachsen, immer mehr Kleine "hängt" man, während die Großen nie vor Gericht kamen. "Ich hatte meistens Fälle von erniedrigten, verletzbaren und unglaublich armen Menschen zu verhandeln. Oft ging es auch um Missbrauch in der Familie und Kindesgefährdung. Aber auch Fälle von minimalen Diebstählen aus Supermärkten. Es fühlte sich für mich nicht mehr richtig an, Leute abzuurteilen, die 200 Gramm Käse oder Brühwürfel gestohlen hatten." Ihr sei aufgefallen, dass über die Jahre die Anklagen dazu enorm zugenommen haben. Sie lässt offen, ob das an steigender Armut oder der Anklagepräferenz der Staatsanwaltschaft liegt. "Doch so verlor das Wort Recht für mich immer mehr Bedeutung."

Zum Thema Verbrechen aus Hass, sie seien "oft das Ergebnis von mangelnder Bildung, deshalb dachte ich, es sei gut, junge Holocaustleugner mit den Ereignissen dieser Zeit zu konfrontieren. So stellte ich einen Angeklagten vor die Wahl: wenn er eine Bewährungsstrafe statt Haft auffassen will, müsse er drei Mal das Holocaust-Center in der Páva Straße oder Auschwitz oder Yad Vashem besuchen und mir dann eine Präsentation anfertigen, was er dort gesehen hat. Er entschied sich für die zweite Variante, doch die Berufungsgerichte kassierten mein Urteil mit der Begründung, dass es nicht Aufgabe eines Richtes sei `ideologische Vorgaben` zu machen." Ich hatte das hinzunehmen, verlangte von den Angeklagten aber weiterhin, Bücher über den Holocaust oder die Roma zu lesen.

 

Dénes sieht die Aufgabe eines Richters nicht darin "Kriminelle einfach in den Knast zu stecken." Ihr Job sei, "Regeln, basierend auf dem Gesetz durchzusetzen" und das "im Einklang mit unserem Wissen und Gewissen". "Härte ist nicht immer das Mittel, dieses Ziel zu erreichen". Sie bevorzugte, dort wo es möglich war, Bewährungsstrafen, wobei ihre geringen Rückfallraten ihr Recht gaben.

Auf die Frage, wie sich das Richterwesen seit 2010 geändert habe, sagt sie, dass die Richter "mit Fällen überladen werden" und das "gesteigerte interne Berichtswesen" die Eigenständigkeit, also Unabhängigkeit der Richter "verringert" habe. Der Pester Strafgerichtshof ist nach Anzahl der Fälle das zweitgrößte Gericht Europas. "Richter, die viele Fälle abarbeiteten und ihre Berichte pünktlich lieferten gelten als gute Richter". In einem Jahr habe sie über 330 Fälle gehabt, während Gerichte auf dem Land teilweise nur 30 Fälle pro Richter bearbeiten müssen.

Mehr zum Thema Justiz in Ungarn:

Tod dem Hühnerdieb...
Das neue Strafrecht in Ungarn als Instrument der Politik


Juristische Rückendeckung für den Orbán-Staat: Ungarn bekommt ein Verwaltungsgericht

"Kompromiss" zu Zwangspensionierung von Richtern in Ungarn

Kampf der Gewalten: Wie die Politik in Ungarn gegen die Unabhängigkeit der Justiz vorgeht - an 7 Fällen

red.


Sie möchten die Arbeit des Pester Lloyd unterstützen?
Mit einer Spende oder einem Soli-Abo garantieren Sie die Unabhängigkeit unserer Zeitung
Infos




 




 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

 

 

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854