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(c) Pester Lloyd / 16 - 2018 GESELLSCHAFT 14.04.2018
"Wir sind das Volk": Großdemonstration gegen Orbán, Lebenszeichen des "anderen Ungarn"
Update 20:45 Uhr: Mit Reden, Sprechchören, Zigtausenden in die Höhe gehaltenen Handys wie schon bei den letzten Großdemos gegen die Internetsteuer sowie dem Singen der ungarischen und der europäischen (!) Hymnen geht die Veranstaltung zu Ende, einige zogen gen Oktogon weiter für ein Sit in. Die Veranstaltung blieb - entgegen dem Wunsch der Hofpresse - völlig friedlich über die Bühne, man hat sich für kommenden Samstag wieder verabredet. Hauptforderungen: 1. Ein proportionales Wahlrecht, 2. Ablösung von Generalstaatsanwalt Péter Polt und Einsetzung einer unabhängigen Antikorruptionsbehörde (wie in Rumänien), 3. Fidesz-Leute raus aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. - für den Anfang.
Update 19:00 Uhr: Die Demonstranten schlendern zur Zeit friedlich Richtung Kossuth tér zum Parlament. Der Artikel wird hier aktualisiert.
Fotos: index.hu, HírTV __________________________
+ + + Erstbericht 18.49 Uhr + + +
Der Treffpunkt Ungarische Staatsoper war für die meisten Demoteilnehmer nicht erreichbar, denn die Menschenmassen füllten am Samstag ab halb sechs den Andrássy Boulevard auf rund einem Kilometer vom Deák tér bis zum Oktogon. Die Menschen kamen aus ganz Ungarn, es waren sehr viele junge Leute dabei, Ungarn- und EU-Fahnen beherrschten die Farbpalette.
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Auch im Ausland, in London, Berlin, Brüssel und anderen Städten fanden Solidaritätskundgebungen teil. Die Angaben über die Teilnehmerzahlen in Budapest schwanken zwischen 40.000 und 100.000. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Angesichts der sonstigen Lethargie der oppositionellen Kräfte und der kurzen Organisationszeit eine akzeptable Masse, wenn auch nicht der landesweite Massenaufstand, den sich mancher wünschte. Der Schock sitzt noch zu tief. Es sagt auch viel über die Oppositionsparteien, dass nicht eine von ihnen, sondern ein einzelner Student die Demo organisierte und diese Massen mobilisierte.
Die Slogans auf dem Demozug reichten von "Das Volk kann man nicht verbieten!" über "Magyar Nemzet!" bis "Wir sind die Mehrheit, wir sind das Volk", nicht fehlten die üblichen "Viktátor", "Klempner!" (Anspielung auf Orbáns Milliardärs-Strohmann Mészáros) und andere satirische Insider.
Was wollen die Demonstranten? Sich nicht abfinden, dass mit Hilfe eines getunten Wahlrechts und medial manipulierten Wahlen eine Regierung glaubt, sie habe eine Freifahrtsschein, um die letzten Reste von Demokratie und Freiheit in Ungarn nach ihrem Gutdünken zu beseitigen und das Land Stück um Stück aus der Gemeinschaft Europas zu entfernen. Orbáns 2/3-Mehrheit der Mandate und die fast 50% auf den Parteilandeslisten stüzen sich auf rund 36% der Wahlberechtigten, auf der er seinen kleptokratisch-völkischen Ständestaat aufbaut, der gegen Grundrechte und gegen die EU gerichtet ist, Hass gegen Andersdenkende, Flüchtlinge und unter den Ungarn schürt. Zahlreiche Ungereimtheiten beim Ablauf der Wahlen regten außerdem auf.
Wie als Beleg stiftete die regierungsnahe Presse vor der Demo entsprechend Panik, sprach von bezahlten Söldnern Soros` und warnte mit blutrünstigen Szenarien vor gewaltbereiten Demonstranten. Nichts davon entsprach der Wahrheit, die Menge war wütend, aber blieb friedlich.
red.
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