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(c) Pester Lloyd / 07 - 2019   GESELLSCHAFT       11.02.2019


Mercedes-Stern als Mutterkreuz: Ungarn will Babyboom erkaufen

Ein 7-Punkte-Plan zum "Familienschutz" soll viele neue, - christlich-magyarische - Babys und dann Arbeitskräfte (er)zeugen. Das sei Ungarns Antwort auf die demographischen Veränderungen "anstelle Einwanderung" so der Kern von Orbáns "Rede zur Lage der Nation". Der frauenfeindliche Plan, eines reaktionären Ständestaates würdig, wird auch diesmal nicht funktionieren. Ansonsten geht es zumindest Orbán aber prima, denn Merkel schützt ihn und Brüssel bezahlt ihn, muss sich dafür aber wieder beleidigen lassen. Schwache Proteste der Opposition.

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Premier Orbán nach seiner Rede, mal wieder von sich selbst gerührt. Foto: MTI

Die Pläne zum "Familienschutz" unter der Abkürzung CSOK, die Orbán am Sonntag vortrug, sehen vor: Jede Frau unter 40 Jahren habe "bei Erstverheiratung" Zugang zu einem Kredit von bis zu 10 Millionen Forint (ca. 31.300 Euro) unter "privilegierten Bedingungen" (Zinsen), zur freien Verwendung, auch zum Kauf Wohneigentums aus zweiter Hand (war bisher nicht möglich). Davon übernimmt die Regierung 1 Million Rückzahlung ab dem zweiten Kind (bisher ab dem dritten), 4 Mio. ab dem dritten und eine weitere Million bei jedem weiteren. Frauen, die vier Kinder in die Welt setzen werden lebenslang von der Einkommenssteuer befreit. Familien mit drei und mehr Kindern bekommen Anspruch auf eine Subvention von 2,5 Millionen Forint (7.800 Eur), für den Kauf eines Autos, wenn dies ein Siebensitzer ist. Großeltern erhalten das Recht auf die gleichen Zuschüsse zur Kinderbetreuung wie Eltern, wenn sie die Aufsucht übernehmen, damit die Eltern arbeiten gehen können. Bis 2022 sollen 21.000 neue Krippenplätze geschaffen werden und dann ein Anrecht auf einen Platz für jedes Kind bestehen.

 

Orbán umrahmte diese Ankündigungungen mit dem üblichen bunten Blumenstrauß von Lügen und Huldigungen, welch nationale Einheit und Anstrengung hinter seinem Erfolg stünden, die Ungarn wieder Vertrauen in sich und ihre Zukunft hätten, während sonst das Soros-Europa sich rassisch vermischen lasse, seine Identität verliere und ohnehin kurz vor der Auslöschung stehe, wenn sich bei den kommenden Europawahlen nicht "der Mehrheitswille der Menschen" durchsetze. Die heimische Opposition seien alles Soros-Söldner und Ungarn werde zeigen, dass sein Weg der einzig wahre sei, um das christliche Abendland zu retten. Denn die EU wolle "die Nationen beseitigen, so wie der Kommunismus es wollte." Worin der Gewinn des Nationalismus Orbánscher Prägung für die Menschheit liege, ließ er allerdings im Ungefähren.

Zurück zur Hautpsache der Rede: Was bedeutet die Offensive in der Familienpolitik Orbáns?

1. Sie belegt das Scheitern der bisherigen
Fidesz-Familienpolitik seit 2010, sonst wären die neuen Maßnahmen ja nicht nötig, setzt aber gleichzeitig auf die gleichen Instrumente: finanzielle Anreize für die Eltern. Dennoch geht die Bevölkerungszahl kontinuierlich zurück, die Reproduktionsrate liegt noch unter der deutschen.

2. Orbáns Familienpolitik ist diskriminierend: Häuser, Autos und andere "Anlageobjekte" können sich nur Familien leisten, die Zuschüsse also "genießen", die über ein gewisses Mindesteinkommen verfügen, denn der Kredit, wenn auch gefördert, muss ja bezahlt werden. Das schließt das "untere Drittel" der Gesellschaft aus, zufällig damit auch einen Großteil der Roma-Frauen, die aus sozialen Gründen häufiger kinderreich sind, aber offenbar nicht ungarisch genug.

3. Orbáns Familienpolitik ist frauenfeindlich: Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht gebären können, aus Gründen der Lebensplanung nicht wollen, Wiederverheiratete oder Mütter ohne Trauschein werden ausgeschlossen, sind nach Orbáns Ideologie also weniger wert als arbeitsame, gebärfreudige Frauen nach katholisch-kalvinistischem Muster. Wer jedoch in den "Genuss" der Maßnahmen kommt, ohne über ein finanzielles Sicherheitsnetz zu verfügen, wird in eine lange finanzielle Abhängigkeit gelockt, seine Lebensplanung durch die "Anreize" forciert. Die Frau hat in Orbáns Ungarn eine Rolle zu erfüllen, sich nicht selbst zu verwirklichen.

4. Orbáns Familienpolitik verfehlt ihr Ziel weiter: Die Maßnahmen ändern nichts an der Tatsache, dass es für junge Menschen, vor allem Absolventen und qualifizierte Facharbeiter in Ungarn wenig würdige Arbeit gibt. Seit 2010 sind rund 800.000 vor allem junge Ungarn in den Westen abgewandert, weil sie in Ungarn zu wenig Geld verdienten und zu allgemein prekären Arbeitsbedingungen und -recht arbeiten mussten. Aber auch, weil sie die Einschränkungen im Hochschulwesen und zunehmende ideologische Gängelung nicht mehr wollten.

5. Orbán kann der neuen Generation mit seiner sogenannten "Arbeitsgesellschaft" nichts bieten: Denn diese prekären Bedingungen zu ändern, liegt kaum in seiner Macht. Löhne und den Rhythmus deren Anpassung, ja auch die Arbeitszeiten (siehe "
Sklavengesetz") diktieren die Bosse der großen Investoren wie Audi, Daimler, BMW und Co. sowie die Fidesz-Günstlingsindustrie, die ihn finanziert. Orbán hat für sie lediglich gesetzlich günstige Rahmen zu schaffen, die Justiz vom Hals zu halten, finanziell von unten nach oben umzuschichten, Arbeitskräfte heran zu holen und auszubilden, ob nun aus Ungarn, der Ukraine oder sonstwo, scheint egal - je höher die Fallhöhe der Arbeitskräfte, umso folgsamer. Dafür bekommt Orbán politische Deckung durch die EVP-Automobillobby (Merkel) in Brüssel und fließen die dortigen Subventionen weiter. Die ideologische Kontrolle des Schul- und Ausbildungswesens indes ist aus seiner Sicht nötig, um die richtigen Werte zu vermitteln und die Wählerbasis der Zukunft zu sichern.

6. Profitieren werden von CSOK Schichten, die sich Auto und Haus ohnehin leisten könnten, also eine Art staatlich subventionierte Mittelschicht, die ungarische Traumfamilie, die dann aus Dankbarkeit für Orbán propagiert und ihn natürlich auch wählt. Die Stärkung dieser ständestaatlichen Strukturen ist das eigentliche Ziel dieser "Familienpolitik".

Rund 1.500 Menschen protestierten in der Nähe von Orbáns Amtssitz in der Burg am Sonntag gegen dessen Rede. Aufgerufen hatte das Bündnis von links bis ultrarechts, das seit Dezember ("Sklavengesetz") mobilisiert, aber an Fahrt verliert. Alle Redner sind sich einig gewesen, dass Orbáns Politik nun endgültig megalomane Züge eines Diktators aufweist. Die Opposition bejammerte, wie sie an der Arbeit gehindert würde, Ex-Premier Gyurcsány rief zur "Revolte" auf, diese sei eine "patriotische Pflicht".

red.

 



 

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