Aus dem Archiv des Pester Lloyd

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Aus dem Pester Lloyd von 1910

F. W. Brepohl: Die Zigeuner in Ungarn
Stefan Bársony: Unsere Zigeuner - eine Erwiderung

Ziegeunerstempeln: Die Gipsy-Lore-Society, welcher der Autor des ersten der folgenden Beiträge, F. W. (Friedrich Wilhelm) Brepohl, angehörte, wurde 1888 in England als Wissenschaftsvereinigung zur Erforschung der "fahrenden Völker" gegründet und existiert noch heute. Sie hält jedes Jahr an wechselnden Orten eine große Tagung ab (2002 in Ungarn), auf der neben ethnologischen auch zunehmend soziale und integrative Aspekte des "Zigeunerproblems" erörtert und publiziert werden. In dem Text erfahren wir interessante geschichtliche Hintergründe, wie die Mehrheit mit den “fahrenden Gesellen” umging und sehen erschreckende Parallelen ins Heute. Anlass war der Wunsch eines ungarischen Komitates, Zigeuner zu stempeln und ihnen die Pferde wegzunehmen.

Der nachfolgende Text von Stefan Bársony vom 23. März 1910 ist eine direkte Replik auf die Ausführungen Brepohls im Pester Lloyd vom 16. März 1910. Er zeigt, wie tief verwurzelt in bürgerlichen Kreisen die Vorstellungen von der Existenz höher -und tieferstehender Nationen und Rassen waren und sind. Ein Rassismus, dem man heute nicht nur subtil sondern oft noch eben so direkt und unverblümt als lebendige Vorurteile in weiten Teilen der ungarischen Bevölkerung, relativ unabhängig von politischer Zugehörigkeit oder Bildungsgrad, begegnet, auch dadurch bedingt, dass es in der Nachwendezeit nicht gelungen ist, die Integration dieser größten ethnischen Minderheit in sichtbar taugliche Bahnen zu lenken.

So traurig und alarmierend die tagtäglich vermeldeten Auswüchse der Inhumanität auch sind, existieren doch unübersehbar massive Probleme im Zusammenleben mit dieser durch uns asozialisierten Volksgruppe, die bis heute nicht recht lösbar scheinen. Ob die soziale Ausgrenzung und die weitgehende Vermeidung von Kommunikation mit diesen Bürgern mit ungarischem Pass (Ungarn also!) jedoch eine Lösung herbeiführen kann, das lehrt die hier dokumentierte Geschichte, mit Bestimmtheit verneint werden. Die punktuelle Pseudohilfe durch Bildungsprogramme brachte jedoch auch nichts.

Nach dem Autor des zweiten Textes, István Bársony, 1855-1921 (er arbeitete nach juristischer Ausbildung als Journalist und freischaffender Schriftsteller, der hauptsächlich Jagderzählungen und Skizzen aus dem ländlichen Leben und Naturbücher fabrizierte) wurde im Jahre 1991 eine Fachschule für Agrarwirtschaft im Komitat Csongrád benannt, eben jenem Ort in dem 1910 der Beschluss gefasst wurde, Zigeuner zu "stempeln" und ihnen die Pferde abzunehmen. In Ungarn existiert heute zudem eine Bársony-Stiftung, die sich mit Jagd-, Natur- und Heimatthemen befasst.Von einem Herrn Brepohl weiß indes hier niemand mehr, während Barsóny in dem Fidesz-Mitglied, Publizsiten und Freund des Premiers Orbán, Zsolt Bayer, seinen (un)geistigen Nachfolger fand. m.s.

F. W. Brepohl

Die Zigeuner in Ungarn

Eine vor Monaten unter dem Vorsitz des Grafen Géza Mailáth tagende Konferenz zur Beratung der Zigeunerfrage in Ungarn (zu Csongrád) beschloß auf Vorschlag des Barons Alexander Jeßenßky, eine Eingabe an die Regierung zu richten, man möchte doch den Zigeunern alle Wagen und Pferde abnehmen, um sie dadurch zum Aufgeben des Nomadenlebens zu zwingen. Auch sollen ihnen alle Waffen und Messer abgenommen werden, ferner solle man jedem Zigeuner eine einem sichtbaren Teile des Körpers eine Nummer abstempeln, um so eine Kontrolle derselben zu ermöglichen.

Diese Nachricht hat die Zigeunerforscher und Ethnologen Europas einigermaßen überrascht. Hatte doch bisher Ungarn den  R u h m, diesem Volk gegenüber unter allen Kulturvölkern Europas die humanste Stellung eingenommen zu haben. Hoffentlich lehnt auch die ungarische Regierung den sonderbaren Vorschlag ab. Würde doch dessen Ausführung die Errungenschaften bedeutender Zigeunerforscher, unter denen Ungarn hervorragende Männer geliefert hat, in ihrem Wert herabmindern. Nicht dazu haben ein Erzherzog Josef, ein Professor Dr. Hermann, ein Dr. Heinrich von Wislocki und ein Franz Liszt mit solcher Aufopferung und Liebe sich dem Studium der Eigenart und des inneren Lebens dieses Volkes ergeben (Liszt löste im Pester Lloyd einen großen Disput aus, in dem er in einer Aritkelserie, die später als Buch veröffentlicht wurde, die These aufstellte, die ungarische Volksmusik sei nichts originäres, sondern im wesentlichen eine Adaption von Zigeunerweisen.

Eine musikwissenschaftlich mittlerweile, auch durch die Forschungen Bartóks widerlegte These, die aber in der Zeitung zu grundsätzlichen Überlegungen über das Verhältnis und den Grad der Verwandschaft der Ungarn mit "den" Zigeunern führte, Anm.), um am Ende nichts weiter hervorzubringen, als eine gesetzliche Maßregel, die an das Mittelalter erinnert und die eines Kulturvolkes, wie das der Ungarn, unwürdig ist. Die Aufopferung jener Männer verdiente es wahrhaftig, mehr beachtet zu werden, als es auf der Csongráder Konferenz geschehen ist. Dort scheint man nur die Schattenseiten und die dismoralische Qualifikation der Zigeuner erwogen zu haben. Jedenfalls wäre man nicht zu diesem Schluß gekommen, wenn man genügend die Ergebnisse historischer und ethnologischer Forschung beachtet hätte. Gerade Ungarn nimmt ja in der Geschichte der Zigeuner eine humane Stellung ein.

Nachdem der Reichsabschied des deutschen Reichstages von 1497 (§21) die Zigeuner des Landes verwiesen hatte und der Reichstag von Freiburg 1498 sie für vogelfrei erklärte, war es der edle Graf Georg Thurzó, Palatin von Ungarn, der diesem gequälten und gejagten Volk in Ungarn ein gastlich Asyl gab und ihnen einen Freibrief ausstellte. Diese Tat Thurzós wird der ungarischen Nation bei allen humandenkenden Völkern und Kulturmenschen zu dauerndem Ruhme gereichen. Während andere europäische Völker mit eiserner Faust die Zigeuner bedrückten, brandmarkten und töteten, war es Ungarn, das dank der weisen Einsicht seines Palatins menschlich mit ihnen verfuhr. Während zu Anfang des 18. Jahrhunderts der König Friedrich Wilhelm I. von Preußen befahl, daß die Zigeuner, welche preußische Staatsgebiete betreten und über achtzehn Jahre alt seien, ohne weiteres und ohne Unterschied des Geschlechts am Galgen aufgeknüpft werden sollten, während die Grafschaft Reuß in einer Verordnung von 1711 befahl, daß alle männlichen Zigeuner, einerlei, ob mit Pässen versehen oder nicht, ohne weiteres zu erschießen seien, wenn sie in reußischen Landern ergriffen würden, die Weiber derselben aber mit Ruten gepeitscht und ihnen der Galgen an die Stirne gebrannt werden sollte, waren es die ungarischen Behörden, die auf Grund des Freibriefes des Grafen Thurzó und der siebenbürgischen Fürsten sie gastlich aufnahmen.

Die Stadt Brassó z.B. schenkte im Jahre 1416 ihnen Federvieh, Frucht aus den Stadtkammern und zehn Denar. Franz Liszt lobte diese Tat der Ungarn als eine humane und sagt, daß nur das ungarische Volk ein menschliches Empfinden für dieses geplagte und gehetzte Volk gehabt habe. Dem ungarischen Volk sei es auch zu verdanken, daß die Zigeuner sich zu solch musikalischer Kunstfertigkeit hätten aufschwingen können.

Man fragt sich nun billig, ob ein Vorschlag wie der der Csongráder Konferenz, welcher geeignet ist, das Ansehen der ungarischen Nation und den Ruf ihrer Humanität zu schädigen, einen praktischen Wert hat. Die Geschichte lehrt, daß bei Zigeunern harte Bedrückungen und Maßregelen von unmenschlicher Strenge keinen Wert hatten. Die schon erwähnten Verordnungen von Reuß und Preußen fruchteten in diesen Ländern nichts. Je mehr man das Volk drückte, je mehr es sich mehrte. Diese alte Bibelwahrheit erfüllte sich an den Zigeunern. Eine sechshundertjährige Geschichte dieses Volkes in Europa lehrt, daß dadurch die Plage, die von diesem Volke ausgeht, keineswegs aus der Welt geschafft wurde. Der reußische Kriminalrat Liebich sagt über die Behandlung der Zigeuner: "Man muß sich billig wundern, daß die Zigeuner bei so hartherziger und grausamer Behandlung nicht noch weit bösartiger und feindlicher gesinnt gegen Menschen anderer Art geworden sind, als sie jetzt wirklich erscheinen. Überhaupt hat die christliche Zivilisation im Grunde noch sehr wenig, oder was dasselbe ist, noch nicht das Rechte getan und tut auch heutigen Tages noch sehr wenig, um das arme Volk der Zigeuner zu sich zu erheben." Liebich hat recht. Die zivilisierten Völker haben es an der richtigen christlichen Humanität diesem Volke gegenüber fehlen lassen, n der Meinung, daß dasselbe einem höheren Einfluß unzugänglich sei. Aber schon der Forscher Grassunder kam zu der Ansicht, daß auch dieses Volk höheren Einflüssen zugänglich sei. Diese Ansicht wird von vielen Zigeunerforschern geteilt. Sie war es, die zuerst in England und in Nordamerika der Auffassung Bahn brach, daß eine Erforschung dieses Volkes notwendig sei, um dasselbe missionieren und christlich erziehen zu können. Das hat zu einer großen englischen Zigeunerliteratur geführt. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war es George Borrow, der ihren Charakter, ihre Sprache studierte, mit priesterlicher Klugheit und mit sinnigen mütterlichen Umschweifen ihnen die Glaubenssätze und Ideen des Christentums über das Gute und Böse einpflanzte und mit Zärtlichkeit diesen vernachlässigten, mit Unkraut überwucherten Seelen Bruchstücke der frohen Botschaft des Evangeliums verstehen und ausüben lernte. Borrows Arbeit unter den Zigeunern Spaniens ist für diese die Grundlage einer moralischen Besserung und eines Aufschwunges geworden.

Bekanntlich hat auch die edle Königin Maria Theresia versucht, dieses Volk zu christianisieren und ethisch zu heben, indem sie 1761 versuchte, die Zigeuner im Banat als Neuungarn ansässig zu machen und sie zwangsweise taufen ließ. Liszt sagt hiezu: "so besonders wohlwollend auch die Sorgfalt war, welche die große Fürstin der Regierung ihres treuen Ungarlandes widmete, das ihr durch diese Horden ohne Treue und Gesetz, ohne Haus und Herd beunruhigt zu sein schien, so konnte sie unmöglich weder Muße haben, sich zu erkundigen, noch die Gelegenheit, zu erfahren, welcher Geist diese Elenden, die nicht nur auf der niedrigsten Stufe der Gesellschaft, sondern fast unter derselben standen, tatsächlich belebte. Wie wäre es möglich gewesen, nicht als die verächtlichste und letzte aller Menschenklassen zu betrachten, da natürlicherweise ihre ganze Nation und sämtliche Ratgeber in dieser Ansicht übereinstimmten. Wie hätte es ihr jemals einfallen können, sich die Frage vorzulegen: Wer sie seien? Und warum sie das seien, was sie sind? Die Jahrhunderte hatten die Geringschätzung, die ihnen erwiesen wurde gleichsam sanktioniert... Die fromme Königin glaubte sehr gütig gegen sie und voll Mitgefühls zu sein - sie zu taufen und ihnen die Polizei als Paten zu ihrer Taufe zu laden." Die Versuche Maria Theresias scheiterten an der rein gesetzlichen Ausführung, da das innere Wesen der Zigeuner noch nicht genügend erforscht war. Was uns keineswegs zu wundern braucht. Selbst der strenge Befehl Maria Theresias von 1767, daß die Kinder den Eltern entrissen und zwangsweise erzogen werden sollten, blieb ohne Erfolg. Ebenso erging es mit den Versuchen Josefs II. Das Hauptregulativ Josef II von 1783 ist durchdrungen vom hohen Geist dieses Monarchen, aber leider, leider fehlte auch ihm sowohl die historische wie ethnologische Kenntnis des Zigeunerwesens. Seine Verfügung hat etwas Ähnlichkeit mit dem Beschlusse der Csongráder Konferenz. Das Führen von Pferden war ihnen untersagt, desgleichen der Pferdehandel. Gebrauch der Zigeunersprache und Eheschließung untereinander wurde strengstens verboten. Denselben Erfolg hatten Versuche von Seiten der ungarischen Geistlichkeit in den Jahren 1850 bis 1860, die Zigeuner zu einem "gesitteten Leben zu erziehen". Der Bischof von Szatmár, Johann Hám, der 1857 eine Schule für Zigeunerkinder stiftete,  und Pfarrer Farkas zu Ersekújvár, der eine Erziehungsanstalt gründete, mußten diese wieder aufheben, da auch sie zu wenig Kenntniß von dem Wesen der Zigeuner besaßen und einsahen, daß eine rein mechanische Erziehung unmöglich war.

Genau so würde es mit der Ausführung der Beschlüsse der Csongráder Konferenz gehen. Rein mechanisch ist dieses Volk nicht zu erziehen. Die Konferenzbeschlüsse würden dem Staat ohne jeglichen Nutzen nur hohe Kosten auferlegen. Die Fortnahme der Pferde muß naturgemäß eine Erbitterung bei den braunen Gesellen hervorrufen, und würde daher die Verschlagenheit derselben eher fördern, als die Leute moralisch bessern. Ehrlichkeit wird durch äußeren Gesetzeszwang nicht geschaffen, sondern nur durch Herzensbildung und Ethik. Was nützt es, ihnen die Waffen wegzunehmen, da dieselben doch in jedem Laden zu haben sind. Man denke nur auch an den Mißerfolg, den das Deutsche Reich hatte, als es den Eingeborenen seiner Kolonien Waffen wegnehmen ließ. Und dabei war das Deutsche Reich noch so vorsichtig, eine Geldentschädigung für die Waffen zu geben. Die Anbringung einer Nummer würde die Zigeuner aber wieder zu Parias stempeln und sie ihrer Menschenwürde berauben. Wir brauchten uns nicht zu wundern, wenn die Erbitterung dieses Volkes sich derart steigern würde, daß sie zu einer noch schlimmeren Plage für Ungarn als bisher heranwüchsen.

Wäre es nicht besser, eine spätere Konferenz und auch die ungarische Regierung zöge in Betracht, was die Forschung des Zigeunerwesens ergab, und versuchte auf Grund dieser Forschungen dies Volk in human-christlicher Weise zu beeinflussen? Die seit Jahren gemachten Versuche der Regierungen, dieses Volk ansässig zu machen, werden erst dann wirklichen Wert erlangen, wenn es gelingt, dies Volk nicht nur äußerlich zum Christentum heranzuziehen, sondern ihm auch eine ethische Grundlage zu geben. Die ethnologische Forschung des Erzherzogs Josef, Wlislockis und anderer haben zur Genüge ergeben, daß auch dieses Volk reges seelisches Innenleben besitzt.

Wird auf diesen fruchtbaren Boden ein guter Same gestreut, nicht mit Gewalt und Gesetz, sondern getragen von Liebe und wahrer Humanität, dann geht er auch auf. Die Frucht dieser Arbeit wird sein, daß die Zigeuner zu nützlichen Gliedern der ungarischen Nation und brauchbaren Werkzeugen der menschlichen Gesellschaft werden. Was hätte Ungarn davon, eine seinem Lande ein nach Zehntausenden zählendes Volk zu besitzen, welches Gehorsam gegen die Gesetze heuchelte und dabei im Herzen doch grimmige Feindschaft und Rachegedanken hegte?

Hier liegt ein weites Wirkungsfeld für solche Glieder ungarischer Kirchen - einerlei ob protestantisch, katholisch oder orthodox -, die von wirklicher Liebe und religiöser Überzeugung durchdrungen sind. Franz Liszt machte den christlichen Kirchen den Vorwurf, daß während sie in allen heidnischen Ländern missionieren, sie doch des unter sich lebenden Volkes der Zigeuner vergessen haben. Möge recht bald eine Schar wirklich ernster Menschen sich finden, die diesem Volk gute Belehrung geben und Samen in ihre Seelen streuen, der aufgeht und Frucht bringt. solche Arbeit ist nicht vergeblich.


Stefan Bársony

Unsere Zigeuner - eine Erwiderung

(...) Die seiner Auffassung zu grunde liegende edle Absicht des F.W. Brepohl kann nicht bezweifelt werden; dennoch käme es einem Versäumnis gleich, wollten wir nicht auf sein Thema zurückkehren, namentlich um dem ausländischen Publikum bessere Aufklärung zuteil werden zu lassen. Das anerkennenswerte Bestreben des Herrn Brepohl, unsere Zigeuner - natürlich die auch im Auslande sozusagen für "vogelfrei" gehaltenen Wanderzigeuner - für die Gesellschaft zu retten, ihnen aber in erster Reihe eine humanere Behandlung als die bisherige (!) zu sichern, gibt der Sache den Anstrich, als könnte uns in dieser Beziehung ein gerechter Vorwurf treffen. (...) Wozu es leugnen? Die suprema lex ist und war jederzeit das salus rei publicae, das heißt das Heil, der Friede, die Ruhe des Staates. Und wer diese fortwährend nur zu stören such, wer sich jeder Bürgerpflicht hartnäckig entzieht und ausschließlich nur Mißbräuche aller Art zur Basis seines Lebens macht, der muß es sich gefallen lassen, wenn sich die Gesellschaft seiner auf eigene Faust zu entledigen sucht.

Bársony entwirft nach einigen weiteren Vorwürfen an den "äußerst" belesenen aber trotzdem "einseitig" informierten  Brepohl, daß "Studien allein noch kein Problem gelöst" hätten in der Folge eine Theorie von "dreierlei Arten" von Zigeunern:

Die eine Art ist jene, die auch Franz Liszt kannte, und die sozusagen jedermann kennt: der Zigeunermusiker, dessen künstlerische Begabung Franz Liszt wiederholt rühmt. Diese Art ist eine völlig selbständige, und selbst der größte Menschenfreund könnte nicht behaupten, daß ihre Angehörigen in der ungarischen Heimat oder im Auslande schlecht behandelt würden, da sie als interessante Musiker selbst an höfischer Stätte verkehren, auf ihrem Gebiete eine förmliche Spezialität darstellen, da sie beim Spiel keine Noten benötigen und mit ihrer Virtuosität von geradezu faszinierendem Reiz sein können. - Unter diesen finden sich richtige Kavaliere, doch entbehren sie auch des "Ausschusses" nicht; (...) und obgleich sie ein arbeitsscheus, faules Volk sind, arten ihre Fehler doch nicht so weit aus, daß sie nicht einer der traditionellen Beschäftigungen, wie Ziegelschlagen oder Schmiedearbeiten, nachgingen. Zu regelmäßiger Arbeit raffen sie sich aber nur in den seltensten Fällen auf, lieber lassen sie sich von der Sonne bescheinen als daß sie im Hinblick auf den nächsten Tag Arbeit suchen oder verlangen würden. Der musizierende Zigeuner stellt aber eine alte ungarische Spezialität dar, die friedlich , sogar allbeliebt in unserer Mitte lebt...

(...) In die zweite Kategorie gehört der sogenannte "Muldenzigeuner", der eigentlich der arbeitssamste unter seinen Stammesgenossen ist, denn seine Beschäftigung besteht jahraus, jahrein in der Herstellung von Mulden, Trögen, Holzkesseln. Diese Leute werden in Ungarn von niemandem belästigt, so wenig wie sie - dem Vernehmen nach - anderen lästig fallen; man kann im Walde ruhig an ihnen vorübergehen, ohne befürchten zu müssen, daß man niedergeschlagen oder niedergeschossen und dann ausgeraubt wird. Es leuchtet ein, daß diese ihrer nicht viele sind; sie lassen sich kleinen Gruppen bald hier, bald dort nieder, verbringen den Winter zumeist an einem Ort, wo sie sich am heimischsten fühlen, und versteigen sich höchstens zu Schweine- und Hühnerdiebstahl; das aber kommt mitunter auch bei Leuten vor, die keine Zigeuner sind.

Ganz anders liegen die Dinge indessen bei der dritten Kategorie, dem Wanderzigeuner, der an vielen Orten auch walachischer Zigeuner genannt wird. Aus dem vermochte bisher niemand durch Überredung, Bitten, Drohungen, Güte, Strenge, Bekehrungsversuche einen gesitteten Menschen zu machen, der geneigt oder imstande gewesen wäre und ein Mensch in des Wortes eigentlichem Sinne zu werden. Er lebt davon, daß er sich stets an fremdem Gute vergreift; dabei ist es ihm ganz einerlei, ob er das mit List oder Gewalt bewerkstelligen muß. Diese Leute sind keine "Nomaden", denn das Nomadenleben war eigentlich mit harmloser Hirtentätigkeit verbunden... Diese Wanderzigeuner dagegen ist der geschworene Feind alles Lebenden; er bedroht und beraubt alles und jedes, und zwar ständig, ohne sich durch die Furcht vor dem Gesetz irgendwie beugen zu lassen.

Der Autor fährt nun spaltenweise in der Aufzählung der Auswüchse der angeborenen kriminellen Anlagen dieser "Zigeunerart", ("Die kühnste Phantasie vermag keine Scheußlichkeit zu ersinnen, vor diese Menschen zurückschrecken würden.") die wir uns und dem Leser hier ersparen können. Am Ende der über vier Drittel Zeitungsseiten fortgesetzten Tirade des "Manns der Jagd" geht Bársony nun direkt auf die Beschlüsse von Csongrád ein, den Zigeunern  Pferde, Fuhrwerke und alle Waffen und Messer abzunehmen und sie zu brandmarken:

Humanität! Ein schönes Wort, ein herrlicher Begriff! Kann aber jemand als Mensch angesprochen werden, der keinerlei menschliche Pflicht anerkennt, hingegen der geschworene Feind jeglichen menschlichen Interesses ist? (...) Seien wir doch vorsichtig mit Schlagworten und opfern wir nicht das Gemeinwohl der übertriebenen Humanität, zumal solches Beginnen diesem Begriff überhaupt nicht entspräche. Wenn wir - welch ein fruchtbar barbarischer Gedanke! - diesen umherziehenden Bestien die Kinder abnehmen und versuchen würden, sie von einander abgesondert, in diesem Zwecke entsprechenden Instituten oder von bereitwilligen Bürgern zu  M e n s c h e n  erziehen zu lassen, solange sie geformt und erzogen werden können, so würde dies vielleicht, wenigstens zum Teile, gelingen. - Doch eine solche Idee ist ja "mittelalterlich", denn sie bedeutet einen Eingriff in die heiligsten Elternrechte. - Die Indianer, dieses prächtige Volk, diese Muster der Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit, wurden von der "Zivilisation" ausgerottet, weil sie sich nicht genügend zivilisieren wollten. Die Boeren taten niemandem etwas zuleide; sie waren ein gottesfürchtiges, fleißiges Volk und ihr ganzes Verbrechen bestand darin, daß sie den Zielen anderer den Weg verstellten, bis jene "anderen" über sie hinwegstampften. Aber die Wanderzigeuner, diese gefährlichen, unverbesserlichen Feinde alles Bestehenden, die obendrein ein absolut wertloses Menschenmaterial darstellen, sollen wir mit Handschuhen anfassen, sonst ziehen wir uns ihre Ungnade zu und man gibt am Ende noch ihnen Recht!

Nein, geehrter, vertrauensseliger Herr Brepohl, das wäre denn doch zu viel - des Schlechten! Jawohl, Humanität tut hier not, aber in erster Reihe jener Gesellschaft gegenüber, die ungezählten Pflichten nachkommt und sich mit Fug und Recht dagegen sträubt, daß sie von einer, leider aus vielen Tausenden bestehenden wilden Horde drangsaliert wird inmitten des gesitteten Europa, ohne sich dagegen wirksam schützen zu können.

Ein Volksstamm, bei dem alle geschichtlichen Daten - die auch Herr Brepohl gewissenhaft verzeichnet - nur den Beweis liefern, daß er unablässig gemaßregelt werden mußte, ohne daß dies auch nur den geringsten Erfolg hätte, ist wahrhaftig nicht berechtigt, von der nüchternen und logischen Humanität zum Schaden und Nachteil der w i r k l i c h e n  M e n s c h e n  verteidigt, obendrein zu dem Zwecke verteidigt zu werden, damit er bleibe, was er vor Jahrhunderten gewesen und was er bis in alle Ewigkeit bleiben wird, da er anders überhaupt nicht sein kann.