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(c) Pester Lloyd / 20 - 2019   POLITIK       13.05.2019


EU-Parlament: Neue Bündnisse für und gegen Europa

Bilanz und Herausforderungen: Was bei der EU-Wahl am 26. Mai auf dem Spiel steht

Die Fraktionen im EU-Parlament, wofür sie stehen und wer sie nach dem 26. Mai repräsentieren soll

Die 751 Abgeordneten des Europäischen Parlaments gehören Fraktionen an. Diese sind nicht nach Staatsangehörigkeit organisiert, sondern schließen sich nach politischer Zugehörigkeit zusammen. Darüber hinaus bildeten sich länderübergreifende, informelle Bündnisse, die sich bei Abstimmungen im Parlament projektbezogen unterstützen, aber nicht in Fraktionen erkennen lassen, zum Beispiel die Euro-Gruppe, die Visegrád Vier oder das Mittelmeer-Bündnis. Nach den Wahlen werden sich Interessensgruppen neu formieren, neue Fraktionen entstehen.

euparlament


Derzeit gibt es im Europäischen Parlament acht Fraktionen. Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete erforderlich, die ein Viertel der Mitgliedstaaten vertreten. Eine Mitgliedschaft in mehreren Fraktionen ist nicht möglich. Derzeit gibt es außerdem 20 fraktionslose Abgeordnete. Vier Fraktionen können als uneingeschränkt pro-europäisch eingestuft werden, die vier anderen in Abstufungen als europa-skeptisch bis -feindlich, sowohl links als rechts von der Mitte. Wobei die Anti-EU-Politiker im rechten Spektrum stärker vertreten sind und auch als jene Kräfte gelten, die bei den kommenden Wahlen am stärksten zulegen werden.

Fraktionen im Überblick

Name (Abkürzung), Mandate gesamt,

weberEuropäische Volkspartei (EVP), 215 Sitze,: Für den Zusammenschluss der bürgerlich-konservativen Parteien geht der CSU-Mann Manfred Weber als Spitzenkandidat ins Rennen. Die rund 50 Mitgliedsparteien der größten Fraktion im EU-Parlament bieten keineswegs ein homogenes Bild. Das Spektrum der rund 50 Mitglieder reicht von eher progressiven Parteien vor allem aus Skandinavien und den Benelux-Staaten, über die zentristisch angelegten Schwergewichte wie die französischen Republikaner und die deutsche Union bis hin zu offenen EU-Skeptikern oder sogar Feinden.

Erst kürzlich wurde die Mitgliedschaft der ungarischen Fidesz wegen ihrer Anti-EU-Wahlkampagne suspendiert, nicht jedoch wegen ihrer antidemokratischen Politik im Inland. Es ist denkbar, dass Ungarns Premier Viktor Orbán sich nach den Wahlen dem rechten Bündnis von Salvini anschließt.

Die EVP folgt dem Weg der EU-Gründer, mit dem Schwerpunkt auf der Wirtschaftsunion. Sie musste sich vorwerfen lassen, zu zögerlich bei globalen Herausforderungen zu agieren, die Finanzkrise durch Unterlassung mit verursacht zu haben und die soziale Komponente in der Entwicklung der EU und bei der Krisenbewältigung zu vernachlässigen. Der Fraktion werden spürbare Verluste vorhergesagt.

timmermansProgressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D), 189 Sitze: Der Niederländer und Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans geht für die Sozialdemokraten als Spitzenkandidat für den Posten des Kommissionspräsidenten ins Rennen. Die Sozialdemokraten betonen immer wieder, dass sie der Sozialunion mehr Aufmerksamkeit schenken wollen, diese dürfe aber nicht gegen den Binnenmarkt ausgespielt werden. Seit der Neoliberalisierung durch Schröder/Blair hat die Sozialdemokratie europaweit viel an Glaubwürdigkeit verloren.

Spaniens Pedro Sánchez, der gerade die Wahlen in Spanien für sich entscheiden konnte, gilt als einer der Hoffnungsträger für eine sich wiederfindende Sozialdemokratie, die diesen Namen auch verdient und bis in die EU-Politik ausstrahlen könnte. Timmermans machte sich besonders im Streit mit Polen und Ungarn für die Durchsetzung der Grundrechte-Charta stark. Die Fraktion muss mit hohen Verlusten rechnen.

zahradilEuropäische Konservative und Reformer (ECR), 73 Sitze: Die bestimmenden Kräfte der ECR sind die Tories aus Großbritannien sowie die erzkonservative polnische PiS, die Schwedendemokraten und die belgische Flämische Allianz. Es handelt sich mehrheitlich um nationalistische Parteien, welche den Einfluss der EU stark beschneiden wollen und behaupten in einem „Europa der Vaterländer“ besser dazustehen, im Falle Polens wohl auch, um die Rechtsstaatlichkeit dort der Parteipolitik zu unterwerfen. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, ob man das von innen oder wie beim Brexit durch Austritt erreichen möchte. Der Spitzenkandidat ist der Tscheche Jan Zahradil, ODS, Protegée von Ex-Präsident Vaclav Claus. Zahradil leugnet die Folgen der globalen Erwärmung, gilt als neoliberal, ist hinsichtlich Einwanderung und Rechte für Homosexuelle aber eher liberal eingestellt. Nach jetzigem Stand werden am 26. Mai die Briten an der EU-Wahl teilnehmen, beim Vollzug des Brexit würden ihre Parlamentarier gehen müssen und die Sitze auf andere Länder verteilt.

vestagherAllianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Alde), 69 Sitze: Die proeuropäische Fraktion geht mit der Dänin Margrethe Vestager ins Rennen, der derzeitigen EU-Wettbewerbskommissarin. Die Liberalen schwanken zwischen ihrem Credo, wonach der freie Markt schon alles richten würde, und ihrem Kampf für die Verteidigung von Bürger- und Menschenrechten. Dass Ersteres die Malaisen bei Zweiterem erst auslöst, erkennen sie oft erst hinterher. Die Liberalen sind für einen Ausbau der Kompetenzen der EU-Institutionen in Richtung Vereinigte Staaten von Europa. Alde-Kollegen betrachten skeptisch, dass Ciudadanos-Chef Rivera eine Zusammenarbeit mit der stärksten demokratischen Partei Spaniens, PSOE, kategorisch ausgeschlossen hatte, gleichzeitig in Andalusien aber mit der rechtsextremen Vox paktiert. Viele Alde-Parteien haben Frankreichs Präsident Macron bereits Unterstützung für dessen eue “Renaissance”-Fraktion zugesagt (siehe letzter Absatz dieses Artikels).

dueKonföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken / Nordische Grüne (GUE/NGL), 52 Sitze: Der belgische Gewerkschafter Nico Cué und die slowenische Linke Violeta Tomic sollen als Doppelspitze überzeugen. Die europäischen Linken stehen bei ihrer Europapolitik immer in einem Dilemma: Berechtigte soziale Forderungen stellen, die sich umsetzen lassen, oder ideologisch geführte Träume verkaufen, die Schäume bleiben. Internationalismus ist an sich Sache der Linken, doch die EU gilt ihnen als eine politische Plattform der Konzerne zur Unterdrückung der Menschen. Fakt ist, dass die Linke die Sozialdemokraten immer wieder zu einer sozialen Kurskorrektur zwingt.

ska kellerDie Grünen / Europäische Freie Allianz (EFA): 50 Sitze: Die Deutsche Grüne Ska Keller, eine der Fraktionsvorsitzenden, geht als Spitzenkandidatin der grünen EU-Fraktion an den Start. Diese fordert ein nachhaltiges Zukunftskonzept für Europa, eine gemeinsame Klima- und Umweltpolitik und legt immer wieder die Finger in die Wunden der Nichteinhaltung. Die grüne Bewegung erhält in Deutschland gerade einen Aufschwung, auch, weil sie dort belegen konnte, regierungs- und bündnisfähig zu sein.

Widerspruchsfrei ist das Erscheinungsbild der europäischen Grünen dennoch nicht, die ungarische LMP hat zum Beispiel gerade ein kommunales Wahlbündnis mit der rechtsextremen Jobbik in Budapest geschmiedet.

Die beiden Fraktionen Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD), 44 Sitze, sowie Europa der Nationen und der Freiheit (ENF), 39 Sitze, sind Fraktionen offener Europafeinde, die sich selbst untereinander nicht riechen können. Hier finden wir die AfD sowie deren versprengte Ex-Mitglieder, die Brexit-Partei UKIP, die französischen Rassemblement National (RN) sowie die Populisten von der 5-Sterne-Bewegung aus Italien, die dort mit der neofaschistischen Lega koalierte.

Es wird davon ausgegangen, dass die rechtspopulistische Sammlungsbewegung von Italiens Innenminister Salvini nach den Wahlen versuchen wird, möglichst viele dieser Parteien unter einem rechten Dach zu vereinen, mit AfD, FPÖ, aber auch dem Newcomer aus Spanien, Vox. Das Ziel dieser Bewegung ist klar: Ein völkisch abgeschottetes Europa, dessen Gemeinschaft als Dienstleister für die politischen Ambitionen der nationalistischen Regierungen zu dienen hat. Nicht mehr und nicht weniger also, als das Ende der Europäischen Gemeinschaft.

Auch andere Bündnisse weisen auf ein Ende der traditionellen Fraktionsstruktur. So hat Frankreichs Präsident Macron am 11. Mai eine Plattform "Renaissance" ins Leben gerufen, neben ihm, einen liberal-konservativen sind darin u.a. die deutsche FDP, abera uch die rechtsliberale Ciudadanos aus Spanien sowie die Sozialdemokraten Portugals vertreten. Eine Ideologie-übergreifende Bewegung, die auch nicht auf Nord-Süd-Pole setzt, dafür aber proeuropäisch auftritt, ist nicht die schlechteste Idee für die Zukunft der Gemeinschaft.

red.

 




 

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