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(c) Pester Lloyd / 41 - 2019   POLITIK       14.10.2019
 

Budapest: Grün und frei
Kommunalwahlen in Ungarn: Ergebnisse - Erste Reaktionen - Konsequenzen

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Budapests neuer Oberbürgermeister Gergely Karácsony. Foto: MTI

WICHTIGE ERGEBNISSE IM ÜBERBLICK: Neben Budapest gewannen Oppositionsblöcke auch in weiteren wichtigen Städten, darunter 10 der 23 Städte mit Komitatsrecht. Die namhaftesten Eroberungen: Eger, Miskolc, Érd, Tatabánya, Dunaújváros, Pécs, Szombathely. Außerdem fielen 13 der 23 Budapester Stadtbezirke an Nicht-Fidesz-Kandidaten, was dem neuen Oberbürgermeister auch die wichtige absolute Mehrheit in der Stadtversammlung besorgt. Hingegen blieben alle 19 Komitatsversammlungen fest in Händen der Orbán-Partei. In anderen Städten scheiterte die Opposition knapp, teilweise nur wegen einiger Dutzend Stimmen, in wenigen anderen konnte Fidesz klare Ergebnisse einfahren.

An Fidesz gingen bzw. verblieben unter anderem: Sopron, Győr, Veszprém, Nagykanizsa, Zalaegerszeg, Kaposvár, Szekszárd, Kecskemét, Szolnok, Debrecen, Nyíregyháza, Székesfehérvár, Békéscsaba. Im Falle Györs waren es rund 650 Wähler, deren Votum den Unterschied machte und so dem Fidesz-Skandal-Bürgermeister Borkai den Posten sicherte. Doch insgesamt dürfte der Borkai-Effekt in anderen Kommunen weitere Wähler der Opposition zugetrieben haben. Zählt man alle abgegebenen Stimmen zusammen, blieb Fidesz landesweit hochgerechnet die klar stärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung lag bei über 48%, was wenig erscheint, aber für Kommunalwahlen in Ungarn einen vergleichsweise hohen Wert darstellt.

Rückschau Wahlabend

Neuer Bürgermeister will Budapest "grün und frei"

Der frisch gewählte Oberbürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, an der Spitze eines breiten Oppositionsbündnisses, spricht von einem "historischen Sieg". In der Wahlnacht versprach er ein "grünes und freies Budapest". Der Wahlsieg habe gezeigt, dass "die Macht der Menschen größer ist als die der Menschen an der Macht". "Am 14. Oktober wird eine neue Ära in Ungarn beginnen, der Beginn der Rückeroberung der Freiheit." Der Sieg sei auch nicht einer des Oppositionsbündnisses, sondern ein "Sieg der Budapester, die dafür kämpften, ihre Stadt zurück zu bekommen." Er wolle ein Bürgermeister "für alle sein, auch für jene, die mich nicht wählten." Die Beziehungen zur Zentralregierung wolle er "auf neue Füße stellen" und habe nicht vor "einen Krieg anzufangen", die Hauptstadt und das ganze Land "sei die Spannungen und Hassreden satt", es sei nun Zeit zu arbeiten und Zeit für die echte Bewährungsprobe seines Bündnisses.

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Premier Orbán kondoliert dem bereits abgewählten István Tarlós. Foto: MTI

Orbán freut sich über Polen

Ein sichtlich um Fassung bemühter Premier Orbán trat noch am Wahlabend zusammen mit dem geschlagenen OB István Tarlós auf, um seine teilweise Wahlniederlage, vor allem den Verlust der Hauptstadt als Beleg für den Status der Demokratie im Land zu feiern. "Fidesz ist noch immer die stärkste Kraft im Land", sagte er. "Dass wir mehr als 50% der Stimmen erhalten, hat sich als Standard etabliert." - "Der Wahlkampf war hart und offen, wie er in einer Demokratie sein sollte, die auf dem Wettbewerb zwischen Parteien beruht". "Die Bürger der Hautpstadt wollten etwas Neues, wir nehmen das zur Kenntnis und sind im Interesse des Landes bereit, zusammenzuarbeiten." Man solle nicht vergessen, dass Tarlós "die Hauptstadt aus der Korruption und aus der Pleite geführt habe". Außerdem sei es für Ungarn wichtig, dass in Polen die Regierungspartei klar gewonnen habe.

Was das Wahlergebnis bedeuten kann

Die linksliberale Opposition - zum Teil in Kooperation mit der rechtsextremen Jobbik - hat gezeigt, dass sie wieder fähig ist, Wahlen zu gewinnen, wenn sie kooperiert. Mit Karácsony kommt ein Grün-Liberaler ans Stadtruder, der einer jungen, europäischen Generation angehört und als Bezirksbürgermeister von Zugló bereits Erfahrung im Verwaltungsgeschäft mitbringt. Die "Eroberung" von Budapest ist ein wichtiges Zeichen ins ganze Land, dass ein Wechsel mit demokratischen Mitteln möglich ist. Es kommt nun darauf an, das Wahlbündnis zu einem belastbaren Regierungsbündnis zu wandeln, was als definitive Feuerprobe verstanden werden muss, denn genau daran, an personellen und inhaltlichen Egoismen, scheiterte die Oppositionsarbeit in den vergangenen zehn Jahren - und machte Orbán so stark, dass er mit weniger als 30% der Wahlberechtigten das Land völlig kontrollieren kann. Scheitert das Budapester Bündnis indes an internen Querelen, würde es zum Wahlhelfer Orbáns für die in zweieinhalb Jahren anstehenden Parlamentswahlen werden und die Opposition endgültig diskreditieren.

Interessant wird die Reaktion der Fidesz-Seite sein. Eine Totalkonfrontation mit Budapest wäre denkbar, zum Beispiel durch die Blockade von Investitionsgeldern und andere Einmischungen in die Stadtpolitik, bis hin zu Änderungen in der Verfassung - könnte aber nach hinten losgehen. Klar ist, dass sich Fidesz nun noch emsiger um die Stammwähler in der Provinz bemühen wird, das heißt das Klüngelprinzip und die Medienmacht werden ausgebaut, Abhängigkeiten verstärkt und die Parteifunktionäre noch stärker eingeschworen, um eine Wahlniederlage in drei Jahren zu verhindern. Orbán wird einige angezählte Politiker opfern müssen und sich wohl nach außen ein gemäßigteres Image zulegen, um schwankende Gemüter bei sich zu behalten. Ein grundlegender Kurswechsel Orbáns ist nicht zu erwarten, denn sein ganzes ideologisches Schmierentheater nach außen und innen ist für ihn lebensnotwendig, um seine isntitutionelle Kleptokratie zu kaschieren und seine subdemokratische Machtfülle zu rechtfertigen. Er kann nicht mehr zurück.

red.

 




 

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