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(c) Pester Lloyd / 2019-49      SPORT


Wie der Brexit die europäische Fußballszene beeinflussen könnte

Mega-Staus an der Grenze, knappe Nahrungsmittel und Kaufkraftverlust: Die möglichen Auswirkungen des Brexits sind sattsam bekannt. Doch die Scheidung von der EU hätte womöglich auch gravierende Folgen für die europäischen Fußballligen. In erster Linie betroffen: die britische Premier League. Hunderte von ausländischen Spielern könnten plötzlich ohne Arbeitserlaubnis dastehen.

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Es ist eine recht surreale Vorstellung: Dutzende Fußballstars aus etlichen EU-Ländern kehren dem Vereinigten Königreich den Rücken, um in einer anderen europäischen Top-Liga anzuheuern. Während es den Argentinier Serio Agüero nach Spanien zieht, kehrt Weltmeister Paul Pogba in seine französische Heimat zurück, und der Ex-Wolfsburger Kevin de Bruyne läuft nunmehr für Bayern München auf.

So abwegig ein solches Szenario wirken mag, völlig ausgeschlossen ist es nicht. Bislang können Spieler aus einem EU-Mitgliedsland ohne Einschränkung für einen Club aus dem Vereinigten Königreich arbeiten. Nach dem Austritt hingegen würden sie gemäß den aktuellen Bestimmungen behandelt wie Angehörige eines Nicht-EU-Staats. Diese benötigen für eine Arbeitserlaubnis die
Zustimmung des englischen Fußballverbands FA.

Vereinfacht gesagt, muss der ausländische Profi dazu etablierter Nationalspieler sein. Die FA orientiert sich dabei an der Fifa-Rangliste für Nationalmannschaften. Ein serbischer Profi (Platz 33) muss für eine Spielgenehmigung demnach mehr Einsätze vorweisen als einer aus Belgien oder Frankreich, die derzeit das Ranking anführen. Sollten London und Brüssel sich nicht auf ein Abkommen verständigen, wäre es auch mit der Freizügigkeit für Fußballprofis vorbei.

Für sportlich schwächere Premier League-Clubs könnte es dann wesentlich schwieriger werden, ausländische Spieler zu verpflichten. Doch auch Spitzenteams wie Manchester City oder Liverpool bekommen die Auswirkungen des nahenden Brexits längst zu spüren.
Der Sportökonom Tim Markham wies schon in einem 2016 veröffentlichten Interview darauf hin, dass Spieler wie Mesut Özil angesichts des schwächelnden britischen Pfunds bei Vertragsverhandlungen mehr Geld fordern.

Die Finanzkraft des englischen Fußballs gründet sich nur in Teilen auf milliardenschwere Eigentümer und Sponsoren. So spülte die TV-Vermarktung der PL in der letzten Saison mit 2,3 Milliarden Euro doppelt so viel Geld in die Kasse wie allen anderen europäischen Top-Ligen (Deutschland: 1,16 Mrd.). Doch mit dem ungebremsten Wachstum hat es den Zahlen zufolge vorläufig ein Ende.

Und wohl auch mit der internationalen Zugkraft der Liga. Weniger Stars gleich weniger Zuschauerinteresse gleich sinkende TV-Gelder: Die Premier League werde durch den Brexit definitiv an Attraktivität verlieren, orakelte der Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch in einem Gespräch mit
sport1.de. „Europäische Stars und Top-Talente werden künftig nicht mehr im englischen Fußball zuhause sein.“

Bundesliga könnte von PL-Aderlass profitieren

Auch, weil Vereine und Verband gegenläufige Interessen verfolgen. Während erstere sich um ihre Wettbewerbsfähigkeit sorgen und auf Ausnahmeregelungen hoffen, würde die FA den EU-Austritt nur zu gerne nutzen, um die Schwemme ausländischer Profis einzudämmen und den eigenen Nachwuchs mit einer verschärften
Quotenregelung zu stärken. Statt auf mittelmäßige „Legionäre“ zu setzen, sollen die Vereine lieber talentierte Eigengewächse und damit mittelfristig die englische Nationalmannschaft fördern.

Von einem Verlust der bisherigen Privilegien könnten Berechnungen zufolge über 300 ausländische Akteure aus den beiden höchstens Spielklassen Englands und Schottlands betroffen sein, darunter auch zahlreiche deutsche. Stars wie Ilkay Gündogan oder Antonio Rüdiger werden auch künftig eine Arbeitsgenehmigung erhalten. Die Zukunft von Ralf Fährmann und Moritz Leitner etwa, die beide bei Norwich City unter Vertrag stehen, erscheint dagegen völlig ungewiss.

Gut möglich, dass die Attraktivität anderer europäischer Top-Ligen demnächst deutlich steigt. Gregor Reiter, Geschäftsführer der deutschen Spielervermittler-Vereinigung (DFVV) glaubt, dass die Bundesliga „der große Gewinner“ sein könne. „Die Vereine kommen zu günstigeren Preisen an qualitativere Spieler“, so Reiter gegenüber sport.de. Den deutschen Fußballfan, der in den vergangenen Jahren vor allem den Siegeszug der PL-Vertreter bestaunen konnte, dürfte diese Aussicht freuen.

R.Q. /
Abb.: Pixabay