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(c) Pester Lloyd / POLITIK       27. März 2020


Coronavirus Ungarn:

Alleinherscher Orbán: Was das Ermächtigungsgesetz bedeutet

Parlament praktisch aufgelöst, Gesetze und Verfassung außer Kraft gesetzt - Strafen für "beunruhigende" Wahrheiten - Phantasiezahlen zur Epidemie - Militarisierung in Betrieben und auf der Straße - Bürgermeister außer Rand und Band

Während Orbán auf der einen Seite die Krise als willkommene Einladung nutzt, um seine Macht absolut auszubauen und die Demokratie endgültig zu beseitigen, wiegelt er die Ausmaße der gesundheitlichen Krise ab. Ungarn habe "erfolgreich die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt", meldete MTI am Freitag.

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Soldaten mit Sturmgewehren patroullieren auf den Straßen. Hier: Debrecen. Beruhigend? Foto: MTI

Danach gebe es im Land mit Zähltag Donnerstag, 26. März, 261 Infizierte und 10 Tote, darunter übrigens auch der Geschäftsträger der britischen Botsdchaft. 100 Menschen seien in Quarantäne. Über die Lage auf den Intensivstationen und in den Notaufnahmen erfährt das Volk nichts. Verräterisch ist aber eine Zahl: 8.005 Tests habe man gemacht. Eine lächerlich kleine Zahl, die besagt, dass die Behörden überhaupt keinen Überblick über das Ausmaß der Epidemie in Ungarn haben können  - oder es verschweigen.

Das neue Notstandsgesetz Orbáns kam vorige Woche in erster Lesung nicht durchs Parlament, weil es nicht die erforderliche 4/5-Mehrheit erreichte. Kommende Woche genügen 2/3, die Fidesz allein zusammenbringt, wenn sie alle ihre Abgeordneten mobilisieren kann. In der Zwischenzeit liefen die ersten 14 Tage Notstand ab, Orbán verlängerte sie freihand bis zur nächsten Abstimmung, ein Verfassungsbruch.

Die Ablehnung durch die Opposition wurde von der Regierungspartei geradezu als Verrat am ungarischen Volk qualifiziert, internationale Kritik an der Selbstermächtigung lässt Orbán abprallen. Er verweist auf angeblich "gleiche" Maßnahmen anderer EU-Staaten - ohne dafür haltbare Beispiele zu nennen - und bezeichnet kritische Äußerungen als "Versuch, uns im Kampf gegen das Virus zu behindern." 

Was bedeutet das neue Gesetz konkret?

- Gesetze können per Dekret des Premiers oder Ministerbeschluss außer Kraft gesetzt werden
- Der Notstand, der laut Verfassung nur 15 Tage dauern kann und danach vom Parlament verlängert werden müsste, würde automatisch bis Ende des Jahres gelten
- Auch danach wäre es allein Orbán, der über die Aufhebung entscheidet
- Aus "Sicherheitsgründen", zu denen auch die Ansteckungsgefahr zählen kann, können Parlamentssitzungen abgesagt werden, ein Ersatz z.B. über Videokonferenzen muss nicht gewährleistet werden, faktisch bedeutet das: Das Parlament ist während des Notstandes aufgelöst
- Wahlen und Volksabstimmungen finden während des Notstandes nicht statt, d.h. der Souverän ist stillgelegt
- Meinungs- und Pressefreiheit werden nicht nur eingeschränkt, sondern vollständig ausgehebelt: Für (sehr vage definierte) Falschmeldungen drohen bis 5 Jahre Haft, für Informationen, auch wenn sie wahr sind, aber "geeignet sind, Unruhe in der Bevölkerung zu schüren", wie z.B. Berichte über das Chaos im Gesundheitswesen, können mit bis zu 3 Jahren Haft belegt werden
- Das Militär bekommt eine Schlüsselrolle: Es soll "zur Beruhigung des Volkes" auf den Straßen patroullieren, aber auch die Wirtschaft kontrollieren. Bereits 140 "strategisch wichtige Unternehmen" wurden durch Militärs übernommen,
hier eine Liste, mit weitreichenden Durchgriffsrechten in die kaufmännische und produktive Tätigkeit. Die Unternehmen unterstehen dem Verteidigungsministerium. Kriegswirtschaft.

Die oppositionelle Momentum-Bewegung beklagt bereits schwere Missbräuche des Notstandes durch Bürgermeister. In Komló, Szekszárd und Nagykanizsa sollen sie bereits Entscheidungen, z.B. über den Haushalt an der Stadtversammlung vorbei getroffen haben und willkürlich Bezüge von oppositionellen Stadträten gestrichen haben. Außerdem wurde Personal kaltgestellt, dass der Opposition nahestehe. Fidesz ist außer Rand und Band.

red.




 




 

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