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Wie Bewertungsportale unser Produktverständnis beeinflussen

Seit 2015 gibt es in Europa die Smartphone-App „TooGoodToGo“, eine App, die sich mit der Wegwerfgesellschaft beschäftigt und versucht, Lebensmittel zu retten, bevor sie aufgrund eines arbiträren Ablaufdatums im Abfall landen. Die Idee der dänischen App ist keine revolutionäre, denn Dumpster Diving und Secondhand gibt es schon seit Jahren ‒ trotzdem scheint die App einen Nerv der Zeit getroffen zu haben. Doch warum schneidet dann eine gute Idee wie TooGoodToGo auf Bewertungsplattformen so schlecht ab? Eine Untersuchung der Einflüsse der Medien im Internet und ihrer Rezensionen.

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Foto: TooGoodToGo, Spain

Die Welt der Bewertungen, aller Anfang ist schwer

Amazon war eine der ersten Plattformen, die es Kunden ermöglichte, ihre Meinung über die vor kurzem erstandenen Produkte zu teilen. Damit gelang dem Unternehmen ein Quantensprung im Bereich Marketing, denn es bot Kunden nicht nur ein Portal des Vertrauens, sondern sparte sich auch die Kosten für seine Werbung. Merkmale wie die Sternanzahl und Anzahl der totalen Bewertungen springen sofort ins Auge und unterscheiden die mediokren Produkte von denen, die Amazon besonders viel Profit verschaffen. Diese Form der Bewertung war erst der Anfang einer langen Kette an Online-Interaktionen, denn wieso sollten Kunden bloß über Produkte schreiben können? Trustpilot und Glassdoor wurden 2007 gegründet, während Google My Business erst 2014 die Welt eroberte. Heute ist es kaum noch vorstellbar, quer durch die Stadt zu schlendern, ohne vorher die Umgebung nach Shops und Restaurants via Google Maps zu durchforsten. Bequemlichkeit sowie Sicherheit spielen nach wie vor eine große Rolle für unsere Kaufentscheidungen.

Bewertungen im Internet und ihre Möglichkeiten

Bewertungsportale wie Trustpilot haben drei große Vorteile für ihre User und Unternehmen, die auf ihnen verglichen werden:

> Vertrauen
> Marketing
> Feedback

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Foto: TooGoodToGo, Spain

Eine große Anzahl an positiven, authentischen Bewertungen deutet darauf hin, dass User mit dem zu bewertenden Objekt oder Job zufrieden sind, was wiederum mehr Vertrauen für Neukunden bedeutet. Ein Produkt, das durchschnittlich fünf Sterne als Bewertung erhalten hat, schneidet eindeutig besser ab als eines mit nur drei Sternen. In Bereichen, in denen User auf die Unterstützung von Experten angewiesen sind, füllen diese Beurteilungen eine wichtige Marktlücke, denn gerade im Finanzwesen, z. B. im Bereich Kryptowährungen und Forex Trading, sind User auf das Wissen der Experten angewiesen. Nutzer können somit Forex-Broker und ihre Vorteile vergleichen, sowie sich über Details aus der Branche informieren. Aus diesem Grund sind Beurteilungsplattformen auch so unumgänglich geworden. Positive Rankings führen zwangsläufig zu günstigerem Marketing, während negative Bewertungen als Quelle des Feedbacks fungieren können. Bemängeln mehrere Kunden dasselbe Problem, kann es binnen weniger Klicks nachvollzogen und verbessert werden.

Studien haben gezeigt, dass bis zu 90 % aller User Online-Bewertungen genauso schätzen wie die Rezensionen der Menschen, denen sie vertrauen. Heutzutage wissen wir, dass sich der Durchschnittsuser nur die erste Seite jedweder Suchmaschinenregenbisse durchliest und dies inkludiert Kommentare auf Bewertungsplattformen. Damit ergibt sich eine gravierende Zahl an Usern, die sich bloß auf Sterne und Nummern verlässt. Natürlich sind gerade die positiven Bemerkungen die besten für Unternehmen, die durch positive oder hervorragende Produktratings einen eindeutigen Marktvorteil erhalten. Nicht umsonst entwickelte Amazon 2018 seinen eigenen Supermarkt, der nur Produkte mit einem Rating von vier oder mehr Sternen verkaufen sollte. Je mehr Sterne, desto besser.

Dabei sollte es kein Wunder sein, dass 86 % aller User zögern, mit einem Unternehmen zu interagieren, wenn dieses nicht genug positive Bewertungen angesammelt hat. TooGoodToGo hat auf Trustpilot und anderen Webseiten momentan eine durchschnittliche Beurteilung von zwei bis drei Sternen und das, obwohl viele der Bewertungen positiv ausfallen. Das Problem der Beurteilungen ist, dass viele User mit der App und der Grundidee, die sie verkörpert, sehr zufrieden sind, allerdings eigentlich die
Restaurants, Markthallen und Bäckereien bewerten, die ihre Produkte auf der App anbieten. Zudem bemerken User vermehrt, dass das Angebot in ihrer spezifischen Region schlecht ausfällt. Wenn man sich das durchschnittliche Dorf in Ungarn oder Österreich vor Augen führt, wird auch schnell klar, woran dies liegen könnte: Viele Bäckereien in Kleinstädten haben weniger Abfall als jene in Großstädten oder sind sich gar nicht bewusst, dass die App existiert. Ist TooGoodToGo demnach ein gescheitertes Projekt?

Unsere Meinung versus unsere tatsächliche Handlung

Trotz der schlechten Bewertungen gewinnt TooGoodToGo stetig Neukunden und das auch in Ländern, wie z. B. Großbritannien, in denen es kaum beworben wird. Wenn das Konzept stimmt, können User über mögliche negative Rezensionen hinwegsehen. Der große Vorteil der App ist zudem, dass sie kostenlos zur Verfügung gestellt wird ‒ wenn User, die sich für das System interessieren, die App testen können, finden sich zwangsläufig auch solche, die fünf Sterne hinterlassen.
 
L.P.