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Die TISZA-Brüssel Verschwörung - Orban ruft den Volkskampf aus

Es scheint, als ob der lang ersehnte Kulturkampf, der sich über Jahre hinweg in den ungarischen politischen Wäldern der Metaphern und Reden ausgebreitet hat, nun in die nächste Phase übertritt – eine Phase, in der Brüssel und die TISZA-Partei an der Spitze der bösen Verschwörer gegen das ungarische Volk stehen. Das jüngste Meisterwerk von Viktor Orbán auf seiner persönlichen Webseite ist eine Rede, die wie eine Mischung aus einem Heldenepos und einem modernen Dramenstück daherkommt – und das alles in einer gewohnt scharfen, fast schon theatralischen Rhetorik.

In einer Verkündung, die die herkömmlichen politischen Feindbilder noch einmal neu definiert, erklärte Orbán, dass Brüssel und die TISZA-Partei nun die Kräfte vereinten, um Ungarn in einen „gescheiterten Staat“ zu verwandeln. Das alles im Namen der Ukraine und eines pro-ukrainischen Engagements, das Orbán für das größte politische Risiko hält, das Ungarn je eingehen konnte. Der Premierminister erklärte, dass diese Verschwörung darauf abzielt, die ungarische Wirtschaft zu untergraben, das Wohlstandsniveau zu senken und Ungarn von den notwendigen EU-Mitteln fernzuhalten. Es ist ein bekanntes Narrativ.

Ein Blick auf die politischen Spannungen

Die Bedeutung der Rede ist im Kontext der vergangenen politischen Ereignisse zu verstehen. In einem jüngst veröffentlichten Artikel, der sich mit dem Besuch von Netanjahu in Ungarn befasste und die Verweigerung Ungarns gegenüber der internationalen Gerichtsbarkeit beleuchtete, wurden ähnliche rhetorische Muster wie bei Orbáns neuester Ansprache erkennbar. Der Kulturkampf, den Orbán gegen die westlichen Institutionen führt, und die ebenso strategische Entscheidung Ungarns, sich vom Internationalen Strafgerichtshof (ICJ) zu distanzieren, sind Themen, die nicht nur ungarische Politik betreffen, sondern auch die geopolitische Ausrichtung des Landes im europäischen Kontext hinterfragen. Die Vorstellung, dass Ungarn sich als Verteidiger eines „unabhängigen Willens“ positioniert, ist ein Motiv, das sich in beiden politischen Kontexten durchzieht und nicht nur auf seine außenpolitische Linie, sondern auch auf seine innenpolitischen Maßnahmen anwendbar ist.

Während Orbán in seiner Rede auf die Bedrohung durch Brüssel und die Ukraine verweist, könnte ein Blick auf die TISZA-Partei, deren Vorsitzender Péter Magyar sich immer wieder als unerschrockener Kämpfer gegen das etablierte politische System positioniert, durchaus aufschlussreich sein. Magyar, der kürzlich in einem Portrait im Pester Lloyd ausführlich behandelt wurde, hat sich als aufstrebende Figur in der ungarischen Politik etabliert. Seine Partei TISZA, die auch als „Patriotische Alternative“ betrachtet werden kann, hat nicht nur Orbán scharf kritisiert, sondern auch die westlichen Allianzen durchaus kritisch sieht, denen sich Ungarn angeblich unterwirft. Die Frage, wie tief die Zusammenarbeit zwischen Brüssel und TISZA in Wirklichkeit geht, bleibt angesichts der jüngsten Äußerungen von Orbán eine interessante Frage. TISZA versucht den Spagat zwischen Pro-Europa und populistischer Anbiederung ans Orbanisierte Wahlvolk.

Magyar selbst äußerte sich kürzlich in einem Interview auf Euractiv und betonte, dass er, im Gegensatz zu Orbán, keine Ablehnung der westlichen Allianzen anstrebe, sondern vielmehr eine pragmatische Herangehensweise an den Umgang mit Russland und anderen globalen Mächten befürworte. In Bezug auf die EU sagte er: „Wir sind Mitglied der EU, dieses Clubs, und auch Mitglied der NATO… Natürlich ist es wichtig, gute Beziehungen zu anderen Mächten zu pflegen, aber momentan verkaufen wir etwa 80% unserer Waren auf dem EU-Markt.“

Verschwörungstheorien

Orbán, der in seiner Rhetorik regelmäßig die EU als eine bürokratische Diktatur darstellt, zieht nun die TISZA-Partei mit in die Verschwörung gegen Ungarn. Dabei wird ein Bild einer weit übertriebenen Bedrohung gemalt, das zum einen tief in der Abneigung gegen Brüssel verwurzelt ist und zum anderen mit einer politischen Show zu tun hat, die für die innenpolitische Stimmung und den anstehenden Wahlkampf von Bedeutung ist.

They are combining forces in order to make Hungary a failed country. They are working hard to prevent the refurbishment of 50 hospitals, and to prevent the development of public services as well as the construction of roads and railways, he pointed out.

Doch es ist nicht nur die Entfaltung einer klassischen Oppositionsstrategie. Orbáns Behauptung, dass „Brüssel und TISZA Hand in Hand arbeiten, um Ungarn zu einem gescheiterten Staat zu machen“, klingt fast schon wie eine Mischung aus einem Comicbuch-Plot und einem geopolitischen Drama. Die Metapher der Volksfeinde wird auf das modernste politische Schlachtfeld übertragen, und die Vorstellung, dass Brüssel mit einer ungarischen Partei zusammenarbeitet, um das Land zu sabotieren, ist ein Stück weit ein politisches Meisterwerk, das sowohl die westlichen Kritiker als auch die eigenen Anhänger in Schach halten soll.

Dabei ist das zentrale Thema der Rede, die EU-Mitgliedschaft der Ukraine und die damit verbundenen finanziellen und militärischen Belastungen, keineswegs unbedeutend. Tatsächlich haben viele der EU-Mitgliedstaaten, die die Ukraine unterstützen, bereits ähnliche geopolitische Spannungen erlebt. Orbán zeigt sich in seiner Rede als der Verfechter einer „echten nationalen Souveränität“, und die Bildsprache seiner Aussagen zielt darauf ab, den ungarischen Bürger als Kämpfer gegen ein übermächtiges, von Brüssel kontrolliertes System darzustellen.

Ein komplexes Bild von Macht und Politik

Der Blick auf die jüngsten politischen Entwicklungen in Ungarn – einschließlich der Darstellung von Orbán und seiner Regierung als Verfechter der ungarischen Souveränität im Gegensatz zu einer angeblich destruktiven Brüssel-TISZA-Allianz – kann nicht losgelöst von der geopolitischen Ausrichtung des Landes verstanden werden. Ein paar Wochen nach dem Netanjahu-Besuch und dem damit verbundenen Rückzug aus dem Internationalen Strafgerichtshof wird der ungarische Standpunkt klarer: Eine Ablehnung der internationalen Institutionen zugunsten einer eigenständigen, nationalen Agenda. Orbán und seine TISZA-Gegenspieler mögen sich also auf dem gleichen Spielfeld befinden, jedoch mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen. Dass sich der Premierminister nun auch mit dieser „Verschwörung“ gegen das Land beschäftigt, spricht nicht nur für die Nervosität der Regierung, sondern auch für die Zerrissenheit innerhalb der ungarischen Politik.

Werden sich diese Figuren der „Brüssel-TISZA-Verschwörung“ als politisch schlagkräftige Alternative zum Regimechef etablieren? Oder wird Orbán weiterhin als der exklusive nationale Verteidiger gegen ausländische Einflüsse im Spiel bleiben?

Bis zur Wahl ist es noch einige Zeit, doch Orban hat den Kulturkampf schon jetzt prophylaktisch aufgerüstet.

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