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(c) Pester Lloyd / 23 - 2011  POLITIK 08.06.2011

 

"Das ist eine Kriegserklärung"

Parlamentspräsident von Ungarn löst Politskandal in der Slowakei aus

Der ungarische Parlamentspräsident hat die nationalen Gemüter in der Slowakei auf heftigste erregt. László Kövér äußerte in einem Zeitungsinterview anlässlich des offiziellen Trianon-Gedenktages in Ungarn, dass man "nicht einen Teil der ungarischen Nation aufgeben werde", und er die Slowakei "geistig, kulturell und historisch als zu Ungarn gehörig" empfinde. Zudem sei es im geeinten Europa möglich, die Einheit von Nationen "ohne Rücksicht auf Grenzen" wiederherzsutellten.

László Kövér, Parlamentspräsident von Ungarn, treuer Weggefährte von Premier Orbán und Vorstandsmitglied des Fidesz. Foto: fidesz.hu

Solche Äußerungen sind in Ungarn heute nichts ungewöhnliches, wie man allerorten sehen kann, auch nicht von der Staatsspitze, im Gegenteil, sie sind Teil des veröffentlichten Selbstverständnisses, Staatsdoktrin und eines der wichtigsten Marketinginstrumente der Nationalkonservativen. Ungewöhnlich an den in Ungarn ganz gewöhnlichen Tönen war, dass das Interview in der großen slowakischen Tageszeitung "Hospodárské Noviny" erschien, man die Sprüche von jenseits der Donau den Slowaken sozusagen zum Frühstück vorsetzte. Die Empörung war entsprechend, freilich vor allem aus dem Lager, das selbst gerne sein Mütchen an der ungarischen Minderheit als "5. Kolonne Budapests" kühlt, allen voran die national-populistische SNS mit ihrem antiungarischen Hassprediger Jan Slota, früher Koalitionspartner der "sozialdemokratischen" Smer von Ex-Premier Robert Fico, die sich gerade wieder im Aufwind gegenüber der Vier-Parteien-Koalition befindet. "Das ist eine Kriegserklärung, es ist Zeit für eine entsprechende Antwort", so die Worte eines Abgeordneten im slowakischen Parlament.

 

Smer-Politiker beschwerten sich über diese Mitte-Rechts-Regierung von Iveta Radicová, sie würde eine geradezu unterwürfige Außenpolitik gegenüber Ungarn betreiben. Dank des ungarischen Parlamentspräsidenten, der freilich noch nie mit besonderem diplomatischen Feingefühl auffiel, steht die slowakische Regierung nun da, wie ein begossener Pudel, hatte sie doch erst vor wenigen Tage das umstrittene Sprachengesetz zu Gunsten der Minderheiten entschärft, zum Dank muss sie sich vorhalten lassen, sich Ungarn zu unterwerfen.

Eine weitere "Enthüllung" brachte die Slowaken besonders auf die Palme. Kövér referierte, dass die Slowakei in den 90er Jahren beim Bau des umstrittenen Wasserkraftwerkes bei Bos-Nagymaros die Landesgrenze verschoben hätte. Das Land könne froh sein, dass Ungarn die Sache völkerrechtlich beizulegen versuchte, "man hätte nämlich auch Waffengewalt anwenden können", so Kövér. Außenminister Mikulas Dzurinda kommentierte diese Äußerungen als aggressiv und unangebracht und als nicht dafür geeignet von Ungarns internen wie außenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Kövérs slowakischer Amtskollege Richard Sulik zeigte sich schockiert. "Allein nur die Andeutung, geschweige denn die Drohung mit einem militärischen Eingreifen darf nicht Teil des Vokabulars von guten Nachbarn sein."

Die "Vertretung aller Ungarn im Karpatenbecken" verkündete Premier Orbán bereits im Europa-Wahlkampf 2009 an einer ungarisch-slowakischen Grenzbrücke, der vorherige Staatspräsident Sólyom meinte, er müsse einen Tag nach dem ungarischen Nationalfeiertag im slowakischen Komárno eine Hl.-Stephans-Statue weihen, selbst die Wetterkarte des ungarischen Staatsfernsehens umfasst die Grenzen von vor 1920. Die Scharmützel um Sprachengesetz und doppelte Staatsbürgerschaft brachten bereits unter der Vorgängerregierung eine diplomatische Eiszeit zu Stande, die Hoffnung war, dass die beiden konservativen Regierungen in Bratislava und Budapest wenigstens einen Waffenstillstand hinbekommen.

Wir berichteten bereits mehrfach von der sichtbaren Tendenz der ungarischen Regierung, die Regierung Radicová zu schwächen. Dafür gibt es drei Gründe. 1. Chaos beim Nachbarn lenkt von den eigenen Problemen ab, 2. in ihrer Regierung sitzt mit Most-Híd die aus Fidesz-Sicht illegitime Vertretung der Ungarn in der Slowakei, 3. Fico und seine Smer wären der willkommenere Gegner, die Feindbilder würden wieder stimmen. Ganz ähnlich geht man in Rumänien vor, auch dort ist die Partei der Rumänienungarn, wichtige Stütze der dortigen Regierung, nicht mehr erste Wahl. Orbáns Statthalter, der Pfarrer und Revolutionsheld László Tökés, führt eine "Ungarische Nationale Partei der Székler", diese errichteten kürzlich in Brüssel eine eigene Botschaft, sehr zum Ärger der Regierung wie der national Gesinnten Opposition. Etliche weitere Provokationen werden Ungarn zum Wahlkampfthema in Rumänien machen. Das war das Ziel: die 1,3 Mio. Ungarn durch nationalistische Angriffe in Bedrängung zu bringen, um sie so selbst zu radikalisieren und dann den “richtigen” Interessensvertreter zu präsentieren.

 

Kövér, gestern auf "Mission" in Kroatien, bleibt unbeirrbar, ruderte nicht einen Zentimeter zurück. Er wiederholte sogar, dass "die ungarische Nation nicht einen ihrer Teile aufgeben kann. Ethnische Ungarn in der Slowakei gehören zur Nation, im geistigen wie im kulturellen Sinne." Auch die anderen Teile seines Interviews halte er "Wort für Wort" aufrecht.

Belohnte Treue
Ungarischer Regierungschef ernennt Fidesz-Leute zu Parlamentspräsident und Verfassungsrichtern
http://www.pesterlloyd.net/2010_29/29parlamentspraesident/29parlamentspraesident.html

 

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