THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 03 - 2014 POLITIK 13.01.2014

 

Löchrige Anti-Orbán-Front

Ungarn braucht einen "New Deal": Bajnai verteidigt umstrittenes Oppositionsbündnis

Der Oppositionsführer und Ex-Premier Bajnai will sich auf keine grundsätzliche Debatte darüber einlassen, ob die Aufnahme seines Amtsvorgängers Gyurcsánys und seiner Partei in die
neu formierte Mitte-Links-Wahlallianz mehr Stimmen bringen oder kosten wird. Es gehe im Moment nur darum, Orbán abzulösen, sagte der Kopf der Partei "Gemeinsam 2014 / Dialog für Ungarn" bei der Präsentation des Wahlmanifestes “Deine Zukunft” am Freitag in Budapest.

Diesem Ziel habe er auch seine Ambitionen als möglicher oppositioneller Spitzenkandidat (zu Gunsten von MSZP-Chef Mesterházy) untergeordnet, das gleiche erwarte er nun von seinen Mitstreitern und weiteren potentiellen Partnern. Orbán ist der "dienstälteste Politiker" Ungarns, der in der Politik seit 25 Jahren mitmischt und das Land als sein "Jagdrevier" sieht, so Bajnai. Dessen Parteisoldaten bedienten sich an den Rentenbeiträgen, im Tabakgeschäft, auf dem Schulbuchmarkt oder in der Medienbranche. EU-Gelder würden systematisch zweckentfremdet, das staatseigene Land "neuen Feudalherren" zugeschanzt. "Ungarn geht es heute schlechter als vor vier Jahren, das Land ist verängstigter als jemals zuvor in den letzten 25 Jahren".

Ist der Machtwechsel erst geschafft, wolle man einen "neuen Deal" mit der Bevölkerung herbeiführen, wozu es einer breiten Befragung (Erhebung) über die "Schlüsselfragen von nationalem Interesse" bedarf. Gleichzeitig sollten die derzeitigen "Regime-Führer und ihre Günstlinge politisch zur Verantwortung gezogen werden", eine Forderung, die gleichlautend 2010 von Fidesz gegenüber den Gyurcsány-Bajnai-Regierungen erhoben wurde. Das uferte zwar in regelrechten Säuberungswellen in der Administration aus, den Regierungschefs konnte man bisher jedoch juristisch nicht habhaft werden.

Das Wahlmanifest der Oppositionsallianz enthält einige konkrete Eckpunkte, beantwortet aber kaum Fragen zu deren Umsetzung, sowohl hinsichtlich der von Fidesz eingebauten legislativen Schranken (2/3-Gesetze) als auch hinsichtlich der Finanzierung. U.a. ist die Abschaffung der Flat tax und die Einführung einer "moderaten, zweistufigen" Einkommenssteuer geplant. Damit soll einer der größten Ungerechtigkeiten der Fidesz-Regierung begegnet werden: diese hat die "Bürden der Krise" mit Sonder- und Transaktionssteuern zwar auch auf Banken und Multis, durch etliche neue und angehobene Verbrauchssteuern und die Flat tax von 16% (und damit dem Wegfall der meisten Freibeträge) vor allem aber auf die untersten Einkommensschichten gepackt. Dagegen konnten sich die oberen 20-25% der Einkommensbezieher über zweistellige Zusatzeinnahmen freuen.

Weitere Schwerpunkte des Programmentwurfs: 220.000 neue "echte Jobs" in vier Jahren (Fidesz versprach 1 Mio. binnen 10 Jahren, schaffte bisher aber nur sinnbefreite, steuerfinanzierte Zwangsarbeitsplätze, während die freie Wirtschaft in Summe stagniert, manipuliert dafür aber ungeniert die Arbeitsmarktstatistiken). Berufliche Trainings-, marktnahe Berufseinstiegs- sowie transparent geförderte Gründerprogramme, mit einer Platzgarantie für alle unter 30 Jahren, sollen viele der in den letzten dreieinhalb Jahren geschätzt 500.000 abgewanderten Ungarn zurücklocken, der "Mittelstand soll gestärkt werden", aber die "Bedürftigen sollen auch eine faire Chance bekommen".

Die Bildungshoheit soll vom Zentralstaat zurück in "die Hände der Lehrer, Eltern und Kommunen" gehen. Studieren soll bis zum ersten Bachelor-Diplom in der Regelstudienzeit kostenlos bleiben, in allen Fachrichtungen. Höhere Bildung ab dem Master-Level soll Studiengebühren kosten, aber durch Stipendien abgefedert werden.

Der Chef der größten Oppositionspartei MSZP, Attila Mesterházy, frisch akklamierter Spitzenkandidat und damit Herausforderer von Premier Orbán, erklärte sich mit dem von Bajnai vorgestellten Programmeckpunkten einverstanden, die "Grundlage für ein gemeinsames Regierungsprogramm" sein könnten. Die Prioritäten seien klar: es gehe darum, "Ungarn wieder in ein lebenswertes Land zu verwandeln", wozu ein gerechtes Steuersystem, Bildungschancen für alle und Jobs gehörten.

 

Mesterházy drängt darauf, dass die Verhandlungen über weitere Partner im Oppositionsbündnis bis Ende dieser Woche abgeschlossen sein sollten. Die MSZP habe mit E2014/PM und der DK von Gyurcsány bereits "konstruktive Gespräche" geführt. Details darüber, ob Gyurcsány selbst auf der gemeinsamen Kandidatenliste aufscheinen wird und wie viele Plätze die DK erhalten werde, wollte Mesterházy "zu diesem Zeitpunkt" nicht besprechen. Es gäbe aber "keine Probleme, die nicht zu lösen" seien.

Die E2014-Teilbewegung Szolidaritás bekannte sich namens ihres Chefs, Péter Kónya, zum neuen Bündnis, Milla-Chef Juhász hatte hingegen
seinen Austritt erklärt. Die grün-liberale LMP sowie die "links-patriotische" Partei 4K!, die sich vor allem für die Marihuana-Freigabe stark macht, schlossen ein Zusammengehen hingegen aus, so kommen als weitere Bündnispartner lediglich Kleinstparteien wie SZEMA (linksliberal), die "echten" Sozialdemokraten und einige "Ein-Mann-Parteien" ehemaliger SZDSZ- bzw. MDF-Politiker in Frage. Maßgebliche Gruppierungen im bürgerlichen Lager gibt es, Dank einer strikten Hegomonialpolitik von Fidesz-KDNP in Ungarn nicht mehr.

Die Regierungspartei kommentierte die Entwicklungen der letzten Tage mit “Farce” der “alten, abgewirtschafteten Kräfte”, die “in Ungarn keiner mehr will”. Fidesz werde der “vereinigten linken Mafia” seine Politik “für das Volk” und “100.000 freiwillige Wahlhelfer entgegenwerfen”, so Kampagnenmitleiter Kósa am Sonntag.

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red.

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