Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

 

 

Hauptmenü

 

 

(c) Pester Lloyd / 43 - 2014 WIRTSCHAFT 21.10.2014

 

Steuern 2015: Direkte Internetsteuer kommt, Ziegen und Hammel werden dafür billiger

Im Zusammenhang mit der gerade im Parlament stattfindenden Budgetdebatte hat Wirtschafts- und Finanzminister Mihály Varga am Dienstag einige Ankündigungen hinsichtlich der Steuerpolitik 2015 gemacht, allerdings unter Vorbehalt der "budgetären Möglichkeiten". Diese sind so vage und unberechenbar wie Orbáns hochfliegende "Größte ... aller Zeiten"-Pläne - und deren Kosten. Eines steht schon fest. Das Steuersystem bleibt teuer und asozial.

Laut Minister Varga sollen die als "befristete Sondersteuern" gegen Telekoms, Handelsketten, Banken und Energieunternehmen 2010 verhängten und zwischenzeitlich mehrfach erhöhten Zusatzabgaben bestehen bleiben. Hinzu kommt eine 25% Steuer auf die Verkaufsprovisionen von Geldanlageunternehmen (freie bzw. bei Banken angesiedelte Aktien- und Fondsmanager).

Die Sondersteuer für Telekomanbieter, die Finanztransaktionssteuer (die auch fällig wird, wenn man die Telefonrechnung bezahlt) sowie eine auf Minuten bzw. SMS umgelegte - und ebenfalls bereits angehobene - Telefonsteuer genügen noch nicht, es muss auch eine direkte Internetsteuer her. Ungarn ist auch hier wieder Vorreiter in Europa. 150 Forint (ca. 50 Cent) pro begonnenem Gigabyte Datentransfer werden fällig, einkommensunabhängig - versteht sich... Bei einem gängigen 10 GB-Paket also bereits stolze 5 EUR. Um das kontrollieren zu können, benötigt das Finanzamt logischerweise auch unbeschränkten Zugang zu den Kunden- und Benutzterdaten, auch wenn offiziell der Serviceanbieter als steuerpflichtig genannt wird. Mehr zur Internetsteuern und der massiven Protestwelle dagegen.

 

Die Körperschaftssteuer von 10% für Unternehmen mit bis zu 500 Mio. Forint (2,4 Mio. EUR) Vorsteuerergebnis und 19% für Unternehmen darüber bleibt ebenfalls bestehen. Ziel sei es, auch hier bald eine einheitliche Flat Tax einzuführen, "wenn es die Wirtschaftslage" erlaubt. Eine Absenkung des Steuersatzes für die Autoindiustrie von 19 auf 10% steht weiterhin im Raum, die Einführung würde derzeit aber zu viel Lärm verursachen. Womöglich regelt man die Angelegenheit über Geldrückflüsse (für Ausbildung, Arbeitsplatzförderungen etc.), dass der spezielle Nachlass kommt, ist aber sicher.

Die Einkommenssteuer bleibt bei 16%, asozialerweise auf alle Einkommen und soll binnen Jahren auf unter 10% gesenkt werden, wünscht sich der Promoter der "Arbeitsgesellschaft", Orbán. Was sich wie ein Steuerparadies anhört, relativiert sich aufgrund von Sozialabgaben und so massiven wie vielfältigen Verbrauchssteuern (16 neue und 8 erhöhte binnen 4 Jahren).

Ungarn hat regional die höchste und europaweit eine der höchsten Abgabenquoten, Flat tax hin, Steuergeschenke an Unternehmen her. Hierzulande, wir berichten das immer wieder, zahlt das gemeine Volk, während die höheren Stände gehätschelt werden - mehr als in den auch nicht gereade reichenfeindlichen westlichen Demokratien. Diese Hintergründe sind wichtig, denn linke Globalisierungsfundamentalkritiker und rechte Führerfanboys vereinigen sich beim Stichwort Orbán schnell in Begeisterungsallianzen, für die es bei Lichte gar keinen Grund gibt. Ungarn wurde - eben auch aufgrund der ständischen Steuerpolitik - zu einem der
ungerechtesten Länder der Gemeinschaft, noch dazu einem, mit der am stärksten ansteigenden Armut.

Unternehmen, die ihren Mitarbeitern bei der Erlangung akademischer Grade unter die Arme greifen (Masterstudiengänge z.B.) können ab 2015 mit einem zusätzlichen Steuernachlass rechnen. Varga erwähnte hier, dass Ungarn "mehr ausgebildete Fachkräfte" brauche. Daran hätte man eimal denken können, bevor ja Hunderttausende davon aufgrund der miserablen Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren ins westliche Ausland flohen.

Striktere Melderegeln mit deutlich gesenkten Schwellenwerten sollen den gängigen Mehrwertsteuerbetrug durch Firmennetzwerke reduzieren helfen, der das Land mutmaßlich 1-3 Mrd. EUR im Jahr an Steuerausfällen kostet. Nach der reduzierten Mehrwertsteuer auf Schweine und Schweinehälften, soll ab 1.1.2015 auch für Rinder, Schafe und Ziegen bzw. deren Fleisch der Steuersatz auf 5% gesenkt werden.Warum man das nicht mit allen landwirtschaftlichen Produkten so handhabt, schließlich laufen die größten Gaunereien mit Getreide, Zucker, Obst und Gemüse, dazu blieb Varga eine Erklärung schuldig, die ihn den Kopf kostete, gäbe er sie. An den europaweit höchsten Mehrwertsteuersätzen auf Grundnahrungs- und andere Lebensmittel ändert sich ebensowenig wie an der Rekordmehrwertsteuer von 27%.

Varga betonte, dass man an dem Grundsatz festhalte, Arbeit steuerlich zu entlasten, dafür Konsum stärker zu besteuern. Schaut man in die Praxis, meint Varga mit "Arbeit" jedoch Profite und nicht die kleinen Einkommen. Die Steuerfreibeträge für Familien mit Kindern werden von 180 Mrd. auf 230 Mrd. Forint im kommenden Jahr angehoben, teilte Regierungssprecherin Kurucz mit, allerdings profitieren davon auch nur Einkommen über dem Durchschnitt, da Familien, die aufgrund ihres Minieinkommens (das sind die meisten!) ohnehin nur wenig Steuern zahlen, auch nur wenig Steuern erlassen bekommen können.

Zusätzlich wird eine Eheprämie eingeführt, frisch verheiratete Paare sollen ein Jahr lang 5.000 Forint pro Monat, also in Summe ca. 200 EUR überwiesen bekommen. Bis 2019 soll das Kindergeld schrittweise von 10.000 auf 20.000 HUF steigen, zusätzliche Boni gibt es für das 2. und das 3. Kind, denn: "eine Nation, die sich biologisch nicht erhalten kann, verliert ihr Existenzrecht", so der Rassentheologe Orbán.

 

Im Bereich Sozialsysteme und -abgaben konnte Varga noch gar keine konkreten Angaben machen. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Rentner, die Patienten und Arbeitslosen wüssten zu gern, wie es hier mit den angekündigten massiven Reformen aussieht. Diese befinden sich aber noch im Bebrütungsstadium.

Überfallssartige Gesetzgebung ist auch hier zu befürchten, - eine der wenigen Dinge, auf die wirklich Verlass bei dieser Regierung ist. Die Budgets der letzten Jahre mussten mehrfach geändert werden, Ausgabensperren und Notsparprogramme waren die Folge und Orbáns Finanzstrategie lässt für die Zukunft Schlimmes befürchten. So groß die politischen Pläne Orbáns - also nicht nur seine vordergründigen Ankündigungen - sind, so groß sind auf Seiten der Opposition auch die Befürchtungen vor dem "größten Sparpaket aller Zeiten".

Die Budgeteckdaten werden im Laufe der Woche bekanntgegeben.

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!.