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(c) Pester Lloyd / 46 - 2016    WIRTSCHAFT     18.11.2016

Deal mit Moskau: EU macht Weg für AKW-Ausbau in Ungarn frei

Mit sichtlicher Genugtuung verkündete Orbáns Kabinettschef János Lázar, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren zum Ausbau des AKW Paks eingestellt habe. Die Bedenken hinsichtlich der Einhaltung von EU-Normen zu Ausschreibungen für das 13 Milliarden Euro teure Projekt konnten ausgeräumt werden, teilte Lázar auf seiner regulären Regierungspressekonferenz am Donnerstag in Budapest mit. Damit sei der Weg frei, dass die Bauarbeiten für die zwei geplanten, neuen Reaktoren im kommenden Jahr beginnen könnten.

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Die Kommission hätte letztlich eingelenkt und der ungarischen Regierung ein Abkommen mit Russland bzw. dem staatlichen Unternehmen Rosatom genehmigt, in dem man bei daraus folgenden Ausschreibungen aus Gründen der Sicherheit und der Betriebsgeheimnisse nicht alle technischen Details offenlegen müsse.

Russland finanziert, so Stand heute, das Projekt mit einem Kredit über 10 Milliarden Euro über 30 Jahre. Dennoch müssen sich auf EU-Gebiet tätige Unternehmen an die hiesigen Vorschriften zu Ausschreibungen halten. Die Kommission warf Ungarn nun vor, unter dem Deckmantel der Sicherheit, diese so zu manipulieren, dass nur Rosatom bzw. deren Subfirmen zum Zuge kommen konnten.

Ungarn habe letztlich eingewilligt, dass für wertmäßig 55% der Aufträge die EU-Ausschreibungsnormen angewandt werden, "alle, die Probleme für Ungarn vorausgesehen haben, erlitten eine spektakuläre Niederlage", ergänzte Lázár. In Wahrheit war es jedoch Russland, das letztlich einlenkte.

Wie es aussieht, verzichten die Russen, wie schon bei einem baugleichen Projekt in Finnland auf die Lieferung der Generatoren und deren Infrastruktur. Für diesen Projektteil, der rund 2-3 Milliarden Euro Wert hat, könnte General Electric zum Zuge kommen, womit sich auch der US-Widerstand gegen das russische AKW-Projekt in Ungarn erledigen würde. Letztlich ging es also um einen Deal um Marktanteile zwischen Ungarn und Russland auf der einen sowie der EU und den USA auf der anderen Seite.

Aus Brüssel erfahren wir von gut informierter Stelle, dass es vor allem der Digital-Kommissar und
Billigflieger Oettinger (früher Energiekommissar und Kernkraftfreund) sowie der Ex-Daimler-Vorstand und heutige Russland-Lobbyist Mangold waren, die Ungarn den Weg in Brüssel ebneten. Ob das Orbánsche Steuergeschenk für Großunternehmen, für das der Daimler-Mann und CDU-Politiker Eckart von Klaeden schon vor zwei Jahren bei Orbán trommelte, der Dank für die Interventionen der Beiden war, werden wir wohl nie erfahren. Die Zufälle häufen sich indes...

Da nun alle Seiten einen Kompromiss erreichten, treten auch EU-seitig politische und energiepolitische Bedenken in den Hintergrund. Experten, selbst solche, die für die Regierung arbeiten, sehen das Projekt nach wie vor als
energiewirtschaftlich abenteuerlich an, vor allem aber überwiegen die Zweifel an einer volkswirtschaftlich tragfähigen Refinanzierung. Viel eher fürchtet man, dass sich etliche Günstlingsunternehmen an dem für 30 Jahre als geheim eingestuften Projekt bereichern werden, während die öffentliche Hand also der Steuerzahler bzw. Stromkunde am Ende die Zeche zahlen wird - über Generationen hinweg. Die Kreditbedingungen Moskaus gelten als deutlich intransparent und deutlich schlechter als jene, die auf dem internationalen Kapitalmarkt zu haben wären.

Bei Lázár klang auch die unverhohlene Vorfreude durch, dass man "nun bald die ersten Zahlungen" aus dem Milliardenkredit abrufen könne, wenn denn bis spätestens 2018 die eigentlichen Bauarbeiten beginnen. Es wurden jedoch immer wieder Gerüchte laut, wonach sich Moskau noch schwer überlegt, ob sie das Projekt durchziehen, die angespannte Haushaltslage in Russland - aufgrund tiefem Ölpreis, abgestürztem Rubel und Schwinden der Devisenreserven - könnte dem noch einen Strich durch die Rechnung machen.

Die umweltrechtlichen Genehmigungen für das Projekt, das 2025 ans Netz gehen soll, hat sich Ungarn
kürzlich erteilt, wobei Umweltschützer bemängeln, dass etliche Parameter, u.a. die Auswirkung einer dauerhaften Erhitzung der Donau, sträflich außer Acht gelassen wurden.

 

Noch nicht ganz vom Tisch sind die Vorwürfe der EU, bei dem staatlichen Anteil der Finanzierung von 2-3 Milliarden Euro handele es sich um eine "illegale Subvention". Lázár meinte dazu, dass man dazu "positive Bescheide in der kommenden Woche" erwarte. Offenbar hat die EU hier zwei Bedingungen gestellt: das Projekt AKW Paks 2 soll separat von der allgemeinen Energieaufsicht abgewickelt werden, um Querfinanzierungen verhindern bzw. aufdecken zu können. Außerdem soll die staatliche MVM, Inhaber des Netzwerkes, nicht auch noch den im AKW produzierten Strom kommerzialisieren dürfen, was einem Staatsmonopol gleich käme und gegen die Marktliberalität in der EU verstieße. Doch sicher wird Ungarn hier ein Konstrukt finden, ein passendes Unternehmen vorzuschalten und die entsprechende Ausschreibung gewinnen zu lassen.

red

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