(c) Pester Lloyd / Archiv
Aus dem Pester Lloyd von 1898
Max Falk
Königin Elisabeth – todt!
Unter diesem Titel erschien der PESTER LLOYD in einer Sonderausgabe am Sonntag, den 11. September 1898. In Eilnachrichten und Original-Telegrammen berichteten die Korrespondenten der Zeitung aus Bern und Genf detailliert über den Mord an Elisabeth, der Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, ihrer Sisi, die am 10. September gegen 12.40 Uhr beim Verlassen des Genfer Hotels „Beau Rivage“ von dem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni mit einem Dolchstoß in die Herzgegend ermordet wurde. Die folgenden Auszüge entnahmen wir dem Leitartikel dieser Sonderausgabe, den der Vertraute der Königin und Chefredakteur des PESTER LLOYD, Dr. Max Falk, in der Nacht auf den 11. September 1898 verfasste.
Eine entsetzliche Nachricht kam aus der Schweiz, und wer sie vernimmt, dem stockt das Blut in den Adern, krampft das Herz sich in unendlichem Weh zusammen: Königin Elisabeth ist ermordet worden. (…) Im innersten Herzen erschüttert und ergriffen, thränenfeuchten Blicks starrt die ungarische Nation in stummer Klage zum Himmel empor, der über unser Land und vor Allem über unseren Monarchen dieses neue niederschmetternde Unglück verhängt hat. Die ungarische Nation verliert und beweint in Königin Elisabeth den Engel ihrer Vorsehung aus jener Zeit, als unser Volk im Banne des Absolutismus schwer darniederlag und das nationale Leben welk und dürr unter einer Eisdecke begraben schien. Nach langen bangen Jahren ging endlich eine Ahnung durch seine Seele, als wäre mit der bayerischen Fürstentochter die Göttin der Erlösung in die Wiener Hofburg gezogen, und diese Ahnung hat nicht getrogen. Nicht mit einem plötzlichen Zauberspruche konnte Königin Elisabeth das Ungemach hinwegscheuchen, das auf unserem Volke lastete, es bedurfte der ganzen Fülle von Geduld und Liebe, die dieser königlichen Frau so reichlich zugemessen waren, es bedurfte der ganzen Macht dieser holden Weiblichkeit und des ganzen Aufgebotes der unvergleichlichen Geistesgaben, die sie auszeichneten, um das Erlösungswerk zu fördern. Aber der erlauchten Frau ist das Wunder gelungen kraft ihres unerschütterlichen Glaubens an die Solidarität der Geschicke Ungarns und des Habsburgischen Hauses, kraft dieses Glaubens, der sich, durch sie genährt und gepflegt, allmälig ihrem königlichen Gemahl mittheilte, und welchen Antheil auch die politischen Ereignisse und Entwicklungen um den Umschwung haben mochten, nie wäre dieser ein solch vollständiger und verheißungsvoller geworden, wenn Königin Elisabeth nicht das Vertrauen des Monarchen zu seinem ungarischen Volk geweckt und befestigt hätte. (…) Auch durch diese neue Prüfung und Marter wird der große Monarch unversehrt hindurchschreiten, unversehrt in seinem Herzen und seiner Seele, unversehrt in seinem Glauben an die Mission, die ihm geworden, in seiner Liebe und in seinem Vertrauen zu seinen Völkern, denen er auch in Wirren und Krisen der Hort ihrer Wohlfahrt und Sicherheit geblieben. (…) In diesen Zeichen ist der Sieg über alle Tücken des Schicksals, über alle Grausamkeiten des Verhängnisses verbürgt, und daran wollen wir festhalten in dieser unglücklichen Stunde, da dem König und uns das Theuerste genommen wurde durch Mörderhand. Ueber sie aber, die Heimgegangene, werden wir noch zu klagen und zu sagen haben, wenn der erste, der sinnzerstörende Eindruck des tragischen Ereignisses gewichen ist und wir des vollen Verlustes, der Österreich-Ungarn und sein Herrscherhaus betroffen hat, erst recht inne werden. Durch den Thränenschleier hindurch, der unser Auge trübt, sehen wir heute Alles nur in schwankenden Umrissen und klar ist unserem Bewusstsein nur das Eine: Der gute Genius Ungarns ist von uns gegangen!“
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