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Aus dem Pester Lloyd von 1898
Adolf Kohut
Bismarck und die Musik
Dr. Adolf Kohut (1848-1917) war promovierter Literatur- und Kulturhistoriker, Schriftsteller sowie ein bekannter Vortragsredner seiner Zeit. Zu seinen Titeln und Auszeichnungen gehören u.a.: Ungarischer Kaiserlicher Rat, Ritter des Franz-Joseph-Ordens, Inhaber des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone. Nach Studium und Promotion wurde er Redakteur u.a bei der „Tribüne“ in Berlin, der „Wiener Zeitung“ und beim Pester Lloyd. Kohut war ein Bekannter Bismarcks, den er 1884 in einem Artikel heftig angriff und darauf aus Preußen ausgewiesen wurde. Er lebte dann in Dresden, wurde aber von Bismarck 1889 zurückberufen. 1910 erfolgte die Ernennung von Kaiser Franz Joseph zum kaiserlichen Rat. A. Kohut verfaßte für den PL insgesamt mehr als 100 Werke zu Themen der Literatur, Kulturgeschichte, Geschichte, Musik, Biographie und Humoristik.
Otto v. Bismarck liebte die Musik schon als Bruder Studio. Während seiner Berliner Studienzeit, als er mit einem Kommilitonen, dem Grafen Kayserlingk, die „Bude” theilte, musste ihm der Genannte, der ein ausgezeichneter Klavierspieler war, oft auf dem Klavier vorspielen. Bismarck hörte namentlich Beethoven gern. Für den gewaltigen Tonheros hegte er seitdem die größte Verehrung, und wir wissen, dass er auf dem Flügel oft zu seiner Erholung oder Zerstreuung Beethovensche Kompositionen, wenn auch nur als Dilettant, zum Besten gab.
Und er schreibt z.B. einmal an seine Gemahlin gelegentlich seines Aufenthaltes in Wien am 11. Juni 1852: „Ich komme eben aus der Oper, mit Old Westmoreland, Don Giovanni von einer guten italienischen Truppe, bei der ich die Miserabilität des Frankfurter Theaters doppelt empfand“. Wie für Klavier und Oper, so interessierte sich Bismarck allezeit für den Gesang, und seelenvoll vorgetragene Lieder und Chorgesänge machten stets tiefen Eindruck auf sein Gemüth.
Als er z.B. im Juni 1852 in Pest war, wollte ihm ein englisches Lied, welches ihm einst Jemand vorsang, gar nicht aus dem Sinn. Auch die Zigeunermusik, welche er im Alföld Ungarns während seines Aufenthaltes im genannten Jahr zu hören bekam, erregte seine lebhafte Aufmerksamkeit. Das Fremdartige dieser Zigeunerweisen hatte für ihn etwas ungemein Anziehendes. In diesem Sinne schrieb er aus Szolnok, den 27. Juni 1852, an seine Gattin: „Die wildesten und verrücktesten Zigeunermelodien schallen mir ins Ohr. Dazwischen singen sie durch die Nase und mit aufgerissenem Mund, in kranker, klagender Molldissonanz, Geschichten von schwarzen Augen und dem tapferen Tod eines Räubers, in Tönen, die an den Wind erinnern, wenn der Schornstein lettische Lieder heult.“
Das musikalische Gehör der Magyaren und Zigeuner erweckte sein Erstaunen, und er hebt ausdrücklich hervor, dass sie die Musik auswendig wissen, obschon sie, wenn man einen Tanz noch einmal hören will, ganz verwundert ausrufen: „Hogy volt?“ („Wie war das?“) und sich fragend ansehen, als hätten sie nicht recht verstanden.
Wie gern Bismarck Musik hörte, beziehungsweise hört, beweist schon der Umstand, dass er im Juli 1864, als er schon preußischer Minister-Präsident war, bei seiner Anwesenheit in Wien es nicht verschmähte, zwei Stunden im Volksgarten zu verweilen und dort den Klängen der Musik zu lauschen, obschon er, wie er klagte, von den Leuten angestaunt wurde. Ein Jahr darauf befand er sich in Baden und berichtete mit Freude von dem prächtigen Quartett beim Grafen Flemming mit Josef Joachim „der seine Geige wirklich wunderbar gut streichelte“. (…)
Der Altreichskanzler ist, wie man sieht, doch besser als sein Ruf!
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