Aus dem Archiv des Pester Lloyd

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(c) Pester Lloyd / Archiv

 

Aus dem Pester Lloyd von 1899

Ludwig Hevesi

Etwas Feminismus

Ludwig / Lajos Hevesi war faktisch der Pressesprecher der Wiener Sezessionisten und gleichzeitig ihr konstruktivster Kritiker. Wann immer das Rudel bunter Hunde ihre Jugendstile toben liess, sprach er davon und versuchte zwischen Kunstrevoluzzern und konservativem Publikum zu vermitteln. Ein zweckloses Unterfangen, denn die Konservativen kauften am Ende doch alles auf, erhoben Klimt & Co zur Nationalfolklore und machten deren Bilder damit zu Gedenktafeln ihrer Erschaffer. Geplant war jedoch einmal das Gegenteil dieser Nationalikonographie und so hat es auch sarkastischen Charme, dass 2005 Klimts "Adele" Wien auf Nimmerwiedersehen verlassen musste, war sie ja längst zu Österreichs teuerster Tapete verhunzt worden.

Der 1843 in Pest als Ludwig Hirsch geborene Hevesi war aber auch ein sehr amüsanter Schriftsteller und Essayist. Er pendelte, wie so viele, zwischen Budapest und Wien und beglückte die Leser mit zahlreichen Beiträgen. Er arbeitete fast 40 Jahre für den Pester Lloyd, in dem er vor allem mit seinen "Pester Briefen" und "Ofner Zuständen" beliebt wurde. Sein Pamphlet zum Feminismus als etwas längere Einleitung zu einer Buchrezension, würdigt sowohl seine Progressivität wie sein Sprachtalent. Ludwig Hevesi wählte vor 2010 den Freitod, natürlich in Wien. m.s.

“Das Wort „Feminismus“, das man jetzt so oft liest, hat für den wohlgeordneten Bürger etwas Unsympathisches, um nicht zu sagen Unheimliches. Es münden so allerlei Vorstellungen hinein von sozialem „Damenkrieg“, Frauenrechtlerei, Emanzipirluft, Mannweiberei unlauterem Mitbewerb, Mondainethum, weiblicher Streberei u. s. s. Der Begriff wird auch mannigfach verunreinigt, es ist ja klar, womit und wieso. Auch heften ihm die Gegner etwas Scherzhaftes an, schon seit den Weiberkomödien des Aristophanes, so dass das in dieser Richtung einherstrebende Weib als eine Art Parodie des Mannes angesehen wird. Die unterschiedlichen Satiren über den „Weiberstaat“ kommen in der Weltliteratur gleich nach denen über den „Affenstaat“.

Aber die Frau läßt sich nicht abschrecken und schreitet mit ihrem Herzen leichten Tritten fast unhörbar weiter, mit diesen verlorenen Schritten durch alle die Salles des pas perdus der Gesetzeshallen. Unbeirrt durch die vielsprachige, vielstimmige Literatur, die sich um sie her aufthürmt, voltigiert sie über Barrikaden von Streitschriften und ad acta gelegten Gesetzentwürfen hinweg. Gäbe es einen Zähigkeitspreis zu gewinnen, sie müsste ihn längst haben. Wenn sie einstweilen noch nicht siegt, so erobert sie doch. Sie erobert die Männer und befehligt bereits eine ganze männliche Armee von Soldaten, wie Gladstone, Stuart Mill, Ernest Legouvé. Sie ist auch taktvoller geworden und ruft nicht mehr: „Eva contra Adam!“, sondern „Eva pro Eva!“ und statt romantischer Utopien verkündet sie nüchterne Programme von wenigen Punkten, die eigentlich Ziffern sind; sie ruft das Einmaleins zu Hilfe, gegen das es keine tendenziösen Argumente gibt.

Es ist eigentlich ein Widersinn, dass in unserer Zeit, die nachgerade selbst das „Recht der Minoritäten“ anerkennen muß, eine solche Majorität (um wie viele Millionen!) wie die Frau sich erst noch dem immer zunehmenden „Kampfe der aufgeopferten Klassen“ anschließen muß. Aber doch nur ein einstweiliger Widersinn, wie ja die Natur, die in ewiger Vervollkommung begriffene, von solchen wimmelt. Auch die Fragen, selbst die größten, reisen nicht anders als die Äpfel und fallen im richtigen Augenblick vom Baume. Man möchte dies den Augenblick der Selbstverständlichkeit nennen. Für jede Kraft in der Natur kommt dieser Augenblick. Eine Kraft ist nun einmal nicht zu vernichten, so wenig als eine Zahl in einer Rechnung. Sie ist und bleibt als mechanische Spannung vorhanden und lässt sich in lebendiger Wirkung aus, sobald es ihr möglich wird. Man lese die Biographie dieser und jener Idee durch die Jahrhunderte hin; durch die Jahrtausende etwa. Man wird schwerlich behaupten können, dass die Frau nicht früher oder später erringen werde, wonach sie strebt.

Die Gleichberechtigung, oder wie man es sonst nennen mag. Sie wird Alles durchsetzen, wenigstens im Prinzip; ob sie auf die Dauer und im Durchschnitt die Kraft haben werde, das errungene Recht auszuüben, also praktisch zu behaupten, dass sieht kein Prophet voraus. Darüber wollen wir in dreihundert Jahren weitersprechen. Aber es wird wohl gar nicht so weit zu kommen brauchen. Der Frau wird ihr Recht werden, wie jedem menschlichen Wesen, denn kein Mensch ist auf die Dauer stark genug, den Andern zu hindern, ebenfalls Vollmensch zu sein. Die Gesellschaft wird sich überhaupt ausbauen, und zwar durch Gerechtigkeit nach allen Seiten und in jedem Sinne. In irgend einer fernen Zeit wird der große Generalausgleich vollzogen sein. Es wird keine Enterbten, noch Rechtlosen geben.

Jeder Mensch wird sein Recht haben auf Alles, und das sogenannte Existenzministerium, auf das wir bereits ganz von ferne auf Umwegen zusteuern, wird nicht nur Brod und Dach in sich begreifen, sondern auch Liebe, Familienluft, Behagen, ästhetischen Genuß und was noch Alles. Der Begriff des Menschenwürdigen wird sich sehr erweitert haben, sogar bis ins Überflüssige hinein; le superflu, chose très-nécessaire, sagt irgend ein französischer Denker. Denn erst wenn der Mensch zu viel hat, hat er genug. Das Wort „genug“ natürlich nicht im Sinne des Einzelnen genommen, der eigentlich nie genug hat, sondern im Sinne der Gemeinsamkeit, die nicht verpflichtet sein kann, ihm mehr zu gewährleisten, hält aber einmal die Gesellschaft so weit, dann entfällt für die Durchschnittsfrau jeder Anlaß, aus ihrem uralten ewigweiblichen Kreise herauszustreben. Geliebte, Gattin, Mutter, Gefährtin, Erzieherin, Walterin des Hauses: welch ein ungeheures Ressort! Vor Allem aber wird ihre Nützlichkeit wieder darin bestehen, etwas Angenehmes zu sein: eine Verschönerung, ein Behagen, eine Gemüthlichkeit; der geliebte Besitz, die gewohnte Sicherheit, das zweite Ich, in Gottes Namen die „bessere Hälfte“, ganz wie in arkadischeren Zeiten. Die Frau wird im Werthe gestiegen sein, denn sie wird wieder das pretium affectionis haben; den Liebhaberwerth, sagt der deutsche Ausdruck etwas zweideutig, aber nicht ohne guten Grund doppelsinig. Bis dahin freilich wird Eva viel durchzumachen haben. Ihr wird vor ihrer Mannähnlichkeit mehr als einmal bange werden. Allein durch dieses Stadium heißt es hindurchgelangen, todt oder lebendig.

Da ist heuer in Paris ein „Almanach féministe“ für das Jahr 1899 erschienen. Die Herausgeberin ist Madame M a r v a – C h é l i g a, Schriftstellerin und Professorin an der Brüsseler Neuen Universität. Ein Buch von äußerst buntem Inhalt, das die Fortschritte des Feminismus widerspiegeln will. Einzelne talentvolle Frauen haben wieder einzelne schwierige Punkte des Weges forcirt, manche freilich mit Einsatz von Leib und Leben. Das ist lehrreich. Betrachten wie z.B. die Erfolge der Madame Helina Gaboriau, deren Bildnis auch mitgetheilt wird. Sie ist „seit einige Tagen die einzige Frau in Frankreich, die zugleich Apotheker und Doktor der Medizin ist“. Ein Mitarbeiter interviewt sie. Sie wohnt bei Paris und hat Mann und Kind. Ihr Mann ist Arzt und ihm zuliebe wurde sie es auch, ohne die geringste Neigung dazu zu haben. Die Leichen flößten ihr sogar den größten Widerwillen ein, war sie doch schon als kleines Mädchen vor dem Schaufenster eines Fleischers ohnmächtig geworden. Aber sie gehorchte ihrem Manne, hörte seine Vorlesungen, brachte die Nächte in den Spitälern zu. Sie plagte sich so, dass sie schwer krank wurde. Aber ihr Mann war glücklicherweise Spezialist in der Behandlung von Überanstrengung des Gehirns und rettete sie durch „Zinkphosphat und Strychnin-Arsentat“. Ihr Mann beschrieb dann den Fall wissenschaftlich. Heute ist Frau Dr. Gaboriau doppelt graduiert und – hoffentlich – glücklich. Obwohl wir uns nicht recht denken können, dass ein so widerwillig betriebenes Studium ihr wirklich das wahre Lebensglück gewähren wird. Umsomehr, als der Interviewer sie als Mutter ihrer Tochter förmlich verherrlicht. „Sie hat nichts (?) von ihren Pflichten als Mutter und Gattin versäumt. Der Finger, der das Skalpell führt, meistert auch die Nähnadel, und die Blouse der Studentin schadet der Schürze der Hausfrau nicht.“ Nun, das sind jedenfalls Phrasen. Das ärztliche Studium ist keine Nebenbeschäftigung, sondern fordert den „ganzen Mann“; wer die Tage bei Vorlesungen und die Nächte in Spitälern“ verbringt, m u ß ihr Kind vernachlässigen, schon weil sie nicht an zwei Orten zugleich sein kann. Der Interviewer sagt übrigens, dass sie „ihr doppeltes Wissen der normalen Entwicklung der weiblichen Schönheit widmen wird“. Also eine Doktorin für den Toilettenbedarf, vielleicht Kämpferin für eine vernünftigere Schnürbrust u. dgl.? Nun, das ist ja auch nützlich, aber ein schweres Nervenleiden braucht man sich zu diesem Zwecke nicht zuzuziehen. Einen solchen Beruf sollte man Frauen überlassen, die dazu organisiert sind, z.B. jenem Fräulein Robineau, das, wie dass feministische Jahrbuch mittheilt, kürzlich zum Professor an der medizinischen Schule zu Rouen ernannt wurde, und zwar im Wege des Wettbewerbes.

Das Weib nach seiner heutigen Leistungsfähigkeit scheint in der That nicht die durchschnittliche Eignung für männliche Laufbahnen zu haben. Selbst mit der Kunst, die dem weiblichen Wesen so viel mehr entgegenkommt, werden bedenkliche Erfahrungen gemacht. Da wird z.B. unter den feministischen „Eroberungen“ des Jahres der Erfolg verzeichnet, dass die Pariser Kunstakademie endlich auch Schülerinen aufnehmen muß. Das gab schwere Stürme. Anfangs lehnten sich die Schüler so heftig gegen die Kolleginnen auf, so dass die Anstalt auf einen Monat geschlossen werden musste. Dann schlug die Stimmung um und die jungen Leute wurden sogar zu kirre. Seitdem sind zwei Jahre verflossen und was ist das Ergebnis? „Null,“ sagt das Jahrbuch selbst. Anfangs war der Andrang sehr groß; nicht weniger als 180 weibliche Einschreibungen. Bei den Aufnahmeprüfungen waren nur noch 45 übrig, und blos zwei erwiesen sich wirklich aufnahmefähig. Beide trieben Malerei, einen Preis aber hat keine davongetragen. Im zweiten Jahre gab es nur noch 34 Bewerberinnen, von denen wieder zwei die Prüfung für die Malklasse bestanden. Für die Plastik hatten sich jedes Jahr zwei gemeldet, die eine ging sogar durch zwei Prüfungen mit, bei der dritten aber meldete sie sich nicht mehr. Für die Architektur meldete sich bloß eine Amerikanerin, die im ersten Jahre nicht bestand, im zweiten aber ihre Aufnahme durchsetzte. Es gibt also heuer ganze drei Schülerinnen an der Akademie. Und dazu hat man das Parlament in Bewegung gesetzt!

Möglich, daß der langwierige und beschwerliche Studiengang es ist, den die jetzige Frau nach ihrer ganzen Vorgeschichte noch nicht verträgt. In Amerika, wo man mit der Sache schneller fertig ist, nimmt die Zahl der männlich beschäftigten Frauen gewaltig zu. Nach dem letzten amtlichen Ausweise der Vereinigten Staaten ist die Zahl seit 1871 folgendermaßen gestiegen: Schauspielerinnen von 692 auf 3862, Archikektinnen von 1 auf 50, Malerinnen und Bildhauerinnen von 412 auf 15.340, weibliche Pastoren von 67 auf 1522, weibliche Ingenieure von 9 auf 201, Zahnärztinnen von 31 auf 417, Gesetzeskundige von 5 auf 471, weibliche Beamte von 414 auf 6712, weibliche Ärzte und Chirurgen von 527 auf 6882, Theaterdirectricen von 100 auf 943, Kopistinnen und Sekretäre von 8016 auf 32.824, Stenographinnen und Topographinnen von 7 auf 50.633 u. s. w.

In Neu-Seeland haben sie auch das politische Wahlrecht und bedienen sich dessen recht vernünftig. Im Staate Idaho (Nordamerika) ist heuer Miß Lucy Deane schon zum Unterrichtsminister gewählt worden, und Miß Clach ist zum Regierungsagenten in einer Indianer-Reservation ernannt. Auf jener liberalen Hemisphäre werden es die Frauen bald weit gebracht haben. Vereinzelt bringen sie auch anderwärts und in allen Berufen durch. Mrs. Jane Powels ist Kapitänin zur See, mit einem englischen Diplom, und kommandirt theils unter ihrem Manne, theils selbstständig. Miß Mülleken hat den Lehrstuhl für englische Sprache an der Universität zu Peking erhalten. Mlle. A. Tumarkin ist Privatdozentin der Philosophie an der Berner Hochschule und Frl. Elsa Eschelson Professorin (Dozentin?) des Rechts an der Universität Upsala. In Frankreich dürfte die Advokatur den Damen bald freigegeben werden; Männer wie Deschanel, Poinvaré, Bourgeois, Mézière, Flourens setzen sich für den Gesetzentwurf ein. In einer ganzen Reihe von Staaten sind die Damen bereits in vollem Plaidiren begriffen. Auf anderen Gebieten glänzen die Lichter mehr vereinzelt. Die französische Soziologin Mlle. Dick May hat einen Weltruf errungen, die Astronomin Frl. Klumpke (eine Amerikanerin) ist nicht die einzige an der Pariser Sternwarte; ihre Schwester ist die sezessionistische Malerin, die bei Rosa Bonheur gelebt hat. In Italien hat Signora Amalia Rosselli bei einer dramatischen Preisbewerbung den Preis von 2000 Lire davongetragen. Ihr Stück heißt „Anima” und sie führt darin den Nachweis, dass die Jungfräulichkeit der Seele wichtiger sei als die des Körpers. Das ungenirte Stück soll schon in mehreren Städten mit großem Beifall aufgeführt sein. Daß in Paris seit Ende 1897 ein großes politisches Tageblatt „La Fronde” erscheint, daß bloß von Damen geschrieben wird, dürfte bekannt sein. In seiner Redaktion wird schwerlich weniger geleistet, als in den meisten männlichen. Das „Internationale feministische Theater”, das Madame Maryo-Ebéliga 1897 gründete, um Stücke von Damen aufzuführen, hat allerdings keinen Beistand gehabt.

Das Jahrbuch beschäftigt sich dann noch mit allerlei feministischen Dingen von Interesse; z.B. mit den „moderenen Sadinerinen ”, d. h. der großen weiblichen Friedensliga, deren Präsidentin die Fürstin ? ist und die an 200.000 Mitglieder zählt. „Wir haben ja die Armeen gesäugt!” rufen die moderen Sadinerinnen aus, indem sie ihr Recht der Friedensstiftung verkünden. In einem scharfen Artikel wird ein Fall behandelt, wo eine algerische Jury einen Herrn freigesprochen hat, der seine Schwester wegen eines Verhältnisses mit einem Notar erschoß. Warum nicht lieber den Notar? Wird sehr richtig gefragt, wobei der Frager meint, daß die Jury in diesem Falle den Mörder schwerlich freigesprochen hätte.

Ein sehr drolliges Kapitel ist eine Umfrage bei berühmten Männern: wie sie sich eigentlich die Frau des zwanzigsten Jahrhunderts wünschen? Natürlich gehen ihre Ideale weit auseinander, aber sie sind doch wieder zu sehr Franzosen, um sich nicht häufig zu begegnen, etwa in der Sehnsucht nach einer neuen Jeanne d’Arc, die dan natürlich von Allem die „prussiens” vertreiben würde. Für Jeanne d’Arc stimmen Gully-Preudhomme, Clovis Huguet (der aber eine Stichwahl zwischen ihr, der Mutter der Crachet und... der heiligen Klara zuläßt), Henri Maret (aber gemischt mit Madame Roland, und etwas Madame de Clail hinein), dann M. Laisant (eventuell die Philosophin Hopatia aus Alexandrien, oder auch Mrs. Beecher-Stowe, die Verfasserin von „Onkel Tom’s Hütte”). Die Jungfrau von Orleans hat jedenfalls die Stimmenmehrheit. Der Dichter Henri de Bornier schlägt die Troubadourfürstin Clémence Isauve vor, was im Frankreich des künftigen Jahrhunderts ein schönes Herrengezwitscher hervorrufen würde. Mehrere sehnen sich nach Cornelia, Mutter der Grachen und Madame de Sévigné; Jules Claretie wünscht sogar, daß jede Zukunfts-Französin ein Gemisch von diesen beiden sei. Wie man es dann in dem Lande vor lauter Heldensöhnen und Damebriefen aushalten sollte, sagt er nicht. Huysmans wünscht sie alle den Klosterfrauen gleich.

Saint-Saens stellt Mutter Eva als Vorbild auf, was die Kultur der Calville-Aepfel jedenfalls bedeutend heben würde. Der Komponist Reyer schlägt gar Agrippina (?!) vor, und der Poet Rostand die schöne Sünderin Manon Lescaut (er bleibt ja Junggeselle), Jean Richepin sehnt sich nach achtzehn Millionen Königinen von Saba, sagt aber auch nicht, warum. Der Bildhauer Saint-Marceaux empfiehlt als Muster „jene unbekannte Frau, deren Namen ein einziger Mann ausgesprochen hat”, und ähnlich Gatusse Mendès „die unbekannteste von denen, deren Namen Niemand weiß”. Der Klügste ist wohl Herr Poincaré; er empfiehlt dringend, Niemanden nachzuahmen. Auch dürften die Französinen der Zukunft seinen Rath befolgen.

Doch das sind Scherze. Ein französischen Feministen aber ist es voller Ernst um ihre Bestrebungen. Denn die Französin ist wirklich ein Stiefkind vor dem Gesetze. Der Code Napoléon hat sie zu Leib- und Seeleigenen gemacht. Sie ist dem Gatten unbedingten Gehorsam schuldig (Napoleon dachte dabei an die lockere Josephine) und mit Gut und Blut sein Eigenthum, seine Sache. Was sie durch schwere Arbeit verdient, darüber hat er allein die Verfügung; er kann es verprassen, es dient seinen Gläubigern als Pfand. Die Kinder, die sie in die Welt setzt, hängen blos vom seinem Willen ab. Und dann fordern die Frauen das Recht der Zeugenschlaft und das Recht der Vormundschaft. Weiter verlangen sie nichts, aber diese Degradation durch ein paar nichtsnutzige Paragraphen des Code wollen sie bis aufs Messer bekämpfen. Wer sollte ihnen darin nicht jeden Erfolg wünschen? Das, sagen sie, ist unser Feminismus; das Uebrige sind schlechte Witze. Was später folgt, wird Individualismus sein; „es hat immer Frauen mit Schnurrbärten und Männer mit glatten Gesichtern gegeben.” Männer werden die Frauen niemals sein wollen, weil sie das nicht sein können; im Gegentheile, aus der Sklaverei befreit, werden sie erst recht mit Eifer in die Fußstapfen der Vorläufer treten, der Wegweiser „zu einer Aera der Brüderlichkeit, Güte, Gerechtigkeit, Liebe, all dieser prächtigen Elemente, aus denen die Seelen einiger von uns sich gern die Zukunft zusammensetzen.”