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Aus dem Pester Lloyd von 1907
Julius von Ludassy
Die Schönheit der Magyarin
Wie seltsam! Da beschäftigen sich die Leute mit Ministern, Diplomaten und Zigeunern. An die sommerlichen Zusammenkünfte gekrönter Häupter werden sinnvolle Erwägungen geknüpft. Lauter Kinkerlitzchen! Und gerade das Wichtigste wird außer Acht gelassen, gerade das Merkwürdigste wird nicht in das gehörige Licht gerückt. So ist es denn geschehen, dass man ohneweiteres über eine Thatsache hinwegschritt, bei der Erörterung in höchstem Maße würdig ist.
Man denke nur: im Laufe der letzten Zeit hat es sich ereignet, dass außerhalb Ungarns drei junge Magyarinnen Schönheitspreise errungen haben. Wien, das gerade auf diesem Gebiete unleugbar eine feine Sachkenntnis besitzt, hat translaithanischem Liebreiz gehuldigt; Marienbad, wo üppige Rundungen aus aller Herren Länder wieder zierlicher Schlankheit zustreben, hat zwei Damen aus der Königsstadt an der Donau die Palme der Anmuth gereicht.
Es ist also eine ausgemachte Sache: die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder vertragen sich vielleicht in der Quotenfrage nicht, auch nicht in der Bankfrage, aber das macht nichts; seine Mannheit beugt doch das Knie vor der verschnürten Venus aus den Gauen der Stephanskrone. Die reizenden Kinder der ungarischen Erde treten nämlich in die Fußstapfen des frommen Helden, indem sie die Welt für das Evangelium der Schönheit begeistern. Und Heil den Wackern, die sich bekehren! Heil ihnen, die so schmucke Triumphatorinnen heimführen! Die flatternden Wimpel, mit denen sie in den Hafen der Ehe steuern, tragen das ungarische Wappen. Und Eines ist den Glücklichen sicher: die Kommandosprache ist ungarisch! (…)
Einen solchen Fortschritt im Sinne der modernsten Anschauungen hätte Ungarn nicht zu bedauern. Denn wenn es sich rühmen kann, über die herrlichsten Frauen zu verfügen, so ist ihm damit in einem Zeitalter, das dem Weibe einen maßgebenden Einfluß zuweist, auch eine Stellung als europäische Großmacht gesichert. Das geht ganz einfach zu. Wenn das Glück den magyarischen Reizen hold bleibt und sich ihr Ruf noch mehr festigt, wird sich der Adel aller Nationen, der sich, wie man sagt, auf des Ewig-Weibliche verstehen soll, bestreben, vornehmlich Ungarinnen zu heirathen.
Warum auch nicht? Schönheit ist immerbar der Krone würdig. Darin zeigt sich auch der tiefe Sinn, der das ungarische Staatsrecht durchwaltet. Denn wenn heute sogar das feindselige Oesterreich dem Liebeszauber unterliegt, den magyarische Frauen ausüben, wäre der Träger der Stephanskrone sicher vor Entzücken nie zu einer Wahl gelangt; hierdurch wäre nicht nur Fortdauer und Bestand seines Hauses in Frage gestellt worden, auch die notwendigsten Regierungsgeschäfte hätten empfindlichen Schaden genommen.
Die Schönheit der Magyarin hat aber solche Schaustellungen nach altrussischem Muster überdies nie nöthig. War ihr auch die Gelegenheit benommen, sich vor der erhabenen Person des Souveräns zu entschleiern, so hat sie doch gelegentlich Mittel und Wege gefunden, über Österreich zu herrschen – als ungekrönte Königin. (…) Heute gibt es keine Ungarin, die Kraft ihrer Schönheit eine ähnliche Stellung einnähme. Wollte es man diesem Lande, diesem Volke verdenken, wenn es seine Töchter mit immer holdseligeren, immer verführerischen Reizen ausstattet?
Wenn es sie in die Welt sendet, um nach mittelalterlicher Art Eroberungen zu machen? Um unterschiedliches Stroh in Brand zu stecken? Die drei schmucken Magyarinnen, die auf österreichischem Boden als Mädchen aus der Fremde aufgetreten sind, haben drüben die heimische Weiblichkeit arg in den Schatten gestellt, sie haben diese einfach an die Wand gedrückt. (…)
20.8.1907, S. 1
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