Aus dem Archiv des Pester Lloyd

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Aus dem Pester Lloyd von 1933

Benito Mussolini

Die Aussichten des neuen Jahres

siehe dazu auch: Paneuropa, 1930

Das neue Jahr 1934 erweckt in den Herzen die alten Besorgnisse, Fragen und Hoffnungen. Was soll das neue Jahr bringen? Gehen wir besseren Zeiten entgegen oder wird sich die Lage verschlechtern? Das ist die Frage, die die Staatsmänner, die politischen Lenker der Länder und überhaupt alle verantwortlichen Männer jeder Nation sich stellen sollten, um in ihrem Gewissen die Kraft zu finden, für das Gemeinwohl zu wirken. Es hat keinen Sinn, sich in leere Illusionen einzuwiegen. Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, meine tiefe und unbedingt Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, daßs unter allen Feinden der Menschheit und allen ihren Übeln einer der schlimmsten der unfähige und törichte Optimismus ist.

Sich selbst überlassen, werden die Dinge sich nicht automatisch bessern. Eher werden sie auf der schiefen Ebene abwärtsgleiten, in die Katastrophe kollern. Wenn Gebrechen bekannt und lokalisiert sind, kann man vernünftigerweise irgendein Heilmittel anwenden. Man kann sie dann auch gänzlich vermeiden, öfter, als die geistige und körperliche Trägheit der Menschen es glauben möchte. Sie entschuldigt sich mit der Berufung auf das Schicksal, wo es sich im Gegenteil um die Wirkungen verwirrten und schwachen Geistes handelt.

Der faszistische Glaube ist ein heroisches Vertrauen in die Macht des aktiven, klugen und wirkungsvollen menschlichen Willens. Wo es einen Willen gibt, gibt es auch einen Weg. An der Schwelle des neuen Jahres wollen wir die Wege betrachten, die der unzähmbare menschliche Wille im Jahre 1934 planen oder ebnen könnte, um einen entscheidenden Schritt zu einem helleren Horizont zu machen.

Sechzehn Jahre nach dem Kriege sollten wir endlich eine Beseitigung der Kriegsfolgen erreicht haben und uns an das Werk des Wiederaufbaus begeben. Aber im internationalen Leben scheint die Lage für solche Aufgaben nicht günstig zu sein. Die Existenz des Völkerbundes steht auf dem Spiele. Aber schon in den Tagen, in denen es wenigstens den Anschein der Einigkeit gab, war es schwer, von der Genfer Versammlung eine wichtige Entscheidung zu erhalten.

Der große Faszistenrat hat die Würfel geworfen. Entweder wird der Völkerbund eine Reform erfahren, oder er ist zum Untergang verurteilt. Der Reformgedanke wird die Oberhand gewinnen, um so mehr, als nichts die Ansicht stützt, als ob die italienische Anschauung einen Nachteil für die kleineren Länder mit sich brächte. Das Gegenteil ist richtig. Wenn Italien ein stabiles Einvernehmen unter den Großmächten anstrebt, so tut es das auch zu dem Zweck, um in einer besseren Weise die friedliche Entwicklung der kleineren Länder zu garantieren, die nicht das Einvernehmen, sondern die Zwistigkeiten zwischen den Großmächten fürchten müssen.

Eine andere Frage, die ungelöst aus diesem Jahr ins nächste übergeht, ist die der internationalen Verschuldung. Meine Regierung hat von ihrem guten Willen jetzt erneut Beweise abgelegt, indem sie noch einmal ihre Schuld an die Vereinigten Staaten anerkannte und eine Zahlung von 1 Million Dollar leistete, um – im Gegensatz zu gewissen anderen Ländern – zu zeigen, daß sie die Schuldenfrage nicht durch einen Prozedurtrick als gelöst betrachtet. Das ist der Geist der Loyalität und der Ehre finanziellen, politischen und juristischen Verpflichtungen gegenüber, den ein Volk wie das italienische, das auch in der Rechtssphäre eine alte Kultur besitzt, in seinen Beziehungen zu einer großen Nation, wie die Vereinigten Staaten, an den Tag legt. Mein Land vergisst nicht die freiwillige und edelmütige Intervention der Vereinigten Staaten während des Weltkrieges, und es berücksichtigt sie selbst in diesem Augenblick der Not, im Bewusstsein, daß Ehrenverpflichtungen heilig sind, und in gerechtem und vernünftigem Maße geachtet und erfüllt werden müssen.

Die Freunde einer völligen Abrüstung mussten ihre Hoffnungen begraben. Die Anstrengungen der Abrüstungskonferenz müssen als vergeblich angesehen werden, und Europa und die Welt müssen einen neuen Anfang machen, wenn wirksame Ergebnisse erzielt werden sollen. Die Lösung dieser Frage kann von einer Reform des Völkerbundes ausgehen. Diese Körperschaft könnte von ihrer gegenwärtigen Ohnmacht durch eine Meisterhand emporgehoben werden, um sich selbst Entschiedenheit und Prestige und in internationalen Beziehungen Beruhigung zu geben. Wenn es auf einer Seite zu viel Beweise des Wunsches nach Abrüstung gibt, so fehlt auf der anderen der Wille und der Geist, der die Abrüstung verwirklichen könnte. Alle Völker machen sich anheischig, die Rüstungen zu beschränken, doch wenn man sie beim Worte packt, verschleiern Angst und Misstrauen die wirkliche Lage und dämpfen die guten Absichten der besten Völker.

Es ist eine beunruhigende Zweifelsfrage, ob wir den Völkerbund stärken können um die Abrüstung zu verwirklichen. Ein Völkerbund, in dem die mächtigsten Nationen fehlen, ist zwecklos. Um wirkungsvoll zu werden, braucht er eine Verständigung auch mit den Völkern, die den Frieden stören könnten. Das Jahr 1934 muß entweder dieses Einvernehmen bringen, oder aber, was wahrscheinlich ist, fallen wir in das alte System des Kräftegleichgewichts zurück. Zu Beginn des Jahres werden schon Frontstellungen bezogen für den Fall, daß der Völkerbund einen Mißerfolg erleidet. Es genügt, die bedrohlichen Tatsachen am Stillen Ozean im Auge zu behalten, wo drei mächtige Völker um ihre Stellung ringen, um zu begreifen, daß entweder ein Einvernehmen zwischen den Nationen zustande kommt, um den Krieg zu vermeiden, oder der Krieg unvermeidlich ist.

Dessenungeachtet und trotz dieser und anderer gerechtfertigten Besorgnisse, glaube ich nicht, daß es eine Gefahr in diesem Augenblick gibt; erstens, weil die großen Kapitalien fehlen, die notwendig sind, um einen Krieg vorzubereiten, und zweitens, weil wir jetzt eine Periode interner Beruhigung und internen Wiederaufbaus erleben. Diese Gründe veranlassen viele unter den mächtigsten Ländern der Welt, eine Außenpolitik des Abwartens oder jedenfalls des Zeitgewinnens zu verfolgen.  

In der Tat, während die internationale Lage verwickelt und voll unbekannter Faktoren ist, läßt die innere Situation einiger Länder gewisse Hoffnungen zu. Viele alte Götzen, denen ein überlebter Kultus Ehre erwiesen hat, sind jetzt in Stücke zerfallen, als Trümmer des alten Systems demokratisch-liberalistischer Ideologien, an die niemand in der jungen Generation mehr glaubt. Verantwortlichkeit gewinnt immer größere Bedeutung und nimmt sichtbare menschliche Gestalt von Einzelpersönlichkeiten an, anstatt sich in neblige und verschwommene Ideologien oder in anonymen Parlamentsversammlungen zu konkretisieren.

Die Welt kann alles gewinnen von dem Umstand, daß eine Gruppe von Männern, die die volle Verantwortung tragen, als Vertreter einer dauerhaften Regierung ihres Volkes um einen Tisch sitzen und bestrebt sein können, volles Einvernehmen zu erreichen unter gegenseitigen Konzessionen auf der Basis der Realität und bei gegenseitiger Berücksichtigung der Interessen der Völker, deren Schicksal sie lenken. Dieses faszistische Beispiel, das aus Italien kommt, ist jetzt das mittelbare oder unmittelbare Prinzip vieler Nationen.

Darüber hinaus ist der Boden jetzt von manchem alten ökonomischen Aberglauben bereinigt, und die Wirkungen einiger gefährlicher Experimente sind im Schwinden. Man hatte sie unternommen mit dem Ziele, eine Belebung der Wirtschaft durchzuführen und der Industrie und der Finanz zu helfen. Sie haben sich als nutzlos und schädlich erwiesen. Das gilt für die Inflation, das gilt auch für die Schutzzölle. Jede Nation hat aus einer traurigen und unmittelbaren Erfahrung gelernt, daß es nicht möglich ist, alles zu verkaufen und zu gleicher Zeit nichts zu kaufen.

Und was noch mehr zählt: wir werden im neuen Jahr die Erstarkung der korporativen Ideen in allen Ländern sehen. Das Beispiel Italiens auf diesem Gebiet ist bereits nachgeahmt worden und wird 1934 noch weiter nachgeahmt werden. Während die Codes der NIRA noch nicht die Vollkommenheit erreicht haben, die im Amtsbereich unseres Korporationsministeriums möglich geworden ist und noch weiter durch die Schaffung eines neuen Gildensystems erhöht werden soll, stellen sie den Ausdruck des gleichen Prinzips dar, das verkündet, daß der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Form ein Produkt des ökonomischen Liberalismus ist, daß diese Form bereits überlebt ist, daß Kapitalismus Kontrolle braucht, und daß zwischen den Interessen der Arbeitsgeber und Arbeitnehmer der Staat als der oberste Schiedsrichter sitzen sollte, um einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Wünsche zu der obersten Zwecksetzung des Gemeinwohles zu bewerkstelligen. Mit seinem neuen Korporationsrat wird Italien der Welt im neuen Jahr die radikalste Reform in der Geschichte der modernen Regierungskunst zeigen.

Die Symptome liegen überall klar. Alle Wege führen nach Rom, aber es ist auch war, daß alle Wege aus Rom in alle Welt führen. Über diese Wege hat die Zivilisation sich bereits dreimal wie durch ein lebendiges Nervensystem verbreitet. Ich habe schon in einem früheren Zeitpunkte gesagt, daß die Welt im Laufe von zehn Jahren entweder schon faszistisch sein, oder im Begriffe sein wird, faszistisch zu werden. Ich wiederhole jetzt mit größter Überzeugung, daß das Jahr 1934 einen entscheidenden Schritt auf dem wege dieser Faszisierung bedeutet.