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Stadtmagazin des Pester Lloyd für Budapest

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Wie willkommen sind welche Ausländer in Budapest?

Ein „Gut“ für die Deutschen, aber kein „Ausgezeichnet“

Eine Umfrage, die heikle Themen wie “Zigeuner” allerdings ausklammert, zeigt, wie die Budapester über die Ausländer in ihrer Stadt denken: Man schwankt zwischen Gastfreundschaft und Gleichmut

Die Bewohner der ungarischen Hauptstadt sind den Touristen gegenüber aufgeschlossen und haben eigentlich kein Problem damit, wenn sich Bürger anderer Staaten hier niederlassen. Allerdings gibt es bei der Beurteilung der Ausländer doch erhebliche Unterschiede nach ihrem Herkunftsland.

Die Hauptstadt beauftragte das Marketingunternehmen Studio Metropolitana mit einer repräsentativen Telefonumfrage unter 500 Budapestern, die Meinungen über ausländische Touristen, das Zusammenleben mit Ausländern in der Stadt und deren Integrationsfähigkeit einfangen sollte. Für Deutsche dürften die Aussagen von starkem Interesse sein, wobei die Grundhaltung ihnen (und allgemein Westeuropäern) gegenüber erwartungsgemäß positiv ausfällt.

Ein beliebtes T-Shirt-Sujet bei nationalgesinnten und tourigenervten Ungarn: “Ich bin Ungar - kein Ausländer!” - wobei übersehen wird, daß in Budapest auch viele leben, die weder Ungarn noch Touristen sind...

Überwältigende 83% der Budapester sind der Ansicht, dass man möglichst viele Touristen in die Stadt locken sollte, weil sie Geld mitbringen. Beinahe gleichrangig wurde der Gesichtspunkt eingestuft, dass Ausländer das Stadtbild bunt färben. Etwas mehr als die Hälfte der Hauptstädter beanstandet, dass sich Restaurants und Sehenswürdigkeiten der Stadt an der Kaufkraft der Ausländer orientieren und für Einheimische zu teuer sind. Zwei von drei Bewohnern der Hauptstadt sind offen für Gespräche mit den Gästen, doch findet auch jeder Vierte, dass sich die Touristen häufig ein Benehmen erlauben, das in deren Heimat nicht toleriert würde. Provokative Fragen, wonach hauptsächlich Billigtouristen in die Stadt reisen, die nicht auf die Werte achten und keine Rücksicht auf die Bewohner nehmen, wurden nur von wenigen Budapestern bejaht.

Gegenüber einer Ansiedlung von Ausländern in der Stadt zeigt sich eine Mehrheit gleichgültig. Ein klares Votum für den Zuzug ergab sich insbesondere hinsichtlich der Auslandsungarn, deren Kommen 43% der Budapester begrüßen und nur ganze 6% ablehnen. Auf der Beliebtheitsskala folgen die Deutschen erst auf Rang Vier (mit einem Votum von 28:6 bei 63% Gleichgültigen und 3% ohne Meinung) hinter Italienern und Franzosen sowie nur knapp vor US-Bürgern und Japanern, wobei Letztere mit 30:11 relativ viele Fürsprecher und auch Gegner zu haben scheinen.

Dass Österreicher und Schweizer in der Umfrage nicht bewertet wurden, entschuldigte der Geschäftsführer von Studio Metropolitana, Richárd Ongjerth, unserer Zeitung gegenüber mit dem Hinweis auf die Größenordnung der Stichprobe. Er musste zugleich den Widerspruch einräumen, dass die Befragten zwar offenbar keine Unterschiede bei Gästen aus dem deutschsprachigen Raum wahrnehmen, dafür aber Russen, Ukrainer und sogar Litauer (!) differenziert beurteilen wollen. Die Balten landeten übrigens im Mittelfeld hinter den Südamerikanern und vor Schwarzafrikanern, bei den Russen zeigten die Sympathiewerte nur noch ein geringes Plus von 17:14, Ukrainer aber werden als ein Schlusslicht der Umfrage mit 12:30 (auch hier bei Stimmenthaltung einer Mehrheit) genauso wenig im Lande gewünscht wie Araber und Chinesen.

Diese Einstellung hängt offenbar mit den Erfahrungen zusammen, die Budapester  in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld sammeln konnten. Immerhin jeder dritte Befragte kennt Chinesen in seiner Nachbarschaft, daneben werden Rumänen (vermutlich einschließlich der Siebenbürger Ungarn), Araber, Deutsche und Ukrainer häufig genannt. Unter diesen Bevölkerungsgruppen kommen allein die Deutschen gut weg, auf die sich kaum jene Kritik beziehen kann, wonach der Lebensstil über Gebühr von jenem der Ungarn abweiche, die Einheimischen allmählich verdrängt werden und die Immobilienpreise sinken, weshalb es 5% der Befragten „ausgesprochen stört, dass Ausländer in ihrer Nähe leben“.

Drei Viertel der Budapester glauben demnach, dass sich gewisse Volksgruppen anpassen können, andere hingegen nicht. Daraus schlussfolgern spektakuläre 71%, dass in der ungarischen Hauptstadt (in absehbarer Zukunft) Ausländerviertel entstehen werden. Die Verfasser der Studie sehen freilich keine reale Basis für die Herausbildung solcher Viertel, weder im Fall der zu 86% genannten Chinesen, noch für ein ebenfalls öfter genanntes Araberviertel. Auf unsere Frage, wie die Budapester zu Israelis bzw. zum Heranwachsen eines Judenviertels im historischen VII. Stadtbezirk stehen, sagte Richárd Ongjerth, man habe diese Fragestellung aus methodischen wie auch politischen Beweggründen bewusst vermieden.

Gewissermaßen als Kontrollfrage erkundigte sich das Studio Metropolitana schließlich nach Bedingungen für den Erwerb der ungarischen Staatsbürgerschaft durch Ausländer. Ein eigenes Einkommen, Sprachkenntnisse, ein mehrjähriger Aufenthalt und selbst noch der Besitz einer eigenen Wohnung werden von einer Mehrheit erwartet, an der fehlenden Kenntnis der ungarischen Literatur oder den nicht vorhandenen ungarischen Wurzeln soll die Einbürgerung aber nicht scheitern. Drei Viertel der Budapester sehen auch Hautfarbe und Konfession nicht als maßgebliches Kriterium für die Vergabe der Staatsbürgerschaft an.

R.A.

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