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Stadtmagazin des Pester Lloyd für Budapest

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(c) Pester Lloyd / 2009 FREIZEIT & TOURISMUS
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“Alles zu teuer...”

Wie sich das traditionsreiche Gellért Bad mit überhöhten Preisen um seine Gäste bringt

Es war einer dieser grauen, verregneten sowie unangenehm kalten Januartage. Von Winter keine Spur, aber Frühling lag auch noch längst nicht in der Luft. Ich wachte am Morgen auf, sah aus dem Fenster das meteorologische Ungemach und wusste: Heute gönnst du dir mal wieder etwas Gutes! Und was lässt sich an einem derartig miesepetrigen Tag in Budapest anstellen, damit die innere Laune wenigstens um einige gefühlte Pläsiergrade nach oben steigt? Genau! Es locken die berühmten Thermalwässer der Hauptstadt. Leider ist meines um die Ecke, das von Pesterzsébet, schon seit Ewigkeiten verriegelt und verrammelt – angeblich zu geringer Publikumsverkehr. Naja, wer es glaubt... Egal, das ficht mich nicht an, mein Lieblingsbad hat sowieso Noblesse und einen Ruf unter den Thermalbädern wie die Stradivari bei den Violinen.

Seit meinem ersten Besuch in Budapest – das ist mittlerweile stattliche 30 Jahre her – zieht es mich immer wieder magisch in das Gellért-Bad im gleichnamigen Luxusetablissement. Aber seit dieser Zeit ist halt viel Wasser die Donau herab und durch die Quellen des Gellért geströmt. Kostete der Eintritt 1979 noch lächerliche Forint, muss der potenzielle Besucher des Jahres 2009 zunächst seinen Kontostand prüfen, ob er sich das Vergnügen überhaupt leisten kann. Am besten, man nimmt gleich einen Kredit auf, wenn es den angesichts der Finanzkrise überhaupt geben sollte...

Spaß beiseite – der Ernst bleibt: Seit Anfang des Jahres sind sage und schreibe 3.600 Forint (nach Kurs vom 2.2.09 ca. 12,12 EUR) auf den Tisch des Hauses zu blättern, beziehungsweise der Dame an der pénztár zu überlassen. Dafür dürfen wir dann zeitlich unbegrenzt im Schwimmbad schwimmen und/oder im Thermalbad baden. Wer glaubt, 120 Minuten genügen fürs Vergnügen, der kann mit einer Rückzahlung beim Verlassen des Bades von 300 (!) Forint rechnen. Wie großzügig! Hoffentlich stürzt diese Geste wahrer Mildtätigkeit die „Budapster Heilbäder und -quellen AG“ als Betreiber nicht in den Ruin.

Noch vor Jahresfrist erhielt ich bei zweistündigem Verbleib 600 und bei dreistündigem immerhin noch 300 Forint vom Eintrittspreis (ich glaube, es waren 3.300 Forint), zurück. Damit kosteten 120 Minuten deutlich unter 3.000 Forint. Es ist klar, mittlerweile hat die Unverschämtheit im Gellért siegreich Einzug gehalten.

Vieles neu

Nun ließe sich freilich argumentieren, dass das Bad erst kürzlich generalüberholt worden sei. Das stimmt: Es gibt wieder Duschen mit Brausekopf, in der Dampfbadabteilung stehen brandneue Sitzbänke, die Thermalbecken wurden kachelmäßig geliftet – dafür aber gingen die Schränke in den Umkleidekabinen ihres einstigen „lang ist’s her, dass mich ein Schreiner zusammenfügte“-Charmes verlustig. Alles schön und gut. Notorische Nörgler werden sicher einwenden, damit sei die liebenswürdig-nostalgische Patina der Vergangenheit gleich mit abgeschabt worden. Nun gut, ich möchte darüber nicht philosophieren – immerhin kriege ich nach wie vor meinen sexy Lendenschurz als Bekleidungsstück überreicht. Aber Achtung!, erst auf konkrete Nachfrage. Früher bekam Gast dieses faszinierende Stück Stoff ungefragt untergejubelt. Darf heutzutage etwa FFK „thermalt“ werden?

Angesichts des Geschilderten wunderte es mich keineswegs, dass ich mir nicht wie sonst üblich gefühlte Stunden meine Beine an der Kasse in den Bauch stehen musste. Der Publikumsverkehr war sehr „übersichtlich“. An der trüben Jahreszeit kann es nicht gelegen haben, denn wann sollte der Thermalfan sonst seiner Obsession frönen, wenn nicht im Winter?

Wo ist der Alu-Silberling?

Es geschahen zudem zwei Dinge, die mich extrem nachdenklich machten und mir während all meiner 30 Jahre Gellért-Erfahrung noch nie passiert waren. Erstens: Der für das Abschließen der Kabinenschränke zuständige Mann in weiß gab mir keine silberfarbene Erkennungsplakette. Zweitens: Ich hatte das 38 Grad Becken zeitweise für mich allein!

Gut. Dass mir das Becken minutenweise allein gehörte, ebenso wie das Dampfbad, das ging noch an. Aber dass ich jetzt nicht mehr mit einer an einem Bändchen um mein Handgelenk baumelnden Plakette spielen konnte, das brachte mich fast komplett aus meinem seelischen Gellért-Wohlfühlgleichgewicht. Was sollte ich denn nun nur machen? Mir die wenigen, meist fettleibigen Mitbadenden ansehen? Geht nicht, hab zum Glück keine Brille auf. Blieb noch die Möglichkeit darüber nachzusinnen, wer jetzt statt meiner die Sachen im Umkleideschank anprobiert...

Ich konnte mir beim Verlassen des Terrains nicht verkneifen, den Mann in weiß zu fragen, weshalb er mir meine Spielplakette aus schäbigem Aluminium vorenthalten hatte. Er verwies mit einer weit ausladenden Handbewegung auf die zahlreichen leeren Kabinen. Das bedeutete wohl: „Keine Gäste! Und die, die kommen, deren Umkleidekabinennummer kann ich mir problemlos merken.“ Ja, verstehe ich. Aber weshalb kommt niemand? Der weiße Kabinenmann liebt die Gesten: Mit dem Daumen und zwei Fingern seiner rechten Hand machte er nur kurz die bekannte Reibebewegung, die überall in der Welt verstanden wird: „Pénz! Ez a próbléma. Minden túl drága.“

„Minden túl drága – alles zu teuer“, echote ich, nickte dazu heftig und schlich mich eiligst. Ich hatte noch fünf Minuten, um die Schranke zu passieren und wenigstens 300 Forint zurückzubekommen...

Frank Fischer

www.gellertbath.com/

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