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Aus dem Pester Lloyd von 1908
Berta von Suttner
1. Antiduellkongreß in Budapest - Eine Betrachtung
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Kongresse pflegen kontraktorische Beratungen über die Mittel und Wege abzuhalten, die am schnellsten an ein bestimmtes Ziel führen sollen. (…) Um den Antiduellkongreß, der hier einen glänzenden Verlauf genommen, zustande zu bringen, dazu gehört, daß schon in vielen Ländern Antiduell-Ligen bestehen, daß solche in den Adelskreisen, an den Universitäten bei den Frauen Sektionen besitzen. Dazu gehörte, daß unter Richtern, Parlamentariern und Militärs sich Anhänger gefunden, daß zwei Könige als Protektoren der Liga gewonnen wurden, dazu gehört vor allem, daß in acht Jahren langer hartnäckiger Arbeit ein ganzer Mann seine ganze Seele in die Sache gelegt hat. Indem alle sich für das Prinzip eingesetzt haben, daß das Duell verwerflich ist, daß die ritterliche Ehre einen anderen Schutz als den abgekarteten Gegenseitigkeitsmord haben müsse – damit ist eigentlich der Hauptstützpunkt des Duells – nämlich der Glaube, daß es in gewissen Fällen das einzige von der allgemeinen Sanktion begleitete Auskunftsmittel bildet – schon umgestoßen.
Die sämtlichen Delegierten, die sich zum Kongreß versammelt hatten, die Tausende von Mandatare, die hinter ihnen, und die erlauchten Schützer, die neben ihnen stehen, ergeben den positiven Beweis, daß das alte Vorurteil schon erschüttert – auf keinen Fall mehr ein allgemeines ist. Wieder einmal ist eine „vérité en marché“, es kommt jetzt nur noch darauf an, ihren Gang zu beschleunigen. Dazu werden die eben beschlossenen Budapester Tage ein gutes Stück beigetragen haben und es wird einst ein Stolz der ungarischen Hauptstadt sein, daß sie der gastliche Boden war, auf dem der erste Antiduellkongreß in so schöner Harmonie sich abgespielt hat. Nicht, daß nicht auch Meinungsverschiedenheiten zum Vorschein gekommen wären. Wie in allen Vertretungskörpern haben sich auch hier spontan ein rechter und ein linker Flügel gebildet. Radikale und Gemäßigte. Mehr Logik bei den Radikalen, mehr Klugheit vielleicht bei den Gemäßigten.
(…) Auch die Frauen waren auf dem ersten Antiduellkongreß vertreten. Es gibt schon keine Zivilisationsfrage mehr, in der sich die Frauen nicht das Recht errungen hätten, mitzureden. Erbprinzessin Therese Schwarzenberg-Trauttmannsdorff, die Präsidentin der österreichischen Damenvereinigung der allgemeinen Liga, war zur Eröffnungsfeier nach Budapest gekommen. Als Berichterstatterin der Damenvereinigung habe ich fungiert und konnte der Versammlung mitteilen, daß diese Vereinigung seit einem Jahr ihres Bestehens schon die Mitgliedsziffer von 10.300 erreicht hat. Den Duellanten soll, wie man sieht, noch eine dritte Genugtuung entzogen werden: die bewundernde Zustimmung der Frauenwelt.
Der Kongreß zeigt uns zweierlei: daß die Welt sich organisiert und daß sie sich mobilisiert. Mobilisiert zu einem gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Leiden, Unglück und Elend, unter deren Last die menschliche Gesellschaft seufzt und die man als die Folge alter Irrtümer oder als Vorurteile erkannt hat. Solcher Kampf ist wohl geeignet, eine gewissermaßen andächtige Begeisterung zu erwecken und die Kampfgenossen über die Schranken von sonstigen politischen, nationalen, konfessionellen und sozialen Gegenätzen hinauszuheben. (…)
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