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(c) Pester Lloyd / 52 - 2019   POLITIK       23.12.2019


Gelebte Alternativen: Budapests neuer Bürgermeister bedroht Orbán mit Demokratie und Rechtsstaat - Bund freier Städte

Man wolle Partner sein und keinen Krieg gegeneinander führen, das betonten sowohl Premier Viktor Orbán als auch der
Wahlsieger und neue Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, der an der Spitze eines breiten Oppositionsbündnisses die ungarische Hauptstadt eroberte, so eine Dekade Wahlniederlagen beendete und zeigte, dass Einigkeit Wandel bringen kann.

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Gergely Karácsony (2.v.l.) mit seinen Amtskollegen des “Bundes freier Städte”

Dass Budapest - und mehrere andere wichtige Städte des Landes - nur der Anfang sein würden, betonten die Wahlsieger und das fürchtet auch das Fidesz-Lager. Daher war auch klar, dass es Krieg geben würde, zuviel steht auf dem Spiel, zu viel Geld, zu viel Macht und zu viel Gefahr, dass die institutionelle Kleptokratie über den Köpfen der Fidesz-Mafia bei den nächsten Parlamentswahlen zusammenbrechen könnte, sollte Karácsony in die Lage versetzt werden in Budapest das lebendige Beispiel einer gangbaren Alternative vorzuleben.

Erste Achtungszeichen

Zunächst hat Karácsony die Zwangsräumungen gegen sozial schwache Familien ausgesetzt und lässt keine Obdachlosen mehr jagen - natürlich im Rahmen der Befugnisse, die er hat. Diese so weit wie möglich zu beschneiden, ohne nach außen ein allzu offensichtliches Bild einer Dikatur abzuliefern, ist nun Aufgabe der Fidesz-Strategen. Das neue Kulturgesetz mit der
Quasi-Verstaatlichung der städtischen Theater ist da nur ein kleiner Vorgeschmack.

Als nächstes setzte der 44-jährige Karácsony zwei Kommissionen ein, eine zur Überprüfung sämtlicher von Vorgänger Tarlós gemachten Verträge mit externen Unternehmen - hier darf man einen sehr belebten Abschlussbericht erwarten - sowie einen Koordinationsrat zwischen Rathaus, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, also die Wiedergründung der Sozialpartnerschaft, die Orbán durch ein Marionettengremium ersetzen ließ. Sie soll vor allem den Wirtschaftsstandort Budapest - möglichst ökologisch - fördern, dabei die Arbeitnehmerrechte schützen. Karácsony möchte Unternehmen und Unternehmern die Angst nehmen, in einem von Orbán losgelösten Budapest zu investieren. Das Signal: Man muss nicht so rückgratlos gegenüber Orbán sein wie die deutsche Automobilindustrie, um erfolgreich in Ungarn wirtschaften zu können.

Battleground Stadtwäldchen

Vor Jahren hatte Fidesz die Margareteninsel, die auf dem Territorium eines MSZP-Bezirksbürgermeisters lag, schlicht verstaatlicht. Das ebenso emblematische Stadtwäldchen ist nun der nächste Battle-Ground. Karácsony ließ mit seiner Mehrheit eine Art salmonischen Baustopp für die anlaufenden
Mega-Projekte der Zentralregierung verhängen. Geplant ist ja eine Museumsstadt, natürlich unter zentraler Aufsicht, sowohl, was die Vergabe der Millionen betrifft, als auch die Inhalte der Museen. Allein die neue Nationalgalerie würde 250 Millionen Euro verschlingen, es besteht der Verdacht, dass die Auslagerung der jetzigen aus dem Burgschloss dazu dient, Orbán mehr Platz für einen künftigen Fürstensitz zu schaffen. Er residiert ja bereits nebenan, aber er will ins Schloss. Wie jeder, der glaubt, er sei ein König.

Das Rathaus sagte, man werde alle derzeitigen und geplanten Baumaßnahmen auf einen städteplanerischen und ökologischen Prüfstand stellen und notfalls "so adaptieren, dass die Anwohner ihren frei zugänglichen Park behalten" können. Wenn das ernst gemeint ist, dann bedeutet es zumindest eine Zurechtstutzung der "Reichshauptstadt Hungária" auf ein Projekt in menschlichen Dimensionen. Die Regierung kommentierte das mit einer Umfrage, wonach Zwei Drittel für den Umbau seien und ließ ausrichten, man habe das Geld bereit gestellt und warte dann auf die Einladung zur Eröffnung, mehr liege nicht in ihrer Hand. Zwar laufen die Ausschreibungen für die fetten Aufträge über einen zentralen Regierungskommissar, die Stadt Budapest muss aber die Baugenehmigungen erteilen und wird das nicht tun, wenn man "Rechtsverstöße" erkennt.

Vier Freistädte

Grün und frei, so wolle er Budapest gestalten, sagte Karácsony immer wieder. Mit den drei Hauptstadt-Bürgermeistern der anderen Visegrád-Vier-Länder schmiedete er jetzt einen "Pakt der Freien Städte", denn Warschau, Prag und Bratislava haben ebenfalls liberale Bürgermeister, die in Opposition zu ihren Zentralregierungen stehen, - wenn auch nicht in allen Fällen so krass wie Budapest zu Orbán-Ungarn. Der Pakt soll als Symbol gegen Populismus und Korruption stehen, ein Gegenentwurf europäischer und ökologischer Konzepte, Bürgerstädte gegen nationalistischen Provinzial- und Totalitarismus sozusagen.

Darüber hinaus wollen die Vier, neben Karácsony sin das in Bratislava der Architekt Matúš Vallo (42), Zdenek Hrib (38) der Prager Bürgermeister der Piratenpartei und in Warschau der Liberale Rafal Trzaskowski (47), aber auch konkrete Projekte anstoßen, vor allem im öffentlichen Nahverkehr und bei der Aquirierung von EU-Geldern, die man durch grenzüberschreitende Projekte noch leichter an der Zentralregierung vorbei realisieren kann, was Orbán besonders nerven wird, denn die EU-Fonds sind ja, neben der deutschen Automobilindustrie, der
wichtigste Finanzier seines Regimes.

Es wird eskalieren

Budapests neuer, liberaler Bürgermeister Karácsony pokert hoch gegen Orbán. Zuletzt hat er dem eine Liste übermittelt, unter welchen Umständen er dem Bau eines weiteren gigantischen Stadions, diesmal für Leichtathletik WM 2023 nur zustimmen wird: Er will zentrale Investitionen in den Nahverkehr, Runderneuerung der städtischen (de jure staatlichen) Krankenhäuser sowie - und das ist unerhört - "transparente Ausschreibungen und Verträge" sowie "unabhängige Kontrolle" bei der Errichtung des Stadions. Kurz: Er fordert Demokratie und Rechtsstaat. Das kann Orbán um keinen Preis erfüllen, er würde sich damit selbst abschaffen. Die Sache wird eskalieren und sie wird schmutzig. So viel ist gewiss.

red.



 




 

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